Выбрать главу

«Das haben wir gemerkt«, antwortete Morton.

«Gut«, sagte der Fremde.»Dann sorgen Sie dafür, daß Sie es so schnell nicht wieder vergessen. Und schauen Sie lieber, daß Sie von dieser Seite des Flusses wegkommen. «Er machte eine Bewegung nach Saint Claire hinüber.»Da drüben ist es ganz bestimmt weniger gefährlich.«

Er nickte Morton und Browning zum Abschied zu, drehte sich um und ging mit raschen Schritten auf den Hundeschlitten zu.

«He!«rief Morton.»Warten Sie doch!«

Der Fremde blieb stehen. Auf seinem Gesicht war jetzt eine leichte Spur von Unmut zu erkennen.»Ja?«

«Ich habe Ihnen noch gar nicht gedankt«, sagte Morton.

«Das ist auch nicht nötig. Bedanken Sie sich, indem Sie verschwinden. Ich habe Ihretwegen eine Pokerpartie unterbrochen — und ich hatte ein verdammt gutes Blatt. «Er ging weiter, kletterte hinter den Eskimohünen auf den Schlitten und stieß einen schrillen Pfiff aus. Ohne daß einer der beiden auch nur die Zügel berührt hätte, setzte sich das Gespann in Bewegung, zog einen engen Halbkreis und jagte, immer schneller werdend, auf die Stadt am anderen Ufer des Flusses zu.

Morton sah ihm nach, bis es in der Menschenmenge verschwunden war, die sich am Ortsrand von Saint Claire eingefunden hatte. Erst dann riß er sich mühsam von dem Anblick los und drehte sich wieder zu Browning herum.

Auf dem Gesicht des Regierungsbeamten lag noch immer derselbe verstörte Ausdruck wie vorhin. Doch auch Morton kam sich sehr hilflos vor. Was sie gerade mit angesehen hatten, das war so unglaublich gewesen, daß er nicht einmal mehr Angst empfand. Ein einzelner Mann mit einer Peitsche gegen das größte und gefährlichste Raubtier dieses Planeten — das war… unvorstellbar.

«Wer… war das?«fragte Morton unsicher.

Browning blickte ihn an. Seine Stimme zitterte leicht, und der Ausdruck darin war beinahe so etwas wie Ehrfurcht.»Das«, sagte er im Flüsterton,»war Dr. Indiana Jones.«

Aus der Nähe betrachtet, wirkte Saint Claire noch weniger vertrauenerweckend als von weitem, dafür aber schmutziger und lauter — sehr viel schmutziger und sehr viel lauter.

Das winzige Kaff an einem Seitenarm des Yukon war zwar auf keiner Landkarte zu finden, aber das schien kein Hinderungsgrund dafür gewesen zu sein, daß sich sämtliche Abenteurer, Verrückten und zwielichtigen Gestalten aus einem Umkreis von mindestens fünftausend Meilen hier getroffen hatten. O ja, dachte Morton, und jeder einzelne Schlittenhund, den es auf dieser ganzen Welt geben mußte.

Er hatte niemals so viele Hunde auf einmal gesehen. Seine erste Schätzung, die er vom Berg aus gemacht hatte, hatte er längst um ein gutes Stück nach oben korrigiert, und er tat es ein zweites und ein drittes Mal, während er neben Browning über die einzige Straße des Ortes ging. Die Hunde waren überalclass="underline" auf den hölzernen Bürgersteigen, auf den Veranden, in Türen, in Fenstern; sogar auf einigen der flachen Dächer sah er struppige, schwarzweiße und braune vierbeinige Gestalten. Nur das weiße Gespann, nach dem sie suchten, fand er natürlich nicht.

«Was, zum Teufel, gibt es bei diesem Rennen zu gewinnen?«fragte er.

«Nichts«, antwortete Browning.

«Nichts?«

Browning schüttelte den Kopf.»Keinen materiellen Preis, wenn Sie das meinen«, sagte er.»Es geht nicht darum, irgend etwas mitzunehmen, verstehen Sie? Nur der Sieg zählt. Und für die allermeisten hier nicht einmal das.«

«Ach«, knurrte Morton griesgrämig.»Ich verstehe, der olympische Gedanke.«

«Ganz genau. «Browning nickte bekräftigend.»Dabeisein ist alles.«

«Und für Dr. Jones?«

Diesmal zögerte Browning einen kurzen Moment.»Ich weiß es nicht«, gestand er.»Ich kenne Dr. Jones nicht persönlich, aber nach allem, was ich von ihm gehört habe, ist es ihm wahrscheinlich völlig egal, ob er gewinnt oder auf dem letzten Platz landet. Es geht ihm nur um das Abenteuer.«

Morton antwortete nicht. Nach dem, was vor einer halben Stunde am anderen Ufer des Flusses passiert war, schien sein persönlicher Bedarf an Abenteuern für die nächsten fünfundzwanzig Jahre gedeckt. Ganz abgesehen davon, daß es ihm schon abenteuerlich genug erschien, alleine und nur mit einer Pistole bewaffnet durch diese Stadt zu gehen. Kapitän Morton war normalerweise kein Mann, der auf Äußerlichkeiten achtete, aber wenn er sich auch nur ein bißchen auf seine Menschenkenntnis verlassen konnte, waren hier in Saint Claire nicht nur alle Abenteurer, sondern auch alle Halsabschneider, Betrüger, Halunken, Wegelagerer, Falschspieler und Straßenräuber des gesamten nordamerikanischen Kontinents zusammengekommen. So ungefähr drei- bis viertausend Jahre Sing-Sing schätzte er. Wäre es nur nach ihm gegangen, dann hätte er sich allerhöchstens in Begleitung einer vollbewaffneten Kompanie Marinesoldaten hierher getraut; und selbst das erst, nachdem er Saint Claire eine halbe Stunde lang mit Breitseiten aus den Geschützen eines Schlachtkreuzers eingedeckt hätte.

Morton war ganz und gar nicht mehr sicher, daß es eine gute Idee gewesen war, die Gesellschaft des Kodiakbären gegen die der pelzvermummten Gestalten einzutauschen, die die Straße der Stadt bevölkerten.

«Wir sollten jemanden nach Dr. Jones fragen«, sagte er.»Es ist ziemlich sinnlos, einfach hier herumzulaufen und darauf zu warten, daß wir über ihn stolpern.«

«Aber das müssen wir nicht«, antwortete Browning.»Jones sprach von einer Pokerpartie. Erinnern Sie sich?«

Morton nickte griesgrämig. Sein Blick begegnete dem eines bärtigen Riesen, der mit vor der Brust verschränkten Armen am Eingang einer Bretterbude lehnte und dessen Gesicht aussah, als hätte er seinen Lebensunterhalt bisher als Sparringspartner von King Kong verdient. Er sah rasch weg.

«Und?«

«Pokerpartien finden selten auf offener Straße statt«, fuhr Browning mit sanftem Spott fort.»Und schon gar nicht bei diesem Wetter. Also brauchen wir nur in die Gastwirtschaft da drüben zu gehen. Ich bin sicher, daß wir Dr. Jones dort finden werden.«

Diesmal antwortete Morton gar nicht. Das, was Browning in einem Anfall von Größenwahn mit Gastwirtschaft bezeichnet hatte, war eine windschiefe Bude, über deren Tür ein lieblos gekritzeltes Schild behauptete, es handelte sich um einen Saloon. Der Versammlung wilder Gestalten vor seiner Tür und dem Lärm und Gläserklirren aus seinem Inneren nach zu urteilen, mußte er jede Hafenspelunke in den Schatten stellen, die Morton kennengelernt hatte. Und er kannte eine Menge.

Er traf mit seiner Vermutung ins Schwarze. Das Innere des Saloons war nicht so schlimm, wie er erwartet hatte — es war schlimmer. Im ersten Moment war er beinahe blind, als sie durch die Tür traten, denn es war fast stockfinster hier drinnen. Es gab keine Fenster, sondern nur eine einzige rußende Petroleumlampe, die so dicht unter der Decke hing, daß sich Morton unwillkürlich fragte, wieso die ganze Bruchbude nicht schon vor fünfzig Jahren in Flammen aufgegangen war. Dann gewöhnten sich seine Augen an das dämmerige Licht, und er erhielt die Antwort auf seine Frage: Feuer hatte hier einfach keinen Platz mehr. Von außen sah das Gebäude aus, als böte es Raum für dreißig, mit viel gutem Willen für vierzig Menschen, aber es mußten weit über hundert Gestalten sein, die sich an den roh gezimmerten Tischen und vor der Theke drängten, die nur aus einer über zwei Fässer gelegten Holzplanke bestand. Die Luft war zum Schneiden dick. Es stank nach Bier, Schnaps, Rauch und Schweiß, und der Lärm war beinahe unbeschreiblich.

«Sehen Sie Dr. Jones irgendwo?«schrie er Browning über den Lärm hinweg zu.

Der Wissenschaftler stellte sich auf die Zehenspitzen, um über die Köpfe der Menschen sehen zu können. Und auch Morton kniff die Augen zusammen, um den Vorhang aus Qualm, Ruß und menschlichen Ausdünstungen zu durchdringen. Ein paar Gesichter wandten sich ihnen zu, — neugierige Blicke trafen sie. Einige Männer begannen zu lachen, einige grinsten, und jemand imitierte mit großem Geschick das Knurren eines Bären. Mortons Laune sank um weitere Grade, obwohl er das noch vor Augenblicken gar nicht für möglich gehalten hatte. Offensichtlich hatte die Geschichte ihres Eintreffens in Saint Claire bereits die Runde gemacht.