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Benson verdrehte die Augen und stöhnte leise, und Indiana hatte keine Ahnung, ob er seine Worte überhaupt verstanden hatte; geschweige denn, daß er sie begriffen hatte. Indiana betete, daß sein Kalkül aufging. Um Bensons willen — und wegen Marian und Marcus.

Er hörte Schritte, sah plötzlich die Gestalt eines der beiden Gauner groß und drohend über sich in der Tür aufragen und stand mit einer raschen Bewegung auf.

«Was ist hier los?«fragte der Bursche.»Wer ist der Alte?«

«Niemand«, antwortete Indiana, in einem überheblichen, bösen Ton, von dem er hoffte, daß er dem Schläger so vertraut war, daß ihm nicht auffiel, daß er im Grunde nicht zu einem ehrwürdigen Archäologieprofessor paßte. Er trat mit einem großen Schritt über Benson hinweg, der stöhnend und halb bewußtlos dalag und sich krümmte, und hob triumphierend die Akte, die er dem Arzt entrissen hatte.

«Bringen Sie mich zu Ramos«, sagte er.»Ich habe, wonach er sucht.«

«Eine Postkarte!«Ramos’ Fingerspitzen glitten über die lak-kierte Oberfläche des buntbedruckten Stücks Karton, und der Blick seiner leeren Augen war auf die aufgeschlagene Mappe auf dem Tisch vor ihm gerichtet, als könne er sie tatsächlich sehen. Es war ein unheimlicher Anblick.

Indiana zuckte mit den Schultern. Obwohl er wußte, daß Ramos auch diese Bewegung nicht sehen konnte.»Das ist alles, was ich finden konnte«, antwortete er.»In der Mappe war sonst nichts drin.«

«Und der Arzt wußte natürlich auch nichts«, fügte Ramos mit einem Lächeln hinzu, das keines war. Dann hob er den Kopf, um in Indianas Richtung zu blicken.»Oder hat er sich vielleicht auf seine ärztliche Schweigepflicht berufen, und Sie haben diesen Eid als sein wissenschaftlicher Kollege selbstverständlich respektiert und sind nicht weiter in ihn gedrungen, Dr. Jones?«Der beißende Spott in seiner Stimme war nicht mehr zu überhören; ebensowenig wie die Drohung, die sich hinter diesen Worten verbarg.

«Er wußte wirklich nichts«, sagte Indiana. Da er keine Möglichkeit hatte, Ramos mit einer überzeugenden Mimik oder entsprechenden Gesten zu beeindrucken, versuchte er, seiner Stimme einen besonders eindringlichen Klang zu verleihen — womit er vermutlich eher das Gegenteil erreichte, wie ihm selbst schmerzhaft bewußt wurde.»Ich habe alles aus ihm herausgeholt, was er wußte.«

Ramos schwieg eine ganze Weile. Wieder fuhren seine Fingerspitzen leicht und tastend über die Postkarte, zogen ihre Umrisse nach und glitten schließlich über das Blatt Schreibmaschinenpapier, auf das sie aufgeklebt war.»Wieso kann ich mich des Eindruckes nicht erwehren, daß Sie nicht ganz aufrichtig zu mir sind, Dr. Jones?«fragte er leise.

«Dr. Benson hat die Wahrheit gesagt«, beharrte Indiana, wobei er hoffte, daß Ramos nicht auffiel, daß er seine Frage damit geschickt umging.»Natürlich hat er sich zuerst geweigert, überhaupt mit mir zu reden. Aber ich habe ihn schließlich überzeugt.«

«Ja, Peter hat es mir auch so erzählt. «Er deutete auf den Mann zu seiner Linken; den Gangster, der aus dem Wagen gestiegen und in Bensons Haus gekommen war. Es waren tatsächlich dieselben, die ihn in Cordas Büro in der Universität überrumpelt hatten. Ramos’ Leibwächter war bisher nicht zurückgekommen. Vermutlich war es Reuben, Henley und den beiden anderen FBI-Männern am Schluß doch gelungen, ihn zu überwältigen. Die beiden mußten die Situation ausgenutzt haben, ihr Heil in der Flucht zu suchen. Soviel zu der vielzitierten Ganovenehre, dachte Indiana.

«Aber sehen Sie, Dr. Jones«, fuhr Ramos fort, als Indianas anhaltendes Schweigen ihn begreifen ließ, daß er keine Antwort auf seine Frage bekommen würde.»Gerade das ist es, was mich nachdenklich stimmt.«

«Was? Daß ich getan habe, was Sie von mir verlangen?«

«Ich habe eine Menge über Sie gehört, Dr. Jones«, sagte Ra-mos unbeirrt, noch immer lächelnd und noch immer in einem Tonfall, der sich im allerersten Moment beinahe freundlich anhörte, es aber ganz und gar nicht war.»Ihnen eilt nicht unbedingt der Ruf voraus, besonders zimperlich zu sein. Aber daß Dr. Indiana Jones auf einen wehrlosen alten Mann einschlägt, um Informationen aus ihm herauszubekommen, gehört wahrhaftig nicht zu den Dingen, die man sich über Sie erzählt. Es fällt mir daher ein wenig schwer, das zu glauben.«

«Ich habe nicht auf ihn eingeschlagen!«verteidigte sich Indiana in gespielter Entrüstung.»Ich habe ihm diese Mappe weggenommen, das ist alles. Er wollte sie nicht freiwillig hergeben, und es kam zu einer kleinen Rangelei, bei der er versehentlich gestürzt ist.«

«Eine Rangelei um eine völlig leere Mappe, die nichts weiter als eine Postkarte enthält?«Ramos zog zweifelnd die Augenbrauen zusammen.»Und Sie sind sicher, daß Sie die richtige Krankenmappe mitgenommen haben?«

«Cordas Name steht in großen Buchstaben darauf«, erwiderte Indiana verärgert.»Fragen Sie einen Ihrer Prügelknaben. Sie werden es Ihnen bestätigen — falls sie lesen können, heißt das.«

«Oh, daran zweifele ich keine Sekunde, Dr. Jones«, erwiderte Ramos.»Ich frage mich nur, ob sie immer so leer war oder ob Sie vielleicht vergessen haben, das eine oder andere mitzunehmen.«

«Vielleicht gibt es ja einen zweiten Ordner«, antwortete Indiana.»Oder er hat die Unterlagen falsch abgeheftet. Ich hatte nicht viel Zeit, um mich gründlich umzusehen, wissen Sie. Diese beiden Idioten, die Sie hinter mir hergeschickt haben, haben schließlich ihr möglichstes getan, um die halbe Stadt in Aufruhr zu versetzen. Eigentlich ist es ein Wunder, daß ich es überhaupt geschafft habe.«

Ramos starrte ihn an. Er bot dabei einen unheimlichen Anblick, dessen Wirkung nicht nachließ, sondern im Gegenteil mit jedem Augenblick stärker zu werden schien; Indiana blickte in Augen, die niemals etwas anderes gesehen hatten als endlose Dunkelheit, und trotzdem hatte er plötzlich das Gefühl, durchleuchtet zu werden. Er hatte das beängstigende Gefühl, einem Mann gegenüberzustehen, dessen blinde Augen mühelos bis in sein Innerstes zu blicken und seine ganzen Geheimnisse zu ergründen schienen, als hätte er durch eine Glasscheibe geblickt. Eigentlich nur, um überhaupt etwas zu sagen und das immer unangenehmer werdende Schweigen zu brechen, räusperte sich Indiana trotzig und fuhr fort:»Ich habe meinen Teil der Abmachung erfüllt, Ramos. Jetzt halten Sie Ihr Wort und lassen Marcus und Marian frei.«

Ein flüchtiges, kaltes Lächeln huschte über Ramos’ entstelltes Gesicht.»Oh, ich halte mein Wort, Dr. Jones, keine Angst«, sagte er.»Ich werde Ihre Freunde unversehrt freilassen — vorausgesetzt, die Informationen, die Sie mir gebracht haben, sind auch etwas wert.«

«Was soll das heißen?«fragte Indiana scharf.

Der Mann zu Ramos’ Linker machte eine ansatzweise Bewegung, und Ramos hob rasch die Hand und brachte ihn wieder zur Ruhe.»Eine Postkarte und ein hingekritzelter Gruß sind vielleicht ein bißchen wenig, um zwei Menschenleben damit aufzuwiegen«, erklärte er böse.

«Das ist wahrhaftig alles, was ich Ihnen sagen kann!«protestierte Indiana.»Und es ist schon mehr, als alle anderen wissen.«

«Sie auch?«fragte Ramos mit einem neuerlichen, kalten Lächeln.

Indiana wollte abermals auffahren, aber er begriff gerade noch rechtzeitig, daß Ramos vielleicht gerade das wollte — ihn aus der Reserve locken, ihn aus der Ruhe bringen und vielleicht zu einem Fehler provozieren.»Ja, ich auch«, antwortete er betont ruhig.»Und ich bin sicher, Sie wissen das längst. Sie haben Marian und Marcus nicht entführt, weil Sie schon alles über Stan wissen. Er hat seine Spur verdammt gut verwischt. Nicht einmal das FBI weiß, wohin er mit seinen Männern verschwunden ist.«

«Und wir wissen es ebensowenig«, sagte Ramos.

«Aber das stimmt doch nicht«, protestierte Indiana. Er deutete anklagend auf die Karte vor Ramos, ehe ihm einfiel, daß der Blinde die Geste ja gar nicht sehen konnte.»Das da ist eine Spur«, beharrte er.»La Paz ist groß, aber nicht so groß. Fahren Sie hin, und lassen Sie Ihre Beziehungen spielen oder meinetwegen ein paar Leute zusammenschlagen. Darin haben Sie ja Erfahrung. Ein Mann wie Stan in der Begleitung eines Dutzends Söldner wird selbst in einer Stadt wie La Paz auffallen.«