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Die Verlockung ja zu sagen war für einen Moment fast übergroß. Trotzdem schüttelte Indiana den Kopf.»Ich bin nicht mit Ihnen gekommen, um tatenlos zuzusehen. Ich will Marcus.«

Reuben machte eine ärgerliche Geste.»Sehen Sie ihn irgendwo? Wahrscheinlich sind das nicht einmal alle Männer, die dieser Verrückte hat. Aber der Rest kann nicht sehr weit sein, sonst wären sie nicht so schnell hiergewesen. Sie tun, was ich Ihnen sage. Meinetwegen gehen Sie zurück ins Dorf und passen auf, daß Miss Corda nichts geschieht. Aber Sie mischen sich nicht ein.«

Indiana wollte widersprechen, aber im selben Moment gewahrte er eine Bewegung am Waldrand, nur wenige Schritte von Ramos’ Truppe entfernt, und plötzlich trat eine Gestalt aus dem Unterholz und nicht nur er, sondern auch Reuben und sein Kollege sogen erschrocken die Luft ein.

Marian Corda trat mit ruhigen Schritten aus dem Busch heraus, sah sich nach beiden Seiten um und steuerte dann, ohne auch nur im Schritt innezuhalten, auf Ramos’ Söldnertruppe zu. Sie war in der Dunkelheit wohl der Meinung, es mit Reuben und seinen Begleitern zu tun zu haben, dachte Indiana entsetzt. Und noch bevor Reuben oder einer der anderen ihn daran hindern konnten, war er mit einem Satz auf den Füßen, brach durch das Gebüsch und schrie Marians Namen, so laut er konnte. »Marian! Nicht! Das ist Ramos!«

Ramos’ Männer fuhren beim Klang seiner Stimme herum, und auch Marian prallte mitten im Schritt zurück, und Indiana konnte trotz der großen Entfernung erkennen, daß sie entsetzt zusammenfuhr, als sie ihren Irrtum begriff. Aber es war zu spät. Sie machte eine fast zaghafte Bewegung rückwärts, doch zwei der Banditen waren blitzschnell bei ihr und packten sie; drei, vier andere richteten ihre Waffen auf Indiana.

Auch Indiana erstarrte mitten in der Bewegung, als sich immer mehr Waffen auf ihn richteten und zwei oder drei der schattenhaften Gestalten in seine Richtung zu laufen begannen; allerdings in einem weiten Bogen, um nicht ins Schußfeld ihrer Kameraden zu gelangen. Er gestand sich ein, daß er möglicherweise ein wenig übereilt gehandelt hatte — aber es konnte gut sein, daß diese Einsicht ein bißchen zu spät kam …

«Halt! Erschießt ihn nicht!«

Noch vor zehn Sekunden hätte Indiana jeden ausgelacht, der behauptet hätte, er würde einmal froh sein, Ramos’ Stimme zu hören; aber jetzt atmete er erleichtert auf. Trotzdem erstarrte er zur Reglosigkeit und wagte es nicht einmal, die Hände zu heben, bis die drei Männer ihn erreicht und gepackt hatten und ihn grob zum Ufer hinüberzerrten. Als er an Marian vorüberkam, fing er einen Blick ihrer großen, schreckgeweiteten Augen auf. Sie wirkte verstört und bis ins Innerste verwirrt, als begreife sie einfach nicht, was geschah. Und wahrscheinlich war es auch so — Ramos und seine Killertruppe hier anzutreffen, war wahrscheinlich das allerletzte, womit sie gerechnet hatte.

Indiana wurde grob auf den Blinden zu gestoßen. Jemand packte seinen Arm und verdrehte ihn so heftig, daß er vor Schmerz aufstöhnte, dann traf ein derber Fußtritt seine Kniekehle und ließ ihn hilflos zu Boden sinken.

«Nicht doch«, sagte Ramos.»Bitte behandeln Sie unseren Gast mit etwas mehr Respekt, meine Herren. Wir wollen doch, daß er sich bei uns wohl fühlt.«

Ein rauhes Gelächter antwortete auf seine Worte, und auch über Ramos’ entstelltes Gesicht huschte ein dünnes, durch und durch böses Lächeln. Er kam näher, streckte die Hand aus und tastete mit den Fingerspitzen über Indianas Gesicht.»Tatsächlich«, sagte er.»Dr. Indiana Jones. Was für eine Überraschung, Sie hier wiederzusehen. Die Welt ist doch klein.«

Er trat zurück und machte eine knappe, befehlende Geste.»Laßt ihn los!«

Der Mann, der Indianas Arm gepackt hatte, zögerte. Dann traf ihn ein Blick aus Ramos’ unheimlichen, blinden Augen, und er ließ Indianas Arm beinahe hastig los und trat einen halben Schritt zurück. Aber Indiana spürte, daß er sich nicht sehr weit entfernte. Und er spürte auch, daß sich die Läufe von mindestens drei oder vier Waffen gleichzeitig auf seinen Rük-ken richteten. Unendlich behutsam und mit nach beiden Seiten ausgestreckten Armen erhob er sich und wagte es erst nach einigen Sekunden, die Hände ganz langsam zu senken. Jemand trat von hinten an ihn heran, riß die Peitsche von seinem Gürtel und warf sie zu Boden.

Ramos legte den Kopf schräg.»Ihre berühmte Peitsche, nehme ich an«, sagte er. Offenbar hatte er die Geräusche gehört und mit dem unheimlichen Gespür des geborenen Blinden richtig gedeutet. Er lächelte humorlos.»Bitte sehen Sie meinen Leuten ihr grobes Benehmen nach, Dr. Jones. Aber man hat mir erzählt, wie gut Sie mit dieser exotischen Waffe umzugehen verstehen. Und wir möchten doch nicht, daß jemand verletzt wird, nicht wahr?«

«Was wollen Sie?«fragte Indiana grob.

«Ich?«Ramos verzog in gespielter Verwunderung das Gesicht.»Oh, ich muß da wohl etwas verwechseln. Ich dachte, Sie wären es, der zu mir gekommen ist, nicht umgekehrt.«

«Das sehe ich zwar anders«, maulte Indiana,»aber im Grunde haben Sie recht. Ich wäre zu Ihnen gekommen, wenn Sie mir den Weg nicht abgenommen hätten.«

«Darf ich fragen, warum?«fragte Ramos beinahe freundlich.

«Sie haben bei unserem letzten Treffen etwas vergessen, Ramos«, antwortete Indiana.»Wir hatten eine Abmachung, wenn ich mich richtig erinnere. Ich habe Ihnen gewisse Informationen verschafft, aber ich warte immer noch auf Ihre Gegenleistung.«

«Ja, ich erinnere mich«, antwortete Ramos.»Ich glaube, es gab eine solche Abmachung. Aber daß Sie mir mit einer ganzen Armee folgen, gehörte nicht dazu, wenn ich mich richtig erinnere.«

«Wo ist Marcus?«fragte Indiana.»Wenn Sie ihm etwas getan haben, Ramos, dann schwöre ich, daß ich Sie persönlich mit Vergnügen umbringen werde.«

«Getan?«Ramos lachte ganz leise.»Ich bitte Sie, Dr. Jones. Wofür halten Sie mich? Ich werde doch nicht dem einzigen Menschen etwas zuleide tun, mit dem man in dieser Wildnis ein halbwegs gebildetes Gespräch führen kann. Keine Sorge — Mr. Brody ist wohlauf und unversehrt.«

«Wo ist er?«schnappte Indiana. Seine Gedanken rasten. Er mußte Ramos und seine Bande irgendwie ablenken, damit Reubens Männer eine günstige Gelegenheit zum Zuschlagen fanden.

«Ich sagte bereits — er ist wohlauf«, wiederholte Ramos.»Sie werden bald Gelegenheit haben, mit ihm zu reden. Aber vorher eine Frage: Sie sind wohl nicht bereit, mir zu verraten, wo sich Ihre Freunde vom FBI und die Männer, die sie mitgebracht haben, in diesem Moment befinden?«

«Sie sind gut informiert«, sagte Indiana.

«Informiert zu sein ist mein Beruf«, erwiderte Ramos.»Aber das ist keine Antwort auf meine Frage, Dr. Jones. Ich hoffe um Ihret- und Mrs. Cordas willen, daß diese Narren nicht versuchen, uns mit Waffengewalt aufzuhalten. Wie Sie sehen, sind wir ihnen durchaus gewachsen.«

«Da wäre ich nicht so sicher«, sagte Indiana, ließ sich nach vorn fallen und trat noch im Sturz mit beiden Beinen nach hinten aus. Er traf irgend etwas. Ein schmerzerfüllter Schrei erscholl, und eine kurze, abgehackte MP-Salve riß den Boden unmittelbar neben seinem Gesicht auf. Indiana rollte herum, stieß sich mit aller Kraft ab, die er aufbringen konnte, und bekam Ramos’ Fußgelenke zu fassen. Ramos keuchte überrascht und begann mit den Armen zu rudern, um sein Gleichgewicht zu halten, aber Indiana zerrte noch einmal an seinen Beinen, und dieser zweite Ruck war zuviel. Noch während sich zwei, drei seiner Männer gleichzeitig auf Indiana stürzten und ihn mit Fußtritten und Faustschlägen zu traktieren begannen, kippte Ramos rücklings und mit hilflos rudernden Armen zu Boden und riß in der gleichen Bewegung auch noch Marian mit sich.

Und darauf hatten Reuben und seine Begleiter offensichtlich nur gewartet. Aus dem nahen Waldrand stach ein halbes Dutzend orangeroter Mündungsflammen. Ramos’ zorniger Schrei ging im Peitschen der Schüsse unter, und plötzlich spritzten überall zwischen den Banditen kleine Erd- und Schlammfontänen auf.