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Trotzdem war der andere keineswegs geschlagen. Obwohl er sich vor Schmerzen krümmte und kaum atmen konnte, schoß er einen Fausthieb nach Indianas Gesicht ab, dem dieser nur um Haaresbreite entgehen konnte und der ihn zurück und auf Distanz zu seinem Gegner trieb. Sofort setzte ihm dieser nach, drosch wild und zu dem einzigen Zweck, ihn weiter vor sich herzutreiben, mit der linken Hand nach ihm und versenkte gleichzeitig die rechte in die Jackentasche. Es gehörte nicht besonders viel Fantasie dazu, zu erraten, was er darin trug. Indiana gab ihm jedoch keine Chance, seine Waffe zu ziehen. Er nahm ganz bewußt einen der wütend, aber nicht besonders zielsicher geführten Fausthiebe in Kauf, sprang den Burschen an und hämmerte ihm drei-, viermal hintereinander die Fäuste in den Leib; sehr hart und gezielt auf die gleiche Stelle, an der ihn sein Knie getroffen hatte. Und diese grobe Behandlung war selbst für diesen Riesen zuviel. Stöhnend taumelte er zurück, stieß Indiana mit einer instinktiven Bewegung von sich und kippte nach vorn, wobei er sich gleichzeitig drehte. Es gelang ihm zwar, seinen Sturz mit ausgestreckten Armen abzufangen, indem er sich kaum einen Meter neben Marian an der Wand abstützte, aber er stand in einer so grotesk nach vorn geneigten Haltung da, daß Indiana der Versuchung einfach nicht widerstehen konnte, ihm die Beine unter dem Leib wegzutreten. Der Kerl schrie auf, prallte mit dem Gesicht gegen die rauhe Ziegelsteinmauer und schrammte zum Boden an ihr entlang.

Indiana wartete nicht ab, ob er endlich aufgab oder auch diese Attacke einfach wegsteckte. Mit einem Satz sprang er über ihn hinweg, packte Marians Handgelenk und zerrte sie hinter sich her, während er die Straße hinabzurennen begann. Sie schrie vor Schrecken auf und versuchte sich instinktiv loszureißen, aber Indiana hielt ihren Arm mit eiserner Kraft fest, so daß sie hinter ihm herstolpern mußte, ob sie wollte oder nicht.

Sie erreichten die nächste Biegung der Straße, wandten sich abermals nach rechts, und Indiana blieb auch jetzt nicht stehen, sondern lief im Gegenteil noch schneller, als er nur ein paar Schritte entfernt etwas gewahrte, das ihm die Glücksgöttin persönlich geschickt haben mußte: ein Taxi, das mit laufendem Motor am Straßenrand stand und aus dem gerade ein Fahrgast ausstieg und den Chauffeur bezahlte.

Noch während dieser sein Wechselgeld in Empfang nahm, riß Indiana hastig die hintere Tür auf, stieß Marian in den Wagen und folgte ihr mit einem Sprung. Während er die Tür hinter sich zuwarf, sah er zurück in die Richtung, aus der sie gekommen waren. Von ihren beiden Verfolgern war noch nichts zu sehen. Aber das würde nicht lange so bleiben. Indiana kannte Männer wie diese beiden zur Genüge. Daß er sie so leicht hatte ausschalten können, war pures Glück gewesen und der Umstand, daß er sie überrascht hatte. Ganz offensichtlich hatten sie ihn unterschätzt. Ein zweites Mal würde ihnen dieser Fehler nicht unterlaufen.

Der Mann, der gerade aus dem Taxi ausgestiegen war, stand noch immer wie erstarrt da, den Oberkörper noch in den Wagen gebeugt und die Hand mit dem Wechselgeld vor sich ausgestreckt, und blickte Indiana und Marian verblüfft an, und auch der Taxichauffeur schien im ersten Moment völlig perplex. Dann verdunkelten schwarze Gewitterwolken sein Gesicht.»He!«sagte er.»Was soll das? Ich übernehme keine Fuhre mehr. Feierabend!«

Indiana sah abermals zurück und fuhr erschrocken zusammen, als er Pat und Patachon nebeneinander — wankend, trotzdem sehr schnell — am Ende der Straße auftauchen sah.»Fahren Sie los!«sagte er.

Der Taxifahrer schüttelte stur den Kopf.»Hab’n Sie was an den Ohren, Mann? Ich hab’ Feierabend. Meine Schicht ist um!«

«Ich flehe Sie an!«sagte Indiana. Wieder sah er hastig über die Schulter zurück. Die beiden Burschen waren noch zwanzig oder dreißig Schritte entfernt; allerhöchstens. Und sie kamen sehr schnell näher. Das Gesicht des Größeren hatte sich auf dramatische Weise verändert. Sein Blick auch. Er hatte die linke Hand gegen Mund und Nase gepreßt, und in der rechten hielt er einen Revolver, mit dem er wütend herumfuchtelte.

«Um Gottes willen — fahren Sie los!«sagte Indiana zum dritten Mal. Einer plötzlichen Eingebung folgend fügte er hinzu:

«Das da ist ihr Mann und sein Bruder. Die beiden bringen uns um, wenn sie uns erwischen!«

Das wirkte. Der Fahrer starrte die beiden näher kommenden Killer noch eine halbe Sekunde lang aus aufgerissenen Augen im Spiegel an, dann gab er plötzlich Gas und fuhr so abrupt los, daß Indiana und Marian in die Polster zurückgeschleudert wurden und sein voriger Fahrgast gerade noch rechtzeitig Kopf und Oberkörper aus dem Wagen reißen konnte, um nicht die Hand zu verlieren. Für das Wechselgeld, das darauf gelegen hatte, ging das zu schnell. Es regnete klimpernd auf den Beifahrersitz und zwischen den Füßen des Fahrers nieder.

Indiana stemmte sich ächzend aus dem Polster hoch und sah durch die Heckscheibe. Pat und Patachon waren stehengeblieben. Der Kleine gestikulierte wütend hinter dem Wagen her und schüttelte drohend die Faust, während der andere noch ein paar Schritte weiterlief und dabei unentwegt mit seiner Pistole herumfuchtelte. Aber er wagte nicht, auf den Wagen zu schießen. Nicht auf offener Straße und am hellichten Tag. Schließlich war das hier nicht der Wilde Westen.

Einige Sekunden später hatten sie die nächste Kreuzung erreicht, und der Fahrer ließ den Wagen mit kreischenden Reifen um die Kurve schlingern. Indiana wurde halbwegs auf Marian geschleudert, fing sich im allerletzten Moment wieder und stemmte sich mit einem entschuldigenden Lächeln hoch.

Sie schien es nicht einmal bemerkt zu haben. Ihr Gesicht war bleich wie das einer Toten, und ihre Lippen zitterten. Tränen glitzerten in ihren Augen. Sie beherrschte sich nur noch mit allerletzter Kraft.

«Sag jetzt nichts«, sagte Indiana ganz leise.»Später.«

«Mann!«ächzte der Taxifahrer.»Das war verdammt knapp. Die beiden sahen ja richtig gefährlich aus!«

Indiana setzte sich auf, fuhr sich glättend mit den Händen über das Haar und kramte seine Brille aus der Jackentasche.»Das sind sie auch«, antwortete er, nachdem er sie aufgesetzt und sich mit wenigen Handgriffen wieder in einen unscheinbaren Universitätsdozenten zurückverwandelt hatte.»Sie können mir glauben, es sind sehr unangenehme Menschen. Ich hasse Gewalttätigkeiten. Und ich hasse Menschen, die zu Gewalttätigkeiten neigen. So etwas ist primitiv und eines Gentlemans nicht würdig.«

Der Taxifahrer warf ihm einen schrägen Blick durch den Spiegel hinweg zu und schwieg.

«Ich habe versucht, mich mit ihnen zu unterhalten, wie es unter zivilisierten Menschen üblich ist«, fuhr Indiana fort,»aber es war sinnlos. Stellen Sie sich vor — dieser grobe Klotz wollte mich tatsächlich schlagen

«Welcher grobe Klotz?«erkundigte sich der Taxifahrer. Er machte eine Kopfbewegung auf Marian.»Ihr Mann oder ihr Schwager?«

«Ihr …«Indiana stockte, lächelte verlegen und verbesserte sich:»Nun, es war nicht direkt ihr Mann, müssen Sie wissen. Es war nur sozusagen ihr … hm … so etwas wie ihr Verlobter, wenn Sie verstehen. «Er zog eine Grimasse.»Die ganze Geschichte ist wirklich unangenehm. Ich bin Ihnen zu großem Dank verpflichtet.«

«Das scheint mir auch so«, antwortete der Taxifahrer.»Wohin fahren wir überhaupt?«

Indiana nannte seine Adresse.

«Wissen die beiden Typen, wo Sie wohnen?«fragte der Taxifahrer.»Ich meine — es geht mich zwar nichts an, aber Sie könnten eine Menge Ärger bekommen, wenn ihr SozusagenVerlobter und seine gewalttätige Verwandtschaft dort auftauchen. «Er machte sich nicht einmal mehr die Mühe, den hämischen Unterton aus seiner Stimme zu verbannen, und das Lächeln, mit dem er Indiana ansah, war beinahe mitleidig. Genau das sollte es auch sein. Es war Indiana sehr viel lieber, daß dieser Mann heute abend im Kreis seiner Kollegen die Geschichte eines Trottels erzählen würde, der von einem aufgebrachten, gehörnten Ehemann gejagt wurde, als die eines Mannes, dem zwei Unterweltkiller auf den Fersen gewesen waren.