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«Das weiß ich«, antwortete der Aymará ruhig.»Doch ihr seid aus dem gleichen Grund hier wie er. Und deshalb kann ich über euch nur urteilen, wie ich über ihn geurteilt habe.«

Reuben raffte alle Kraft zusammen, die er noch in sich fand, streckte trotzig das Kinn vor und starrte den Alten kampflustig an. Genauer gesagt — er versuchte es. In den Augen des alten Indianers erschien ein sanftes Lächeln, und plötzlich hatte es Reuben sehr eilig, den Blick wieder zu senken. Und auch in seiner Stimme war keine wirkliche Kraft mehr, sondern nur noch Trotz.»Sie müssen verrückt sein«, sagte er.»Woher wollen Sie eigentlich wissen, warum wir hier sind? Wir suchen den Mann, der Ihnen und Ihrem Volk all dies angetan hat. Er ist ein gefährlicher Verbrecher. Ich bin hier, damit er seine gerechte Strafe bekommt.«

«Das weiß ich«, antwortete der Aymará.»Aber ich weiß auch, daß das nur ein Teil der Wahrheit ist.«

Reuben wollte abermals auffahren, aber diesmal unterbrach ihn Indiana.»Lassen Sie doch, Reuben«, sagte er.»Ich glaube, es ist wirklich sinnlos, ihn belügen zu wollen.«

Reuben starrte ihn feindselig an, schwieg aber, und der alte Indianer lächelte erneut.»Sie haben recht, Dr. Jones«, sagte er.»Dies ist kein Ort, an dem irgendeine Lüge Bestand haben könnte. Ich weiß, weshalb ihr wirklich gekommen seid. Ihr sucht dasselbe, was all die anderen gesucht haben, die vor euch kamen. Und ihr werdet dasselbe finden wie sie, wenn ihr nicht von eurer Suche ablaßt. Den Tod.«

«Vor uns waren also schon andere hier?«fragte Indiana.

«Wir sind nicht die ersten, die den Weg fanden.«

«Es waren viele, die kamen«, antwortete der Alte.»Doch keiner ist wieder zurückgekehrt.«

«Dann … dann ist es wahr?«fragte Reuben plötzlich aufgeregt.»El Dorado … existiert? Es ist nicht nur eine Legende?«

«El Dorado …«Der Alte wiederholte das Wort mit einer sonderbaren Betonung. Dann nickte er.»O ja, einige haben es so genannt. Andere hatten andere Namen, doch es war immer dasselbe, was sie suchten, Gold und Reichtum.«

«El Dorado existiert wirklich?«fragte Reuben noch einmal. Seine Furcht war mit einem Male wie weggeblasen. In seinen Augen erschien ein sonderbares Glitzern, und Indiana bemerkte voller Erschrecken, daß sich auch einige seiner Männer näher herangeschoben hatten und ihre Blicke fasziniert an den Lippen des Alten hingen. Den Ausdruck, der plötzlich in ihren Augen war, kannte er nur zu genau. Vielleicht war es besser, wenn der alte Mann nicht weitersprach.

Der Aymará sah ihn einen Moment fast so an, als hätte er seine Gedanken gelesen, und lächelte dünn und tieftraurig.»Es gibt tatsächlich dieses Land, von dem alle träumen«, sagte er.»Mein Volk und ich haben nie verstanden, was es sein soll, weswegen das gelbe Metall so wertvoll für euch ist, aber ja, es existiert. Aber wir sind das Volk, das die Götter auserwählt haben, darüber zu wachen. Es ist uns nicht immer gelungen. Manche haben uns überlistet, manche haben sich den Weg mit Gewalt freigekämpft. Keiner wollte einsehen, daß das Gold von El Dorado den Tod bringt.«

«Das Gold von El Dorado?«Reuben lachte hysterisch.»Du meinst … Du und deine …«Er suchte einen Moment nach Worten, biß sich auf die Lippe und fuhr stotternd fort: »Männer.«

«Nicht wir«, widersprach der Alte.»Wir sind Wächter, und wir sind Warner. Wir töten niemanden, der uns nicht angreift. «Er hob die Hand, als Reuben ihn abermals unterbrechen wollte.

«Ich will dir die Geschichte unseres Volkes erzählen, weißer Mann. Auch wir waren einst wie ihr. Auch unseren Vorfahren war die Gier nach dem gelben Metall nicht fremd. Sie waren es, die damals den einzigen Eingang ins Tal der Götter fanden. Sie nahmen das gelbe Metall und trugen es hinaus in die Welt, und sie wurden reich und mächtig.«

«Das Gold der Inkas«, murmelte Indiana. Reuben sah ihn fragend an, und der alte Aymará nickte.

«Ja«, sagte er.»Das kam aus dem Land, das die Spanier El Dorado nannten. Es machte sie reich, es machte sie mächtig, aber es tötete sie. Auch damals gab es schon Stimmen, die davor warnten, sich am Besitz der Götter zu vergreifen, doch auch unsere Vorfahren schlugen diese Warnungen in den Wind. Es heißt, daß einst, vor unendlich langer Zeit, als es noch keine Menschen gab, die Götter selbst das Land aus Gold erschufen. Doch da sie wußten, was geschehen würde, sprachen sie einen Fluch aus. Jeder, der das Gold berührte, sollte sterben. Und die, die es schürften, starben eines schrecklichen Todes. Mein Volk siechte dahin. Es war reich, doch es bezahlte einen furchtbaren Preis für seinen Reichtum. Die Männer starben, und die Frauen gebaren Kinder, auf denen der Fluch der Götter lag.«

Indiana schauderte. Sein Blick glitt über die entstellten Gestalten der beiden Krieger, die den Alten begleitet hatten.

«Seither sind es die Aymará, die den Weg nach El Dorado bewachen«, fuhr der Alte fort.

«Aber die Männer und Frauen im Dorf …«murmelte Reuben verwirrt.

«Sie bringen die Kinder hierher«, sagte Indiana. Er wandte sich an den Alten.»Eure Frauen gebären immer noch Kinder, auf denen der Fluch der Götter liegt, nicht wahr?«

Der alte Mann nickte.»Sie werden hierhergebracht. In dieses geheime Versteck in den Bergen, wo niemand sie sieht«, sagte er.»Vielleicht werden die Götter eines Tages ein Einsehen haben und ihren Fluch von uns nehmen. Doch bis es soweit ist, werden wir unsere Aufgabe erfüllen und den Weg in ihr Land bewachen.«

«Das wird euch nicht viel nützen, wenn Ramos mit seiner Mörderbande hier auftaucht«, sagte Reuben.»Du hast gesehen, was er mit deinem Dorf angestellt hat, Häuptling. Sie werden sich den Weg einfach freischießen.«

«Wir sind viele«, sagte der Aymará, aber Reuben wischte seine Worte mit einer Handbewegung beiseite.»Unterschätz diesen Mann nicht, Häuptling. Ich will gar nicht abstreiten, daß deine Vorfahren vielleicht mit den spanischen Conquistadoren fertig geworden sind, oder auch mit ein paar Abenteurern, die es hierher verschlagen hat. Aber Ramos und seine Leute haben moderne Waffen, und du hast gesehen, wie rücksichtslos sie diese einsetzen. Du hast nur eine Wahl, wenn du ein zweites, furchtbares Blutvergießen verhindern willst: Laß uns gehen. Und zeig uns den Weg. Wir werden auf Ramos warten.«

«Wir sind hier die Wächter«, wiederholte der Häuptling stur.»Uns haben die Götter die Aufgabe übertragen, den Weg ins Land des gelben Metalls zu bewachen. Und wenn wir dabei sterben, so ist auch dies der Wille der Götter.«

«Der Wille der Götter!«wiederholte Reuben aufgebracht.»Ich will dir nicht zu nahe treten, alter Mann, aber Ramos’ Flammenwerfern werden auch deine Götter nicht allzuviel entgegenzusetzen haben. Dieser Mann ist verrückt, verstehst du das denn nicht? Verrückt und völlig gewissenlos. Es ist ihm vollkommen egal, wie viele Menschen er umbringen muß, um zu bekommen, was er will.«

«Und du?«fragte der Alte.

Reuben blinzelte.»Wie meinst du das?«

«Was würdest du tun, um das Geheimnis von El Dorado zu ergründen?«Der Häuptling deutete auf die Männer, die sich im Halbkreis hinter Reuben aufgestellt hatten.»Hast du nicht auch die Leben all dieser Männer riskiert, um an dein Ziel zu gelangen?«

«Das ist etwas anderes«, protestierte Reuben, aber der Alte unterbrach ihn sofort wieder.

«Oh, ich weiß«, sagte er.»Du glaubst das wirklich. Du glaubst, aus edleren Gründen hier zu sein. Aber das stimmt nicht. Es ist zwar nicht das Gold, was du suchst. Aber es ist Macht. Was ist Gold anderes als das Werkzeug, sich Macht zu verschaffen?«

«Blödsinn!«antwortete Reuben. Aber seine Stimme klang jetzt doch ein wenig unsicher.»Selbst, wenn es dieses sagenhafte Tal wirklich gibt — welche Art von Macht sollte ich dort wohl finden?«