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«Es sei denn — was?«fragte Ramos, als Reuben nicht weiter sprach, sondern den Satz absichtlich in der Luft hängen ließ.

«Es sei denn, Sie beantworten mir einige Fragen«, sagte Reuben.»Und es wäre besser, Sie versuchten nicht erst, mich zu belügen. Wo ist Professor Corda? Wohin wollte er, und was sucht er hier?«

Ramos schwieg beharrlich.

«Überlegen Sie es sich gut, Ramos«, sagte Reuben eindringlich.»Und tun Sie es schnell. Die Männer aus dem Dorf, das Sie überfallen haben, werden gleich hier sein. Und ich fürchte, ich kann Sie dann nicht mehr beschützen.«

«Das tun Sie doch sowieso nicht«, sagte Ramos.»Wollen Sie mir erzählen, daß Sie mich danach laufen lassen?«

«Nein«, erwiderte Reuben ernst.»Ganz bestimmt nicht. Aber Sie sollten vielleicht einmal über den Unterschied zwischen amerikanischen und bolivianischen Gefängnissen nachdenken, Mr. Ramos. Der dürfte gewaltig sein — selbst für einen Blinden.«

«Niemand bringt mich ins Gefängnis«, sagte Ramos überzeugt.

Reuben ignorierte seine Antwort.»Also?«

«Überlassen Sie ihn mir«, verlangte Marian. Ihre Stimme zitterte.»Ich bringe ihn schon zum Reden.«

«Vielleicht ist das gar keine so schlechte Idee«, sinnierte Reuben.

Ramos wandte das Gesicht in die Richtung, aus der Marians Stimme kam.»Ich habe Ihrem Mann nichts getan, meine Liebe«, sagte er.»Und Ihnen auch nicht. Ich habe mein Wort gehalten, oder? Sie sind frei. Und Sie, Dr. Jones — «Er wandte sich zu Indiana um.»— sollten besser darüber nachdenken, ob Sie mich wirklich diesen FBI-Beamten überlassen. Ich gebe Ihnen mein Wort, daß Marcus Brody stirbt, wenn ich nicht bis Sonnenaufgang zurück in unserem Lager bin.«

Indiana wollte antworten, aber Reuben fiel ihm ins Wort.»Sie verschlimmern Ihre Lage nur, Ramos«, sagte er zornig.

«Dr. Jones weiß, daß ich auf Mr. Brodys Leben keine Rücksicht mehr nehmen kann. Ich fürchte, Sie haben nicht begriffen, worum es hier wirklich geht. Die Sache ist um ein paar Nummern zu groß für Sie, Ramos.«

Auf dem Schiff hinter ihnen wurde eine Tür geöffnet, und Henley trat ins Freie.»Hier ist niemand mehr«, rief er.»Die beiden müssen sich aus dem Staub gemacht haben.«

Reuben runzelte die Stirn, sagte aber nichts dazu, sondern warf einen nervösen Blick in den Dschungel zurück. Indiana war nicht sicher, aber er glaubte, Stimmen zu hören und die Geräusche von Menschen, die näher kamen.

«Entscheiden Sie sich, Ramos«, sagte Reuben.»Ich verspreche Ihnen allerdings nicht die Freiheit. Sie werden den Rest Ihres Lebens im Gefängnis verbringen — aber es ist Ihre Entscheidung, ob es ein amerikanisches oder ein bolivianisches Gefängnis sein wird. Und überlegen Sie sich Ihre Antwort gut. Die Menschen hier mögen Amerikaner nicht besonders. Und was sie mit Ihnen nach allem, was Sie hier getan haben, machen werden, brauche ich Ihnen wahrscheinlich nicht zu erzählen.«

«Sie … Sie wollen doch nicht wirklich ein Geschäft mit diesem … diesem Ungeheuer machen?«fragte Marian fassungslos.

«Sie hören nicht zu, Mrs. Corda«, erwiderte Reuben.»Ich habe ihm nur zugesagt, ihn am Leben zu lassen, mehr nicht. Wenn wir ihn den Indios überlassen, dann bringen sie ihn um. Und dann finden wir Ihren Mann vielleicht gar nicht mehr.«

Die Stimmen und Geräusche waren mittlerweile lauter geworden. Und sehr viel zahlreicher. Indiana erinnerte sich, daß es vielleicht acht oder zehn Männer gewesen waren, die vor Ramos’ Banditen geflüchtet waren — aber was sich da durch das Unterholz auf sie zubewegte, das klang wie eine ganze Armee. Und wahrscheinlich war es das auch.

«Gut, daß Sie vernünftig werden«, sagte Reuben.»Also los jetzt — schnell. Aufs Schiff.«

«Was haben Sie vor?«fragte Indiana mißtrauisch.

«Von hier zu verschwinden«, erwiderte Reuben.»Ehe es hier von rachelustigen Indianern wimmelt. «Er deutete mit einer Kopfbewegung auf das Boot.»Beeilen Sie sich. Ich werde irgendwie versuchen, sie aufzuhalten. Und passen Sie auf Mrs. Corda auf — ich brauche Ramos lebend.«

Sie beeilten sich, an Bord des Schiffes zu gehen, aber am Schluß wurde es doch zu einem Wettlauf um Sekunden. Indiana hatte es selbst übernommen, auf Ramos achtzugeben, obwohl ihm die Logik sagte, daß ein blinder Mann kaum einen Fluchtversuch hier im Wald unternehmen würde. Trotzdem ließ er ihn keine Sekunde aus den Augen, während sie über die schwankende Laufplanke an Bord des Schiffes und ins Ruderhaus hasteten, und er postierte sich wie durch Zufall so, daß er stets zwischen dem Blinden und Marian blieb. Auch Ramos’ Männer, die von Reubens Begleitern mittlerweile entwaffnet und gefesselt worden waren, wurden an Bord und in einen sicheren Raum unter Deck gebracht. Der kleine Hilfsdiesel im Rumpf des Schiffes war kaum angesprungen, als auch schon die ersten Aymará aus dem Dschungel gestürmt kamen. Reubens Versuch, die Indios irgendwie aufzuhalten, schien kläglich gescheitert zu sein, denn er rannte in Riesensätzen vor den Aymará her, und es war deutlich zu erkennen, daß er vor ihnen floh. Während das kleine Schiff zu zittern und sich schwerfällig rückwärts zu bewegen begann, erreichte er im letzten Moment die Reling, zog sich mit einer hastigen Bewegung hinüber und kappte die Laufplanke mit einem Tritt. Ein Aymará, der ihm dicht auf den Fersen gewesen war, fiel mit wildrudernden Armen ins Wasser; zwei, drei andere versuchten, das Schiff mit einem Sprung zu erreichen. Die meisten verfehlten es, und nur einer klammerte sich an die Reling und versuchte, sich in die Höhe zu ziehen. Reuben versetzte ihm einen Faustschlag auf die Finger, und auch dieser Indio schrie auf und kippte rücklings ins Wasser. Dann waren sie weit genug vom Ufer entfernt, um in den Sog der Strömung zu geraten und schneller zur Flußmitte hinauszutreiben.

Eine Stunde später Nördlich den Fluß hinauf

Es hatte eine gute halbe Stunde gedauert, den Dampfkessel so weit aufzuheizen, daß das Schiff sich gegen die Strömung stemmen und nennenswerte Fahrt aufnehmen konnte. Der kleine Hilfsdiesel war längst nicht stark genug, das eiserne Boot effektiv anzutreiben, so daß sie für eine geraume Weile kaum von der Stelle gekommen waren, sondern eigentlich nur ihre Position in der Flußmitte hatten halten können. Reuben hatte in dieser Zeit zwei starke Scheinwerfer am Heck und Bug des Schiffes aufstellen lassen, deren Lichtkegel beständig über das Wasser tasteten, und tatsächlich waren zwei- oder dreimal die Gestalten schwimmender Aymará sichtbar geworden, die versuchten, trotz der Strömung das Schiff zu erreichen. Reuben hatte ein paar Warnschüsse auf sie abgegeben, und sie hatten tatsächlich kehrtgemacht. Aber Indiana atmete erst erleichtert auf, als das Schiff nach einer Weile wirklich Fahrt aufnahm und das Aymará-Gebiet langsam hinter ihnen zurückblieb. Er gab sich nicht der Illusion hin, daß sie damit wirklich in Sicherheit waren — wenn schon nicht die Indios, so würde spätestens die bolivianische Polizei ihre Verfolgung aufnehmen. Daß Ramos’ Männer die beiden Flugzeuge verbrannt hatten, verschaffte ihnen möglicherweise einen Vorsprung, aber nicht sehr viel. Reuben hatte ja selbst gesagt, daß eine dritte Maschine zu ihnen unterwegs war, und es gab noch immer das Funkgerät, über das die beiden im Dorf zurückgebliebenen Polizisten verfügten. Ihr einziger Schutz war die Dunkelheit.

Auf Reubens Gesicht lag ein sehr besorgter Ausdruck, als er die Tür des Ruderhauses hinter sich zuzog und fröstelnd die Hände aneinanderrieb. Die Nacht hier draußen auf dem Fluß war sehr kalt.»Das war knapp«, sagte er.

«Und ich fürchte, das bleibt es auch«, fügte Henley hinzu, der das Ruder übernommen hatte und versuchte, das Schiff in der fast vollkommenen Dunkelheit in der Flußmitte zu halten. Dann und wann ließ er den Scheinwerfer im Bug aufflammen.»Ihr glaubt doch nicht wirklich, daß sie uns so einfach davonkommen lassen? Nicht nach dem, was diese Verbrecher den Indios angetan haben.«