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Aber van Heslings Germanengottheiten schienen es noch nicht eilig damit zu haben, ihren Jünger und seinen etwas übereifrigen Lebensretter nach Walhall einzuladen. Statt der massiven Sandsteinmauer des Hilton sah Indiana plötzlich ein großes, zweigeteiltes Fenster auf sich zurasen, versuchte verzweifelt und reichlich hilflos, seinen Kurs am Ende der schwingenden Peitschenschnur zu ändern, dabei gleichzeitig den verrückten Wissenschaftler schützend an sich zu pressen und festzuhalten und außerdem noch die Beine anzuziehen, um den erwarteten Anprall wenigstens halbwegs abzufangen.

Zwei dieser drei Unternehmungen gelangen: Er verlor nicht den Halt an der Peitsche, und er verlor auch nicht seine zappelnde Last — aber er verlor eindeutig das Duell mit dem Fenster. Statt den Fensterflügel in der Mitte zu treffen und elegant aufzusprengen, so daß er mit einem artistischen Sprung ins Innere des Hotels hätte gelangen können, brachen van Hesling und er unter einem gewaltigen Klirren und Scheppern durch das Glas und landeten in einem Scherbenregen in dem darunterliegenden Zimmer.

Der Aufprall war so gewaltig, daß Indiana das Gefühl hatte, jeder einzelne Knochen im Leib würde ihm gebrochen. Hilflos, dabei aber immer noch mit aller Kraft van Heslings Hüfte umschlingend, rollte er vier-, fünf-, sechsmal hintereinander über den dicken Teppich, zertrümmerte auf dem Weg zur Tür einen kleinen Tisch, einen Stuhl und den Teewagen, auf dem die Zimmerbar untergebracht war, und hörte van Hesling brüllen.

Der Stoß gegen die Tür raubte ihm fast das Bewußtsein. Sekundenlang sah er nichts als bunte Kreise und Sterne, und jedes bißchen Kraft wich aus seinem Körper. Er ließ endlich van Hesling los, wich ganz instinktiv zur Seite, als er spürte, wie der Verrückte sich hochstemmte und prompt wieder zusammenbrach, und blieb ein paar Sekunden liegen, um wieder zu Atem zu kommen.

Als er die Augen öffnete, bot sich ihm ein Anblick, über den er wahrscheinlich gelacht hätte, hätte er noch die Kraft dazu gehabt: Das Zimmer war nicht leer. Ein ältliches Ehepaar saß auf der Plüschcouch und starrte van Hesling und ihn fassungslos und aus aufgerissenen Augen an. In den Händen hielten beide noch die Kaffeetassen, aus denen sie getrunken hatten, aber die Unterteller und das dazu passende Geschirr samt dem Tisch, auf dem es eigentlich stehen sollte, waren verschwunden. Indiana erinnerte sich schwach an ein gewaltiges Klirren und Scheppern und einen harten Schlag, der seine Hüfte getroffen hatte, und erst in diesem Moment fühlte er, daß er in etwas Warmem, Klebrigem lag.

Unsicher stand er auf, sah an sich herab und bemerkte, daß er in einer dunklen, dampfenden Lache zum Liegen gekommen war. Seine Hosen waren von den Knien an aufwärts bis zum Gürtel mit derselben Flüssigkeit durchtränkt. Indiana bückte sich, tunkte den Zeigefinger in die Pfütze und kostete vorsichtig. Dann verzog er mißbilligend das Gesicht und schüttelte den Kopf.

«Der Kaffee ist lauwarm«, rügte er, während er mit der linken Hand Zugriff, den stöhnenden van Hesling vom Boden hochzerrte und mit der anderen bereits an der Türklinke war.»Sie sollten sich beim Zimmerservice beschweren. Bei dem, was Sie hier für eine Übernachtung bezahlen müssen, haben Sie ein Anrecht auf heißen Kaffee.«

Die Augen des alten Mannes wurden so groß, daß es Indiana nicht weiter gewundert hätte, wenn sie im nächsten Moment herausgefallen wären, während der Unterkiefer seiner Frau herunterklappte und sie ihre Kaffeetasse fallen ließ.

Er packte van Hesling noch etwas fester beim Kragen und zerrte ihn auf den Flur hinaus. Grob stieß er den Wissenschaftler vor sich her auf die Aufzugtüren zu, hatte aber noch nicht einmal die halbe Strecke zurückgelegt, als van Hesling plötzlich stehenblieb und mit einem zornigen Laut seine Hand abstreifte.

«Was ist geschehen?«fragte er. Er wirkte verwirrt, als erwache er aus einem tiefen Schlaf und wäre sich noch nicht ganz schlüssig, ob er das, woran er sich erinnerte, wirklich erlebt oder geträumt hatte. Zwei, drei Sekunden lang blickte er Indiana nur an, und dann glomm in seinen trüben Augen ein Zorn auf, der Indiana Jones unwillkürlich einen Schritt zurückweichen ließ.

Keine Sekunde zu früh.

Van Hesling brüllte auf, ballte seine gewaltigen Hände zu noch gewaltigeren Fäusten und schoß einen Hieb in Indianas Richtung ab, der den Kampf beendet hätte, noch bevor er richtig begann.»Du Hund!«brüllte er.»Was hast du getan? Ich habe die Bifröst gesehen! Odin! Der Weg nach Walhall stand mir offen!«

Indiana Jones brachte sich mit einem zweiten sehr hastigen Sprung nach hinten in Sicherheit, als der Wahnsinnige wie von Sinnen auf ihn einzuschlagen begann, konnte aber nicht allen Hieben ausweichen. Zwei-, dreimal trafen ihn van Heslings gewaltige Fäuste an Kopf und Schultern, und obwohl sie ihn im Grunde nur streiften, reichte schon diese Berührung aus, abermals Punkte, Kreise und Sterne vor seinen Augen flimmern zu lassen. Wie aus endlos weiter Entfernung registrierte er, daß die Aufzugtüren sich öffneten und etwa ein halbes Dutzend Menschen auf den Korridor entließen. Irgend jemand begann zu schreien. Überall längs des Flurs flogen Türen auf, neugierige Gesichter blickten zu ihnen heraus oder zogen sich hastig wieder zurück, als sie sahen, was geschah. Eine Gestalt im grauen Kostüm und mit kurzgeschnittenem dunklen Haar lief auf van Hesling zu, fiel ihm in den Arm und versuchte ihn zurückzurei-ßen, während Jones unter einem weiteren Hieb des tobenden Giganten gegen die Wand torkelte.

Van Hesling schüttelte Dr. Rosenfeld mit einer Bewegung ab, die er selbst wahrscheinlich nicht einmal spürte, die junge Wissenschaftlerin aber quer über den Flur taumeln ließ.»Odin!«brüllte der Verrückte noch einmal.»Ich komme!«

Und das schien er genau zu meinen, wie er es sagte, denn er verlor plötzlich jegliches Interesse an Indiana Jones und den anderen. Statt dessen fuhr er auf der Stelle herum und rannte mit zwei, drei gewaltigen Schritten zu der Tür des Zimmers zurück, aus der sie gerade herausgekommen waren.»Odin! Wotan! Ich komme.«

«Um Gottes willen — haltet ihn auf!«rief Dr. Rosenfeld.

Indiana Jones setzte ihm nach, packte seinen Arm und versuchte ihn herumzureißen. Genausogut hätte er versuchen können, ein durchgehendes Pferd mit bloßen Händen festzuhalten. Van Hesling kämpfte nicht nur mit der ganzen Kraft seines hünenhaften Körpers, er entwickelte auch die unmenschliche Stärke eines Verrückten: Ohne sichtliche Anstrengung schüttelte er Indiana ab, drehte sich mit einem fast tierischen Knurren zu ihm herum und schlug zu.

Es war nicht die Bewegung, sondern das Funkeln in seinen Augen, das Jones warnte — und ihm vermutlich das Leben rettete.

Im allerletzten Moment duckte er sich und drehte sich gleichzeitig zur Seite. Van Heslings Faust verfehlte sein Gesicht so knapp, daß er den Luftzug spüren konnte, traf die Tür und zerschmetterte sie wie dünnes Sperrholz. Die Wucht des Schlages war so gewaltig, daß der Verrückte nach vorne gerissen wurde und plötzlich sein ganzer Arm bis zur Schulter in dem Loch verschwand, das er selbst in die Tür geschlagen hatte.

Indiana machte einen halben Schritt zurück, blockte einen Schlag, den van Hesling mit der linken Hand ungeschickt auf sein Gesicht zielte, mit dem Unterarm ab — und schlug selbst mit aller Gewalt zu.

Er legte jedes bißchen Kraft, das er noch hatte, in diesen einen Hieb, denn er wußte, daß ihm keine Gelegenheit für einen zweiten bleiben würde: Van Hesling tobte weiter, und daß sein Arm dabei noch immer bis zur Schulter in der Tür feststeckte, störte ihn dabei nicht sonderlich. Er war drauf und dran, die ganze Tür einfach aus dem Rahmen zu reißen.

Indiana Jones war kein Schwächling. Es war auch, weiß Gott, nicht das erste Mal, daß er sich mit seinen Fäusten zur Wehr setzen mußte. Und trotzdem schwor er sich in diesem Sekundenbruchteil, daß es das letzte Mal sein würde.

Es war, als hätte er gegen Stahl geschlagen. Van Heslings Kinn mußte unter den Bartstoppeln aus solidem Gußeisen bestehen.