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Aber das war unmöglich!

Verblüfft drehte sich Corda wieder herum und blickte zum ersten Mal bewußt auf die zerbrochenen Äste hinab, die er bei seinem Sturz vom Baum abgerissen hatte. Sie waren schwarz und mit einer zentimeterdicken Schicht aus Ruß und Asche bedeckt, aber hier und da blitzte es auch an ihnen golden auf, und als er einen davon aufhob und sich die Bruchstelle genauer betrachtete, blendete ein hellgelber Schimmer seine Augen.

Verblüfft ließ Corda den Ast fallen und wandte sich wieder dem Baum zu. Minutenlang stand er einfach da und starrte ihn an, und er erwog und verwarf in dieser Zeit Dutzende von Erklärungen für das, was er sah. Keine war wirklich überzeugend. Ein Zufall? Eine Goldader, die von einer Laune der Natur aus dem Berg herausgewaschen worden war? Unmöglich. Selbst wenn es in dieser Lava Gold gegeben hätte, wäre es weicher gewesen als der Stein und von der Erosion fortgespült worden.

Ein Kultgegenstand, ein Jahrtausende altes Kunstwerk, das die Indianer, die diesen Dschungel einst bewohnt hatten, zu Ehren ihrer Götter errichtet hatten? Ebenso unmöglich. Die Inkas und Mayas waren nie in diesen Teil Boliviens vorgedrungen, und selbst, wenn doch — Corda kannte ihre Kunstwerke zur Genüge. Er hatte mehr als eines davon geborgen und ins Museum gebracht, und mehr als eines war auch auf dem Wege zwischen dem Fundort und besagtem Museum auf unerklärliche Weise verschwunden, und jedesmal hatte sich Cordas Guthaben bei seiner Bank auf unerklärliche Weise beträchtlich erhöht.

So fantastisch es klang — es schien nur eine einzige Erklärung zu geben.

Aber die war noch schwerer zu akzeptieren.

Widerstrebend wandte er sich von dem fantastischen Baum ab und blickte wieder auf die Decke aus Nebel und brodelnden, grauen Schwaden hinab, die das Innere des Vulkankraters verbarg. Erst jetzt fiel ihm auf, daß es sie eigentlich gar nicht geben konnte; der Sturm war zwar vorüber, aber selbst, wenn dort unten ein Sumpf gewesen wäre, hätte sich der Nebel nicht so schnell erneuern können.

Er sah sich unsicher nach allen Seiten um, entdeckte nach kurzem Suchen nur wenige Meter entfernt eine Stelle, die ihm günstig schien, ins Innere des Kraters hinabzugelangen, und machte sich mit zusammengebissenen Zähnen und wankend auf den Weg.

Es ging leichter, als er gedacht hatte. Aber es war auch unheimlicher, als er erwartet hatte. Der Nebel hüllte ihn ein wie feuchte Watte und durchtränkte seine Kleider und sein Haar schon wieder mit kalter Nässe; dabei ließ er den Boden unter seinen Füßen schlüpfrig werden, so daß er aufpassen mußte, wohin er seine Schritte lenkte. Die Gefahr, auszurutschen und sich auf den scharfen Lavagraten noch mehr zu verletzen, war groß. Außerdem war es der seltsamste Nebel, den Corda je erlebt hatte. Er war so dicht, daß er glaubte, ihn anfassen zu können, und ein sonderbarer Geruch ging von ihm aus: scharf und fremdartig, nicht einmal unbedingt unangenehm, aber doch so präsent, daß er alle anderen Sinneseindrücke zu überlagern schien.

Nicht, daß es sehr viele andere Eindrücke gegeben hätte. Vor ihm war nichts als eine graue Wand, in die er sich hineintasten mußte, und manchmal sah er nicht einmal, was unter seinen Füßen war. Er kam nur sehr langsam voran, und es war ihm völlig unmöglich, die Entfernung zu schätzen, die er zurücklegte. Dann und wann glaubte er, einen Umriß in den grauen Schwaden vor sich zu erkennen, fand aber nie etwas, wenn er in diese Richtung ging, und manchmal glaubte er, Geräusche zu hören: unheimliche, bizarre Laute, die der allgegenwärtige Nebel dumpf und irgendwie feucht klingen ließ.

Er war jetzt nicht mehr sicher, ob es wirklich eine gute Idee gewesen war, in diesen Vulkankrater hinabzusteigen. Er hatte mehr Glück gehabt, als er sich auch nur hätte träumen lassen, und vielleicht war das Schicksal der Meinung, daß er seinen Kredit bei ihm bis an den Rest seiner Tage ausgeschöpft hatte. Corda gestand sich ein, daß er sich offensichtlich verirrt hatte. Seine Chancen, den Weg aus diesem Nebel wieder herauszufinden, waren gleich Null.

Er blieb stehen, drehte sich einmal im Kreis und begriff mitten in der Bewegung voller Schrecken, daß er auf dem besten Wege war, auch sein letztes bißchen Orientierung zu verlieren. Hastig drehte er sich wieder in die gleiche Richtung zurück, machte einen weiteren, unsicheren Schritt — und blieb abermals stehen.

Vor ihm war etwas. Im allerersten Moment hielt er es wieder für eine der Täuschungen, die ihn auf den Weg hier herunter schon mehrmals genarrt hatten, aber diesmal verschwand der Schatten nicht, als er genauer hinsah. Im Gegenteil, er schien deutlicher zu werden, ohne dabei an Form zu gewinnen. Corda sah, daß vor ihm etwas war, aber er wußte nicht, was das sein mochte.

Sein Herz schlug schneller. Er war niemals abergläubisch gewesen. Geschichten von Geistern und Gespenstern hatten ihm stets nur ein müdes Lächeln abgerungen, obwohl oder vielleicht gerade weil er sich so oft damit beschäftigte, wenn er auf den Spuren versunkener Kulturen war oder Jahrtausende alte Gräber öffnete. Aber in diesem Moment hätte es ihn nicht besonders überrascht, wenn der Nebel einen brüllenden Dämon ausgespien hätte, der gekommen war, um den Frevel zu rächen, den er begangen hatte, als er diesen verbotenen Ort betrat.

Doch der Schatten rührte sich nicht. Corda lauschte. Er hörte nichts außer dem Rauschen seines eigenen Blutes und den unheimlichen, dumpfen Lauten des Nebels, von denen er mittlerweile nicht mehr sicher war, ob sie nicht nur seiner eigenen Fantasie entsprangen.

Unendlich vorsichtig ging er weiter. Der Schatten wuchs ganz langsam heran, blieb aber immer noch formlos. Doch je näher Corda ihm kam, desto deutlicher sah er, daß vor ihm kein schwarzer Fels aus dem Boden ragte. Was er sah, war ein metallisches Schimmern; ein Schimmern von gelber Farbe.

Dann, ganz plötzlich, als hätte er eine unsichtbare Grenze überschritten, erkannte Corda, was vor ihm stand.

Mit einem gellenden Schrei prallte er zurück, verlor das Gleichgewicht und stürzte schwer zu Boden. Seine Wange streifte etwas Kaltes, das hart war, aber nicht so hart wie der Stein, auf den er gestürzt war, und er drehte automatisch den Kopf und schrie abermals auf, und diesmal voller Ekel, als er sah, was seine Wange gestreift hatte.

Und dann wurden seine Augen groß und rund vor Staunen, und aus dem Schrei wurde ein ungläubiges Keuchen.

Direkt neben seinem Gesicht hockte eine Spinne. Es war die größte Spinne, die er jemals zu Gesicht bekommen hatte — ein Körper wie zwei nebeneinandergelegte Männerfäuste, weit gespreizte Beine, die eine Spannweite von gut vierzig oder fünfzig Zentimetern haben mußten, und Augen von der Größe polierter Heftzwecken, die ihn mit kalter Wut anstarrten.

Aber es war nicht die Größe oder die unbeschreibliche Häßlichkeit dieses Wesens, die Corda wie erstarrt einfach daliegen und es anstarren ließen. Die Spinne lebte nicht. Und sie war genausowenig eine Spinne, wie der Baum dort oben am Kraterrand ein Baum gewesen war.

Sie bestand aus purem Gold.

Trotzdem verspürte Corda ein heftiges Ekelgefühl, das ihn dazu brachte, sich aufzurichten und hastig ein Stückweit von dem künstlichen Tier fortzukriechen. Abgesehen von seiner Farbe wirkte es so lebensecht, daß es ihn nicht erstaunt hätte, wäre es plötzlich auf ihn losgeschossen. Die großen Augen blickten ihn mit einem Ausdruck erstarrter Wut an, die häßlichen, haarigen Beine waren bis ins Feinste nachgebildet, so daß man jedes Härchen, jedes Gelenk, selbst die winzigen, gebogenen Krallen an ihrem Ende erkennen konnte. Auf dem aufgedunsenen Leib klebte etwas wie goldener Schaum; ein Eierpaket, wie es viele Spinnen mit sich herumschleppen und das der unbekannte Künstler, der dieses Tier erschaffen hatte, perfekt nachgebildet hatte.

Aber Corda war mit einem Male auch nicht mehr sicher, ob dieses Tier wirklich nachgebildet worden war.

Mühsam riß er seinen Blick von der riesigen Kreatur los, wandte den Kopf und starrte wieder den größeren, goldschimmernden Schatten an, bei dessen Anblick er zurückgeprallt war.