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In Grisswalds Augen blitzte es auf, aber er beherrschte sich.»Es geht nicht gegen Sie persönlich, Dr. Jones«, sagte er.»Aber Sie stören einfach den Ablauf. Was soll ich denn den Studenten sagen, die sich bei mir beschweren, weil Ihre Vorlesungen ausfallen?«

«Tun sie das denn?«fragte Indiana.

«Bisher nicht«, erwiderte Grisswald.»Gottlob, möchte ich sagen. Denn ich wäre um eine Antwort sehr verlegen. Soll ich ihnen etwa erzählen, ihr Lehrer gräbt gerade unter den Fundamenten der Cheopspyramide? Wie gesagt — es geht nicht gegen Sie persönlich. Ich weiß, es gab Mißverständnisse zwischen uns, aber das eine hat mit dem anderen nichts zu tun. Ich würde hier sitzen und dasselbe zu Ihnen sagen, wenn wir alte Freunde wären.«

Indiana bezweifelte, daß Grisswald Freunde hatte, und schon gar alte Freunde, aber er zog es vor, diesen Einwand für sich zu behalten.»Worauf wollen Sie hinaus?«fragte er.

Diesmal zögerte Grisswald einen Moment.»Wir müssen eine Lösung finden, Dr. Jones«, sagte er schließlich. Es fiel ihm sichtlich schwer. Er wich Indianas Blick aus.

«Wenn Sie mich feuern wollen, dann sagen Sie es ruhig«, sagte Indiana.

«Gottbewahre — nein«, antwortete Grisswald fast erschrocken.»Ihre fachlichen Kompetenzen sind unbestritten. Ich kann es mir gar nicht leisten, einen Mann von Ihrer Qualifikation völlig grundlos zu entlassen. Aber wir sollten versuchen, uns wie vernünftige Männer zu benehmen und eine Lösung zu finden. Es ist nicht nur Ihre Neigung zu Abenteuern.«

«Was denn noch?«fragte Indiana.

«Auch in unserem Verhältnis stimmt so einiges nicht«, sagte Grisswald.»Die Spannungen zwischen uns sind bekannt. Und nicht nur Ihnen und mir, sondern allen an dieser Universität. So etwas vergiftet die Atmosphäre, und das — «

«— können Sie sich nicht leisten«, unterbrach ihn Indiana, nur noch mühsam beherrscht.»Ich weiß.«

Grisswald musterte ihn vorwurfsvoll.»Ganz genau«, sagte er schließlich.»Ich mache Ihnen folgenden Vorschlag, Dr. Jones: Die Semesterferien beginnen in einer Woche. Sie nutzen die Ferien dazu, sich in aller Ruhe über Ihre Rolle an dieser Universität und vor allem die Gestaltung Ihrer Zukunft klarzuwerden. Und wir treffen uns eine Woche vor Beginn des nächsten Semesters und reden miteinander.«

Indiana stand auf.»Ich wüßte nicht, was es da zu reden gäbe«, sagte er aufgebracht.»Wenn Sie mir aber nahelegen wollen, mir einen neuen Job zu suchen, dann sagen Sie es offen, Grisswald. Und begründen Sie es.«

Grisswald seufzte. Er wirkte traurig.»Schade«, sagte er.»Ich hätte mir einen anderen Ausgang dieses Gespräches gewünscht. Aber wenn Sie darauf bestehen — bitte. Ich bin sicher, jede andere Universität in unserem Land wird Sie mit offenen Armen aufnehmen.«

Indiana starrte ihn sekundenlang wütend an, sagte aber nichts mehr, sondern drehte sich mit einem Ruck um und stampfte auf die Tür zu. Kurz bevor er sie erreichte, rief ihn Grisswald noch einmal zurück.

«Dr. Jones!«

Eine halbe Sekunde lang war Indiana geneigt, einfach weiterzugehen und die Tür hinter sich ins Schloß zu knallen, aber dann blieb er doch stehen und drehte sich noch einmal zu Grisswald um.»Ja?«

«Da ist noch etwas«, sagte Grisswald.

Indiana sah ihn fragend an, bekam aber keine Antwort, und so trat er schließlich widerwillig an den Tisch zurück. Griss-wald schob ihm das kleine goldene Schmuckstück, mit dem er bisher gespielt hatte, über die Platte hinweg zu.»Haben Sie das schon einmal gesehen?«

Indiana griff danach und drehte es mit wachsender Verblüffung in den Fingern. Was er bisher für einen goldenen Anhänger gehalten hatte, war gar keiner. Es war ein winziger Käfer, der ganz aus Gold bestand. Und es war die mit Abstand perfekteste Nachahmung eines Lebewesens, die Indiana jemals gesehen hatte.

«Nein«, sagte er verwirrt.»Wieso? Was ist das überhaupt?«

Grisswald beugte sich vor und nahm ihm den Käfer aus den Fingern.»Das möchte ich auch gern wissen«, sagte er.»Ich hatte gehofft, von Ihnen eine Antwort auf diese Frage zu bekommen.«

«Wieso?«wunderte sich Indiana.»Woher stammt das?«

«Auch das weiß ich nicht«, antwortete Grisswald.»Ich hatte heute morgen schon sehr früh Besuch, Dr. Jones. Sehr unangenehmen Besuch, wie ich hinzufügen möchte.«

Indiana sah ihn fragend an.

«Es handelte sich um dieses Schmuckstück«, fuhr Grisswald nach einer langen, unangenehmen Pause fort.»Um dieses und andere. Sie wurden gestohlen.«

«Gestohlen?«

«Nun«, Grisswald zuckte mit den Schultern,»ich nehme es jedenfalls an. Welchen anderen Grund sollte es geben, wenn die Polizei bei mir auftaucht und mich fragt, was ich über die Herkunft dieser Stücke weiß?«

Indiana verstand nun gar nichts mehr. Unaufgefordert zog er sich einen Stuhl heran und ließ sich darauf fallen. Grisswald blickte zuerst den Stuhl, dann ihn selbst und dann wieder den Stuhl sehr tadelnd an, überging Indianas Eigenmächtigkeit aber und beließ es bei einem strafenden Blick und fuhr fort:»Leider haben mir die Beamten auch nichts Konkretes gesagt. Aber in den letzten Wochen sind eine ganze Reihe solcher Kleinode in der Stadt zum Verkauf angeboten worden. Sie konnten oder wollten mir nicht sagen, wer sie verkauft hat, aber es muß sich um ein Mitglied des Lehrkörpers handeln.«

«Es ist nicht verboten, Gold zu verkaufen«, sagte Indiana.

«Nicht, wenn man es auf legalem Wege erworben hat«, stimmte ihm Grisswald zu.»Aber wäre das so, wäre wohl kaum die Polizei bei mir erschienen, um sich zu erkundigen, welcher meiner Mitarbeiter wohl als Ursprung dieser Schmuckstücke infrage käme, nicht wahr?«

Es dauerte noch eine Sekunde, bis Indiana begriff. Dann verdüsterte sich sein Gesicht.»Ich verstehe«, sagte er gepreßt.»Irgend jemand hier an unserer Universität steht im Verdacht, Fundstücke unterschlagen oder gestohlen zu haben. Und ganz selbstverständlich denken Sie dabei als erstes an mich.«

Grisswald antwortete nicht darauf.

«Ich muß Sie enttäuschen, Grisswald«, fuhr Indiana aufgebracht fort.»Seit Sie hierhergekommen sind, macht mir meine Arbeit zwar sehr viel weniger Spaß, aber ich verdiene immer noch genug, um nicht stehlen zu müssen. Und selbst«, fügte er in noch schärferem Tonfall hinzu, als Grisswald ihn unterbrechen wollte,»wenn ich es täte, wäre ich kaum so dämlich, meine Beute hier in der Stadt an den Mann bringen zu wollen.«

«So war das nicht gemeint, Dr. Jones«, begann Grisswald. Aber Indiana hörte ihm gar nicht mehr zu. So wuchtig, daß sein Stuhl scharrend zurückflog und umfiel, sprang er auf, drehte sich herum und stürmte aus dem Büro.

Und diesmal knallte er die Tür so heftig hinter sich zu, daß es noch drei Stockwerke tiefer zu hören sein mußte.

Indiana kochte innerlich noch immer vor Zorn, als er zehn Minuten später den Campus verließ und mit weit ausgreifenden Schritten die Straße überquerte. Hätten sich mit dieser Universität nicht so viele schöne Erinnerungen verbunden und hätte er nicht so viele gute Freunde hier gehabt, dann hätte er nicht nur die Tür zu Grisswalds Büro zu-, sondern gleich dessen Schreibtisch umgeworfen und ihm endlich einmal gesagt, was er wirklich von ihm hielt. Welchen rachsüchtigen Gott mochte er bei irgendeinem seiner Abenteuer so erzürnt haben, daß er ihm einen Widerling wie Grisswald schickte, um ihm das Leben zu vergällen?

Als er die andere Straßenseite erreicht hatte, wandte er sich erst nach rechts und fast in der gleichen Bewegung in die entgegengesetzte Richtung. Nein — er konnte jetzt nicht nach Hause gehen. Er brauchte einen Kaffee oder besser noch einen kräftigen Schluck Whisky, um sich zu beruhigen. So steuerte er ein kleines Café wenige Schritte entfernt an, das den Studenten als Treffpunkt diente und selbst zu dieser frühen Stunde bereits gut besucht war. Die meisten Tische waren besetzt, und auch an der Theke war kein Platz mehr frei. Aber Dr. Jones war hier gut bekannt, und so mußte er nicht lange suchen, bis einer der Kellner erschien und ihn an einen kleinen Tisch am Fenster führte. Indiana setzte sich, bestellte einen Kaffee und einen Bourbon und wandte demonstrativ den Blick ab, als ihn einige der Studenten an den Tischen erkannten und ihm zulächelten.