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«Nein«, antwortete Indiana.»Aber ich halte es für keine gute Idee, daß Miss Corda uns begleitet.«

«Ich auch nicht«, erwiderte Reuben.»Aber der Häuptling besteht darauf.«

«Warum?«

«Woher, zum Teufel, soll ich das wissen?«antwortete Reuben gereizt.»Fragen Sie ihn doch.«

Er beruhigte sich so schnell wieder, wie er in Zorn geraten war, und zwang sich ein verunglücktes Lächeln ab.»Entschuldigung«, sagte er.»Warten Sie einen Moment hier. Ich muß Henley noch ein paar Anweisungen geben.«

Marian trat angstvoll näher an Indiana heran, als Reuben wieder zum Ufer zurückging und sich die Reihen der Krieger enger um sie schlossen. Indiana versuchte, so gelassen und sicher wie möglich auszusehen, aber er spürte selbst, wie kläglich dieser Versuch ausfiel. Er war nervös, und er hatte allen Grund dazu. Keiner der Aymará-Krieger reichte ihm weiter als bis zur Schulter, und die meisten Gestalten waren schon nicht mehr schlank zu nennen, sondern ausgemergelt. Aber es waren mehr als hundert, und was Indiana in ihren Gesichtern erblickte, das war nur zu oft blanke Mordlust. Aber auch eine fast kindliche Neugier, als sie zuerst zögernd, dann immer mutiger immer dichter an Marian und ihn herantraten. Schließlich streckte einer der Indios die Hand aus und tastete mit spitzen Fingern nach Marians Haar. Sie zuckte unter der Berührung zurück, war aber geistesgegenwärtig genug, nichts zu sagen und die Hand des Kriegers auch nicht beiseite zu schlagen.

Den ersten neugierigen Fingern folgten andere, und in das drohende Murren der Menge mischte sich aufgeregtes Schnattern, während die Indios Marians Haar, ihre Kleider und schließlich ihr Gesicht betasteten.

«Rühr dich nicht«, wisperte Indiana.»Sie werden dir nichts tun.«

Es war nicht zu erkennen, ob Marian seine Worte überhaupt verstanden hatte oder ob sie einfach starr vor Schrecken war; jedenfalls blieb sie reglos stehen und ließ es zu, von den Indios ausführlich betastet zu werden. Und Indiana spürte auch, daß an den Gesten der Männer nichts Feindseliges mehr war. Sie waren einfach neugierig, wie Kinder, die etwas sahen, was sie nie zuvor oder nur selten zu Gesicht bekommen hatten.

Trotzdem atmete auch er erleichtert auf, als nach einer Weile Reuben und der Häuptling zurückkamen und die Krieger wieder von ihnen zurückwichen. Der FBI-Mann war nicht mehr allein. In seiner Begleitung befand sich einer der Söldner, jetzt ohne Waffen wie Reuben selbst und auch Indiana, und sichtlich nervös.

«Okay«, sagte Reuben.»Gehen wir.«

Was Reuben als zehn Minuten bezeichnet hatte, erwies sich als ein gut halbstündiger Fußmarsch durch dichten Dschungel, und obwohl Indiana auf das vorbereitet zu sein geglaubt hatte, was sie erwartete, traf ihn der Anblick des Indio-Dorfes wie ein Schlag.

Die Siedlung lag auf einer weiten Lichtung mitten im Busch und bestand aus einem guten Dutzend großer, strohgedeckter Hütten, die sich um einen gewaltigen Rundbau in der Mitte des Dorfes erhoben.

Oder genauer: Es hatte daraus bestanden. Von den ehemals zwölf oder vierzehn Hütten standen noch drei. Der Rest war zu verkohlten Gerippen verbrannt, die von den Indios zum Teil schon wieder notdürftig mit Blättern gedeckt worden waren. Auch das große Gebäude in der Mitte des Dorfes hatte gebrannt; sein Dach war verschwunden und ein Drittel des Kreises aus aneinandergebundenen Baumpfählen schwarz verkohlt. Obwohl der Überfall einen guten Tag her sein mußte, lag noch immer durchdringender Brandgeruch über dem Ort; und noch ein anderer, schlimmerer Geruch, den Indiana im ersten Moment einfach wegzuleugnen versuchte. Aber er wußte sehr gut, was das war: der Gestank von verbranntem Fleisch.

Und dann sahen sie es: Am Waldrand, dicht neben der Stelle, an der sie aus dem Busch getreten waren, lagen die Leichen von zehn oder fünfzehn Indios, einige wenige scheinbar unverletzt, manche mit Schußwunden, die allermeisten aber auf furchtbare Weise verbrannt. Und auch viele von denen, die ihnen aus dem Dorf entgegenkamen — es waren ausnahmslos Frauen, Kinder und Alte, augenscheinlich waren sämtliche Männer mit dem Häuptling zum Ufer geeilt —, wiesen mehr oder minder schwere Brandwunden auf. Indiana tauschte einen gleichermaßen fragenden wie entsetzten Blick mit Reuben, aber der FBI-Mann zuckte nur mit den Achseln.

«Oh, mein Gott«, flüsterte Marian, als sie zwischen den Ay-mará auf die Lichtung hinaustraten und durch das niedergebrannte Dorf gingen.»Was ist hier passiert?«

Indiana sagte nichts darauf, schon deshalb nicht, weil ihm das Entsetzen über diesen Anblick die Kehle zuschnürte — aber er glaubte die Antwort auf ihre Frage zu wissen. Ramos war hierfür verantwortlich. Warum seine Männer das Dorf auch immer angegriffen hatten, sie mußten mit unvorstellbarer Brutalität vorgegangen sein. Und sie hatten ganz offensichtlich mehr mitgebracht als einige Pistolen und Gewehre.

«Das war ein Flammenwerfer«, sagte Reuben plötzlich.

Indiana sah ihn zweifelnd an, und der FBI-Mann zog die Augenbrauen zusammen und fuhr leiser und mit düsterem Gesichtsausdruck fort:»Ich kenne die Spuren, die diese Waffe hinterläßt. Aber warum hat er das getan?«

«Vielleicht brauchte er keinen Grund«, murmelte Indiana. Reuben blickte zweifelnd, aber Indiana dachte an den Haß und den Wahnsinn, den er in Ramos’ blinden Augen gesehen hatte.

Wenn er aber geglaubt hatte, die Grenzen des vorstellbaren Schreckens zu kennen, so täuschte er sich. Die Indios führten sie zu dem großen Rundbau in der Mitte des Dorfes, und als sie durch die verkohlte Tür traten, schlug Marian mit einem erschrockenen Schrei die Hand vor den Mund, und selbst Reuben und sein hartgesottener Begleiter erbleichten sichtlich.

Die Aymará hatten ihre Schwerverletzten hierhergebracht. In dem ausgebrannten Gebäude befanden sich sicherlich zwanzig oder fünfundzwanzig Personen — Männer, Frauen und auch Kinder — mit zum Teil so schrecklichen Brandwunden, daß sich Indiana fragte, wieso sie überhaupt noch lebten. Ein furchtbarer Geruch hing in der Luft, und dann und wann war ein leises Stöhnen zu hören.

Der alte Indio wandte sich mit einer Frage an Reuben, und der FBI-Mann riß sich mit sichtlicher Mühe von dem furchtbaren Anblick los und drehte sich zu Marian um.

«Können Sie ihnen helfen?«

Marian schüttelte fast erschrocken den Kopf.»Ich bin keine Ärztin«, sagte sie.»Ich verstehe überhaupt nichts von solchen Dingen.«

«Versuchen Sie es wenigstens«, sagte Reuben beinahe beschwörend.»Ich weiß nicht, warum — aber er scheint zu glauben, daß alle weißen Frauen so etwas können. «Er brach ab, überlegte eine Sekunde und wandte sich dann mit einer Frage an den alten Indianer, die dieser nach spürbarem Zögern und auch mit sichtbarem Widerwillen, aber doch mit einem Nicken beantwortete. Reuben drehte sich zu dem Söldner um.»Gehen Sie zurück zum Schiff«, befahl er.»Sagen Sie Henley, er soll mit zwei Männern hierherkommen. Und sie sollen den Erste-Hilfe-Kasten und jedes bißchen Verbandszeug mitbringen, das wir an Bord haben.«

Der Söldner ging, sichtlich froh, entlassen zu sein, und auch Marian überwand sich nach einem weiteren, bittenden Blick Reubens und trat zu einem der verletzten Kinder hinüber. Indiana sah, daß ihre Hände zu zittern begannen, als sie sich neben ihm auf die Knie niederließ.

«Was ist passiert?«flüsterte Indiana.»Fragen Sie ihn, was passiert ist.«

Reuben tat es, und nach und nach schien es ihm zu gelingen, das Vertrauen des alten Aymará-Häuptlings zu erringen. Trotzdem gestaltete sich die Unterhaltung schwierig, und es dauerte lange, bis sich aus den zum Teil zusammenhanglosen, zum Teil scheinbar völlig sinnlosen Informationen, die Indiana nach und nach von Reuben bekam, ein Bild zusammensetzen ließ.