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Indiana schwieg verwirrt. Söldner? Es fiel ihm allerdings schwer, Reuben zu glauben. Er mochte Corda nicht, aber das, was der FBI-Mann da behauptete, klang einfach unglaublich. Stanley Corda war möglicherweise ein Dieb, aber niemand, der mit einem bewaffneten Trupp aufbrechen würde, um etwas zu rauben.

Doch dann erkannte er den Fehler in seinen Gedankengängen. Sie sprachen ja nicht über einen x-beliebigen Schatz. Was Corda gefunden hatte, das war kein altes Königsgrab, sondern El Dorado, das sagenumwobene Goldland. Vielleicht stimmte es ja, daß jeder Mensch seinen Preis hat.

Henley hatte seine Nummer zu Ende gewählt und begann mit leiser, sehr bestimmter Stimme zu sprechen, ohne daß Indiana genau verstehen konnte, was er sagte.»Wenn Sie das alles wissen«, wandte er sich an Reuben,»dann wissen Sie ja vielleicht auch, wohin Stan wollte.«

«Natürlich«, antwortete Reuben.»Er hat für sich, seine zwölf Begleiter und die Ausrüstung eine Schiffspassage nach São Paulo gebucht. Für den einundzwanzigsten.«

«Das ist in einer Woche.«

«Ich weiß«, antwortete Reuben leicht ungeduldig.»Aber Corda ist seit zwei Tagen verschwunden. Ebenso wie die Männer, die er angeheuert hat. Und die komplette Ausrüstung. Offenbar hat er Ramos nicht getraut. Die Passage und alles andere diente nur dem Zweck, ihn über sein wahres Ziel zu täuschen.«

«Aber dreizehn Männer und ein ganzer Lastwagen voller Ausrüstung können doch nicht einfach so verschwinden«, sagte Indiana.

«Genau dasselbe dachte Ramos offensichtlich auch«, antwortete Reuben.»Aber er hat sich getäuscht. Sie sind allesamt wie vom Erdboden verschluckt.«

Henley hatte sein Telefongespräch beendet und kam zurück.»In spätestens drei Stunden wimmelt es hier von FBIBeamten«, sagte er.»Wir finden Mrs. Corda und Mr. Brody, keine Sorge.«

Indiana war in diesem Punkt nicht ganz so optimistisch. Wenn er eines begriffen hatte bei seinem ersten Zusammentreffen mit Ramos, dann das, daß dieser Mann vielleicht durch und durch schlecht, aber auch sehr intelligent war. Er war hundertprozentig davon überzeugt, daß Ramos sein Haus beobachten ließ.

104

«Sicher«, sagte Reuben, als Indiana ihm seine Besorgnis mitteilte.»Sie stehen auf der anderen Straßenseite. Zwei Trottel in einem alten Ford, die sich einbilden, unsichtbar zu sein.«

«Und Sie unternehmen nichts?«wunderte sich Indiana.

Reuben lächelte.»Warum sollten wir? Solange sie nicht wissen, daß wir wissen, daß sie da sind, sind sie nicht gefährlich. Im Gegenteil.«

«Aha«, sagte Indiana.

«Wir lassen die beiden außerdem beobachten«, fügte Henley erklärend hinzu. Er sah auf die Uhr.»Sie sollten sich allmählich fertigmachen, Dr. Jones. Ihre Vorlesung beginnt in einer knappen Stunde. Solange Ramos nicht weiß, daß Sie mit uns zusammenarbeiten, müssen Sie sich ganz normal benehmen.«

Reuben stand auf.»Wir gehen jetzt«, sagte er.»Oder noch besser — werfen Sie uns raus. Aber so, daß diese beiden Trottel dort drüben es sehen.«

«Wir wollen doch nicht, daß unser Freund Ramos am Ende noch denkt, Sie würden mit uns zusammenarbeiten«, fügte Henley hinzu. Er lächelte, aber seine Augen blieben kalt wie Glas, und Indiana las eine unausgesprochene Frage darin.

Er beantwortete sie nicht.

Aber es fiel ihm auch nicht sehr schwer, die beiden FBIMänner so demonstrativ aus dem Haus zu werfen, daß selbst ein Blinder begreifen mußte, daß sie nicht unbedingt seine Freunde waren. Und er war nicht einmal selbst ganz sicher, ob er den Zorn in seiner Stimme und seinen Gesten tatsächlich nur gespielt hatte.

Er hatte eine weitere Tasse des entsetzlichen Kaffees heruntergewürgt, den Reuben gebraut hatte, bis ihm endlich klarwurde, daß es Samstag war und es somit keine Vorlesung gab, zu der er pünktlich erscheinen mußte. Aber die Vorstellung, die nächsten Stunden mit nichts anderem verbringen zu müssen als damit, darauf zu warten, daß das Telefon klingelte oder die FBI-Männer zurückkamen, war ihm schier unerträglich. Außerdem wußte er einfach, daß es für Marian und Marcus keine Rettung gab, wenn er sich auf Pat und Patachons Methoden verließ. Er zweifelte nicht an den Fähigkeiten der beiden FBI-Beamten, aber er spürte, daß sie bei Ramos versagen würden.

Der Mann war mehr als ein Verbrecher. Er war verrückt, ein Wahnsinniger ohne die Spur eines Gewissens, der nicht nur körperlich, sondern auch geistig verkrüppelt war, aber er war zugleich auch hochintelligent und auf eine subtile Art gefährlich. Auf eine Art, die auch Indiana nicht mit Worten beschreiben konnte, die er aber überdeutlich gespürt hatte. Selbst jetzt lief ihm noch ein eisiger Schauer über den Rücken, wenn er an sein Zusammentreffen mit dem Blinden dachte.

Und außerdem war es nie seine Art gewesen, einfach dazusitzen und die Hände in den Schoß zu legen. Er mußte irgend etwas tun. Aber was?

Unschlüssig und nervös ging er zur Tür, schob die Gardine vor dem schmalen Fenster daneben behutsam ein Stück zur Seite und sah auf die Straße hinaus. Er entdeckte Ramos’ Männer sofort. Sie waren noch da und benahmen sich tatsächlich so ungeschickt und auffällig, wie Reuben behauptet hatte. Aber eigentlich, fand Indiana, war das sonderbar. Ramos war alles andere als ein Dummkopf. Wenn er ihn beschatten ließ, dann bestimmt von Männern, die ihren Job verstanden. Diese beiden Trottel dort drüben benahmen sich so ungeschickt, daß man schon blind hätte sein müssen, um sie nicht zu bemerken.

Es sei denn, er sollte sie sehen.

Noch einmal und aufmerksamer ließ er seinen Blick über die Straße schweifen. Aber er entdeckte nichts Auffälliges. Wenn Ramos einen dritten Mann geschickt hatte, um ihn zu beobachten, dann benahm sich dieser sehr viel geschickter als die beiden in dem Wagen dort drüben.

Indiana ließ die Gardine wieder zurückgleiten, trat von der Tür weg und sah sich in seinem total verwüsteten Wohnzimmer um. Er war plötzlich nicht mehr sicher, ob all diese Verheerung hier wirklich nur Ausdruck bloßer Zerstörungswut war. Ramos’ Leute hatten tatsächlich alles kurz und klein geschlagen, was sich irgendwie zerstören ließ, aber wenn man genauer hinsah, dann erkannte man auch, daß sie dieses Zimmer — ebenso wie den Rest des Hauses — bis auf den letzten Winkel durchsucht hatten. Aber warum? Und vor allem — wonach?

Er wußte die Antwort, noch ehe er den Gedanken völlig zu Ende gedacht hatte. Und fast im gleichen Moment wußte er auch, was sie bisher alle übersehen hatten.

Es war beinahe schon lächerlich: Die beiden Ganoven in ihrem Wagen gaben sich nicht einmal Mühe, in irgendeiner Weise unauffällig zu sein. Ihr Wagen folgte dem Ford von Indiana so dicht, daß er zweimal fast damit rechnete, sie würden auf ihn auffahren. Bei der dritten Ampel, an der Indiana halten mußte, widerstand er nur noch mit Mühe der Versuchung, auszusteigen und den beiden vorzuschlagen, der Einfachheit halber gleich bei ihm mitzufahren.

Als er den halben Weg zur Universität zurückgelegt hatte, entdeckte er schließlich den zweiten Wagen. Es war ein grauer Kombi mit der Aufschrift einer Wäscherei auf der Seite, der ihnen in großem Abstand und so unauffällig folgte, daß Indiana anfangs nicht einmal sicher war, ob es sich tatsächlich um ein zweites Beschatter-Team handelte. Aber der Wagen blieb hinter ihm und seinen» Schatten«, selbst als Indiana schließlich vom direkten Weg abwich und willkürlich um ein paar Blocks kurvte. Als er wieder auf die Hauptstraße einbog, entdeckte er den Kombi in einer halben Meile Abstand im Rückspiegel.

Er parkte den Wagen auf der Straße vor der Universität, stieg aus und widerstand diesmal nicht mehr der Versuchung, den beiden Deppen, die ihm folgten, freundlich zuzuwinken, ehe er mit einem großen Schritt über das »Rasen betreten verboten!«-