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«Ich weiß«, sagte Indiana.

Corda bäumte sich auf.»Nichts anfassen …«stöhnte er.»Ihr dürft … den großen Block … nicht anfassen. «Mit einer schier unglaublichen Kraftanstrengung hob er die Hand und deutete auf einen Gegenstand im Gras neben sich, den Indiana bisher nicht einmal bemerkt hatte.

Indiana griff danach. Nach einigen Sekunden erkannte er, was es war. Ein Geigerzähler. Das Modell ähnelte dem, das Reuben mit an Bord des Schiffes gebracht hatte, es war nur kleiner und handlicher.

«Schalt … es ein«, stöhnte Corda.

Indiana gehorchte. Auf der Vorderseite des kleinen Kästchens begann sich ein Zeiger über eine Skala zu bewegen, und ein durchdringendes, schnelles Knattern erscholl.

«Dich …«stöhnte Corda.»Und Mar…cus.«

Indiana richtete das Gerät nacheinander auf sich und Marcus Brody. Die Nadel auf der Skala schlug aus, aber nicht sehr weit.

«Wo … steht es?«flüsterte Stan.

«Drei«, antwortete Indiana.»Etwas mehr.«

«Dann habt ihr … eine Chance«, stöhnte Corda.»Ihr müßt … gehen. Schnell. Zwei … Stunden …«

«Er hat recht, Indy«, sagte Marcus nervös.»Laß uns verschwinden. Wir sind schon viel zu lange hier.«

Indiana nickte, rührte sich aber trotzdem nicht von der Stelle, sondern hob nur den Kopf und sah zu Marcus und Marian hoch.

Und als er in ihr Gesicht blickte, da begriff er endlich alles.

Marians Augen waren verschleiert. Sie sah ihn an, aber ihr Blick schien direkt durch ihn hindurchzugehen, und auf ihren Zügen hatte sich ein Ausdruck von Schmerz eingegraben, den Indiana nie wieder im Leben völlig vergessen sollte. Tränen liefen über ihr Gesicht, aber sie weinte, ohne es auch nur selbst zu merken. Ihre Finger strichen unentwegt und fast liebkosend über den Lauf des Gewehres in ihren Händen.»Ich kann es nicht«, flüsterte sie.

Indiana wollte etwas sagen, aber seine Kehle war plötzlich wie zugeschnürt. Mit einem Male wußte er, was der Aymará-Häuptling gemeint hatte, als er sagte, Marian hätte ihn nicht verraten, keine Sekunde lang.

«Ich kann es nicht«, sagte Marian noch einmal mit dünner, brechender Stimme.»Ich … ich bin hierhergekommen, um ihn zu töten, Indy. Aber ich kann es nicht.«

Indiana konnte immer noch nichts sagen. Wortlos richtete er sich auf, trat neben Marian, griff nach dem Gewehr und nahm es an sich. Ihr Blick folgte der Waffe, und plötzlich lächelte sie traurig und sagte zum dritten Maclass="underline" »Ich kann es nicht, Indy. Ich … ich bin hierher gekommen, um ihn zu töten, und jetzt habe ich nicht die Kraft, abzudrücken. Ist das nicht lächerlich?«

Indiana legte behutsam das Gewehr zu Boden, streifte die sterbende Gestalt neben sich mit einem flüchtigen Blick und streckte dann die Hand nach Marian aus. Sie schüttelte den Kopf. Als Indiana ihre Weigerung mißachten und sie einfach an sich ziehen wollte, schob sie seinen Arm zur Seite.»Laß mich«, sagte sie.»Geh, Indiana. Vielleicht ist es noch nicht zu spät für euch. Laß mich hier bei ihm.«

«Er ist es nicht wert, Marian«, sagte Indiana sanft.»Er ist es nicht wert, daß du einen Mord begehst, und schon gar nicht, daß du seinetwegen stirbst. «Er begriff es nicht. Er begriff, warum Marian hier war, und er verstand jetzt sogar, warum sie sich Ramos angeschlossen hatte, statt bei ihm und den anderen zu bleiben. Aber er verstand nicht, warum sie es getan hatte.

«Komm«, sagte er noch einmal und etwas eindringlicher.»Wir müssen weg hier. Dieses Ding da bringt uns um.«

Marians Blick folgte seiner Bewegung, verharrte für einen Moment auf dem hausgroßen Goldklumpen und kehrte dann wieder zur Gestalt ihres sterbenden Mannes zurück.»Ich wollte ihn umbringen, Indiana«, flüsterte sie, als hätte sie gar nicht gehört, was er gesagt hatte.»Er hat mir mein Leben gestohlen. Er hat mich geschlagen und gedemütigt und mir ein Leben aufgezwungen, das ich nicht haben wollte. Und am Schluß hat er mich umgebracht. Ich wollte ihn töten. Ich dachte, ich würde hierherkommen, um ihn zu töten. Und jetzt kann ich es nicht. Und weißt du, warum? Weil ich ihn trotz allem noch liebe. Ist das nicht verrückt?«

«Wie meinst du das — er hat dich umgebracht?«fragte Indiana alarmiert.

Marian starrte sekundenlang an ihm vorbei ins Leere, dann blickte sie ihn an, hob langsam die Hand und griff in ihr Haar. Als sie die Finger wieder zurückzog, sah Indiana ein ganzes Büschel abgelöster Haare darin.

«Ich habe dich belogen, Indy«, sagte sie.»Ich wußte die ganze Zeit, was er gefunden hat. Er hat es mir erzählt, nachdem er zurückkam. Und er hat mir etwas mitgebracht. Ein Schmuckstück.«

Langsam hob sie die Hand und öffnete die drei oberen Knöpfe ihrer Bluse.

Indiana stöhnte auf, als er die Haut darunter sah. Zwischen ihren Brüsten waren die Umrisse eines Eichenblattes zu erkennen, das sie an einer Kette um den Hals getragen haben mußte. Das Schmuckstück war nicht mehr da, aber es hatte seinen Schatten zurückgelassen: Er hatte sich tief in ihre Haut eingebrannt, so daß an einigen Stellen das rohe, entzündete Fleisch zutage getreten war.

«Mein Gott, Marian!«flüsterte Indiana.»Das … das wußte ich nicht. Wieso hast du nichts gesagt? Vielleicht … vielleicht hätte man ja etwas …«Seine Stimme versagte. Ein bitterer Kloß saß plötzlich in seiner Kehle, und er fühlte sich so hilflos und allein wie niemals zuvor im Leben.

«Es war ein so wunderschönes Geschenk«, murmelte Marian.»Ich habe so etwas Schönes nie zuvor gesehen. Und er war so verändert. Er war ein völlig anderer Mensch, Indiana. Wir haben uns versöhnt. Ich meine, wirklich versöhnt. Er hat es nicht einfach nur so gesagt, wie zuvor. Ich habe gespürt, daß er es ehrlich meint. Er hat geschworen, nur noch diese eine Reise zu unternehmen und sich zu ändern. «Sie lächelte bitter.»Er hat mir versprochen, mir ein Haus aus Gold zu bauen, wenn ich bei ihm bleibe.«

Aber jetzt würde es ein Grab werden, dachte Indiana. Aus Augen, die sich gegen seinen Willen mit Tränen füllten, blickte er die furchtbare Wunde auf Marians Brust an. Er wußte, daß sie tödlich war. Es war ein Wunder, daß Marian überhaupt noch lebte. Trotzdem sagte er:»Komm mit uns, Marian. Wir … wir gehen zu einem Arzt. Ich suche dir den besten Spezialisten, den es gibt. Es ist noch nicht zu spät.«

Marian hörte seine Worte gar nicht. Obwohl noch immer Tränen über ihr Gesicht liefen, lächelte sie plötzlich, dann drehte sie sich um, beugte sich zu ihrem bewußtlosen Mann hinab und berührte sein zerstörtes Gesicht mit den Fingerspitzen.

Nach einer Weile stand Indiana leise auf, entfernte sich behutsam zwei, drei Schritte von Marian und drehte sich dann lautlos um, um mit schnellen Schritten und ohne ein einziges Wort zu sprechen zum Waldrand zurückzugehen. Er bemerkte nicht einmal, daß Marcus ihm folgte. Bis sie den Rand des Waldes erreicht hatten und in den alles verschlingenden Nebel eintauchten, der das Geheimnis von El Dorado seit mehr als fünfzig Millionen Jahren wie ein getreuer Paladin bewachte. Und es auch für weitere fünfzig Millionen Jahre tun würde. Vielleicht bis ans Ende der Welt.

Epilog Drei Tage später

Sie erreichten den Fluß und mit dem letzten Licht der Sonne die Stromschnellen, deren monotones Dröhnen ihnen während der letzten Stunden den Weg gewiesen hatte. Der Rumpf des gekenterten Bootes ragte noch immer wie der Rücken eines silbernen Riesenfisches aus dem Wasser, und am Ufer, nicht sehr weit davon entfernt, erkannte Indiana eine Anzahl winziger Gestalten, die sich um ein loderndes Feuer drängten; sieben oder acht, die meisten in zerschlissene, grünbraun gefleckte Tarnanzüge gehüllt, zwei aber auch in khakifarbenen Tropenuniformen, die Indiana sonderbar unpassend vorkamen. Zu seiner Überraschung erkannte er auch Henley unter den Männern. Offensichtlich hatte er sich schneller erholt, als zu erwarten gewesen war; oder die Aymará hatten ihn auf einem anderen Weg hierhergebracht.