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«Keine Bewegung!«erscholl eine befehlende Stimme.»Wer sich auch nur rührt, wird erschossen!«

Die Überraschung war total. Reuben hatte die Zeit, in der Ramos und seine Killer mit Indiana beschäftigt waren, offensichtlich genutzt, um seine kleine Truppe im Halbkreis im Gebüsch am Ufer zu verteilen, und Ramos’ Männer schienen nicht nur Profis im Morden, sondern auch im Überleben zu sein, denn bis auf einen einzigen sahen sie offensichtlich ein, wie sinnlos ein Widerstand gegen einen Gegner war, den sie nicht einmal sehen konnten. Nur einer von ihnen war dumm genug, seine MP zu heben und eine ungezielte Salve in den Busch abzugeben. Er überlebte diesen Fehler nicht einmal um eine Sekunde.

Indiana stemmte sich mit zusammengebissenen Zähnen auf Hände und Knie hoch. Sein ganzer Körper schmerzte von den Schlägen und Tritten, die er hatte einstecken müssen. Trotzdem kroch er hastig auf Ramos zu, packte ihn bei den Schultern und riß ihn grob in die Höhe. Ramos keuchte und begann blind um sich zu schlagen, bis Indiana ihm eine schallende Ohrfeige versetzte. Dann riß er ihn herum, schlang von hinten den Arm um seinen Hals und drückte so heftig zu, daß Ramos kaum noch Luft bekam.

«Befehlen Sie ihnen, sich zu ergeben«, sagte er.

Ramos rang mühsam nach Luft und begann sich so heftig zu wehren, daß Indiana ihn kaum noch halten konnte.»Sie sind verrückt!«keuchte er.»Wenn Sie mich umbringen, sterben Sie auch!«

«Das kann sein«, antwortete Indiana gelassen.»Aber Sie mit mir — das schwöre ich Ihnen.«

«Legt die Waffen nieder!«drang Reubens Stimme aus der Dunkelheit.»Ihr habt fünf Sekunden, dann eröffnen wir das Feuer!«

Indiana stemmte sich umständlich in die Höhe und verstärkte den Druck auf Ramos’ Kehle noch ein wenig. Der Blinde zappelte in seinem Griff und stellte seinen Widerstand erst ein, als er nun wirklich keine Luft mehr bekam.

«Noch drei Sekunden!«rief Reuben vom Wald her.»Ich meine es ernst!«

Eine weitere Sekunde verging, dann noch eine — und dann ließ sich der erste von Ramos’ Männern vorsichtig in die Hok-ke sinken, legte seine Maschinenpistole auf den Boden und stand mit erhobenen Händen wieder auf. Einer nach dem anderen folgten die übrigen seinem Beispiel. Und auch Ramos versuchte nicht mehr, sich loszureißen, als Indiana seinen Griff wieder ein wenig lockerte und zuließ, daß er atmen konnte.»Das werden Sie bereuen«, keuchte er atemlos.»Ich wollte fair zu Ihnen sein, Dr. Jones, aber Sie haben mich hereingelegt. Niemand betrügt mich zweimal hintereinander. Niemand!«

Die Dunkelheit am Waldrand erwachte rasch zum Leben, als Reubens Männer aus dem Schutz des Gebüsches heraustraten. Die beiden FBI-Beamten selbst folgten ihnen in einigen Schritten Abstand; Henley mit angeschlagener Pistole, während sich Reuben nicht einmal die Mühe gemacht hatte, seine Waffe zu ziehen.

Indiana sah sich nach Marian um. Auch sie hatte sich wieder erhoben und stand einige Schritte abseits, und der Ausdruck auf ihrem Gesicht war noch immer voller Verwirrung und Schrecken wie vorhin. Aber sie war offensichtlich unverletzt, und als sie Indianas Blick begegnete, zwang sie sich zu einem mühsamen Lächeln. Dann sah sie in Ramos’ Gesicht, und ein Schatten huschte über ihre Züge.

Indiana überzeugte sich mit einem raschen Blick davon, daß Marian weder ein Messer noch eine andere sichtbare Waffe bei sich trug, machte vorsichtshalber zwei Schritte zurück und wandte sich dann den beiden FBI-Beamten zu. Reuben kam ohne Hast näher. Er betrachtete Ramos mit einer fast wissenschaftlich anmutenden Neugier, ohne eine Spur von Zorn oder Triumph.»Lassen Sie ihn los, Dr. Jones«, sagte er.

Indiana gehorchte, blieb aber dicht hinter Ramos stehen, bereit, jederzeit wieder zuzugreifen. Daß Ramos blind war, bedeutete ganz und gar nicht, daß er sich nicht wehren konnte, wie er bereits am eigenen Leib gespürt hatte.

«Auf dem Schiff sind noch zwei«, sagte er.

«Ich weiß. «Reuben drehte sich zu Henley um und machte eine Kopfbewegung in Richtung auf das kleine Dampfschiff.»Kümmere dich darum.«

Während Henley und zwei seiner Männer zur Anlegestelle des Bootes hinübergingen, blickte Reuben noch eine Sekunde lang ausdruckslos in Ramos’ Gesicht, ehe er sich mit einem Seufzer an Marian wandte.»Das war nicht besonders klug von Ihnen, Mrs. Corda«, sagte er.»Ich hatte Sie doch gebeten, im Dorf zu bleiben.«

«Ich … hatte Lärm gehört«, verteidigte sich Marian unsicher.»Und Schüsse. Ich wollte nachsehen, was passiert ist.«

«Um ein Haar hätten Sie alles verdorben«, sagte Reuben.»Das war jetzt das zweite Mal, daß Sie sich in Gefahr gebracht haben, Mrs. Corda. Ich kann nicht ständig auf Sie aufpassen wie auf ein Kind.«

«Ich weiß«, sagte Marian kleinlaut.»Es tut mir leid.«

«Das glaube ich Ihnen. Aber es wird Ihnen nichts nützen, wenn das nächste Mal vielleicht niemand da ist, um Sie zu retten. Es war wirklich nicht besonders klug — und von Ihnen auch nicht, Dr. Jones«, fügte er an Indiana gewandt hinzu.

«Wieso?«fragte Indiana trotzig.»Irgend jemand mußte Ra-mos und seine Bande schließlich ablenken, oder?«

Ein spöttisches Lächeln verzog Reubens Lippen.»Sicher. Und deshalb sind Sie blindlings losgestürmt und hätten sich um ein Haar erschießen lassen, nicht wahr?«

«Das war ein kalkuliertes Risiko«, log Indiana.»Ich war sicher, daß sie mich nicht umbringen würden.«

Reuben schien widersprechen zu wollen, sah aber dann wohl ein, wie sinnlos jedes weitere Wort war, und wandte sich wieder dem Blinden zu.»Sie sind also Mr. Ramos«, sagte er.»Ich muß gestehen, ich hatte Sie mir … etwas anders vorgestellt.«

Ramos schürzte trotzig die Lippen.»Wer sind Sie?«

«Mein Name ist Reuben«, antwortete Reuben.»FBI. Ich könnte Ihnen meinen Dienstausweis zeigen, aber ich fürchte, Sie könnten ihn sowieso nicht lesen. Sie müssen sich also auf mein Wort verlassen.«

«FBI? Sie haben hier überhaupt nichts zu sagen. Wir sind hier in Bolivien, nicht in Amerika. Sie haben gar kein Recht, mich zu verhaften.«

«Das stimmt«, gestand Reuben ruhig.»Aber wir haben es nun einmal getan — und ganz davon abgesehen: Wäre es Ihnen lieber, wir würden Sie den Aymará überlassen?«

Ramos antwortete nicht.»Obwohl«, fuhr Reuben nach einer Sekunde fort,»ich nicht sicher bin, ob ich es nicht einfach tun sollte. Was halten Sie von dieser Vorstellung?«

Ramos schwieg noch immer, und Reuben starrte ihn einige Sekunden lang zornig an, bis ihm klarwurde, daß Ramos den drohenden Ausdruck auf seinem Gesicht gar nicht sehen konnte.»Aber das, was die bolivianischen Behörden mit Ihnen tun werden, ist auch nicht viel angenehmer«, fuhr er fort.»Wie Sie gerade so richtig bemerkten, Mr. Ramos — wir sind hier nicht in Amerika. Die Polizei in manchen dieser südamerikanischen Staaten arbeitet manchmal mit erschreckend primitiven Methoden — wenn Sie verstehen, was ich meine. Und ich fürchte, ich werde Sie ausliefern müssen, Mr. Ramos.«

Indiana sah Reuben fragend an. Der FBI-Beamte macht eine rasche Handbewegung, er solle schweigen, und fuhr nach einer neuerlichen Pause und in leicht verändertem Tonfall fort.»Warum sind Sie zurückgekommen, Ramos? Warum dieser zweite Überfall?«

«Warum sollte ich Ihnen auch nur eine einzige Frage beantworten?«gab Ramos trotzig zurück.

«Nun, dafür gibt es mehrere Gründe«, erwiderte Reuben.»Einer wäre zum Beispiel, daß ich eine Waffe in der Hand halte und damit auf Sie ziele.«

Ramos lachte humorlos.»Dann erschießen Sie mich doch einfach«, sagte er,»wenn Sie den Mut dazu haben.«

«Nein«, erwiderte Reuben.»Das wäre zu einfach. Ich fürchte, ich muß Sie ausliefern, Ramos. Entweder an die Aymará oder an die bolivianischen Behörden. Es sei denn …«