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Im Moment bestand dieses Abenteuer allerdings lediglich darin, mit einer Gruppe von Menschen, von denen ihm die meisten fremd, nur einer wirklich sympathisch und einer ganz und gar unsympathisch war, in einem engen, sich über mit Schlaglöchern übersäte Straßen quälenden Wagen eingesperrt zu sein und zu einem bisher unbekannten Ziel gebracht zu werden.

Und dabei blieb es auch für die nächsten zwanzig Minuten. Niemand sprach, aber die Stimmung im Wagen sank beharrlich weiter; einzig van Heslings Grinsen blieb, wie es war.

Aber endlich wurde der Wagen langsamer. Geräusche, die sich von denen in der Stadt unterschieden, drangen durch das Blech des Tarnaufbaus, und schließlich erstarb der Motor mit einem letzten röchelnden Laut. Dann näherten sich Schritte dem Wagen, und die beiden hinteren Türen wurden aufgerissen.

Indiana blinzelte in das ungewohnt grelle Sonnenlicht. Im ersten Moment sah er nur Schatten, aber er erkannte immerhin, daß es nicht mehr der junge Mann in dem weißen Anzug war, sondern zwei hochgewachsene Männer in den dunkelblauen Paradeuniformen der Marine. Aus den Augenwinkeln sah er, wie Ludolf und sein Assistent überraschte Blicke tauschten und selbst Morton leicht zusammenfuhr.

Seine Augen hatten sich völlig an die Helligkeit gewöhnt, als er aus dem Wagen sprang. Sie befanden sich am Hafen, nicht in dem lauten, Besuchern, Passagieren und Neugierigen zugänglichen Teil des Hafens, sondern in einem schmalen Seitenarm, in dem sich nur wenige Schiffe aufhielten, von denen das größte eine Zweimastyacht war. Und es war selbst für diesen Teil des New Yorker Hafens zu ruhig.

Indiana argwöhnte, daß die beiden Marinesoldaten nicht allein waren. Wahrscheinlich war das gesamte Becken abgesperrt worden, damit niemand den Wagen und seine Passagiere beobachtete.

Er wollte sich mit einer Frage an Browning wenden, aber der Regierungsbeauftragte machte nur eine herrische Geste und winkte den anderen ungeduldig, ebenfalls aus dem Wäschereiwagen zu klettern. Bis auf van Hesling und seine Begleiterin folgten ihm auch alle gehorsam, aber Dr. Rosenfeld machte keine Anstalten, das Fahrzeug zu verlassen.

«Ich verlange jetzt endlich zu wissen, wohin wir gebracht werden«, sagte sie bestimmt.»Vorher rühre ich mich hier nicht von der Stelle.«

Browning verdrehte die Augen. Für einen ganz kurzen Moment schien er dicht vor einem seiner gefürchteten Wutanfälle zu stehen, und es hätte Indiana nicht im geringsten gewundert, wenn er den beiden Marinesoldaten Befehl gegeben hätte, die Neurologin und ihren Patienten einfach mit Gewalt aus dem Wagen zu schleifen. Aber dann besann er sich eines Besseren, kletterte noch einmal in das Fahrzeug und redete einige Augenblicke lang mit gedämpfter Stimme auf Dr. Rosenfeld ein. Weder Jones noch die anderen konnten verstehen, was er sagte, aber Indiana sah, wie sich Dr. Rosenfelds Augen erstaunt weiteten und sie einen raschen ungläubigen Blick auf die Zweimastyacht am Kai hinter ihnen warf.

Auch Indiana drehte sich herum und musterte das Schiff noch einmal aufmerksamer. Irgendwie kam es ihm bekannt vor, obwohl er ganz sicher war, es noch nie gesehen zu haben. Es war ein relativ kleines, aber sehr feines Schiff, das das Flair des Besonderen umgab, obwohl es sich weder in Größe noch Ausstattung von einem anderen Schiff seiner Klasse unterschied. Und trotzdem — irgend etwas…

«Kommen Sie, meine Herren.«

Browning hatte es endlich geschafft, Dr. Rosenfeld zum Verlassen des Wagens zu bewegen, und ging jetzt mit eiligen Schritten vor ihr her auf die Yacht zu. Die beiden Marinesoldaten flankierten van Hes-ling; sehr unauffällig, aber auch sehr geschickt. Sollte der Wahnsinnige wieder einen seiner Anfälle bekommen, würden sie ihn in Sekundenschnelle überwältigen und festhalten.

Sie betraten das Schiff über eine schmale Laufplanke. Indiana sah sich abermals neugierig um. Jetzt, als er an Bord war, kam ihm die Yacht noch kleiner vor als bisher — und noch bekannter. Er glaubte nicht, daß sie mehr als sieben oder acht Besatzungsmitglieder hatte.

Und wenn sie alle an Bord dieses Schiffes bleiben und damit fahren sollten, dann war sie wahrscheinlich sogar überfüllt.

Sie sollten. Browning und die beiden Marineoffiziere dirigierten sie sanft, aber sehr nachdrücklich unter Deck, wo bereits einige Kabinen für sie vorbereitet waren: eine für Loben und von Ludolf sowie die beiden Dänen, eine andere für Bates, Morton, Browning und offensichtlich auch Indiana, denn auch in ihr befanden sich vier Betten, und eine etwas kleinere Kajüte für van Hesling und sein» Kindermädchen«.

Noch während sie die Kabinen betraten, hörte Indiana, wie der Motor der Yacht ansprang, und spürte, wie das Deck unter seinen Füßen zu beben begann. Sie hatten ganz offensichtlich abgelegt. Browning verlor keine Zeit.

«Doktor Jones?«

Etwas am Klang von Brownings Stimme irritierte ihn. Indiana drehte sich herum und sah den Regierungsbeauftragten fragend an. Browning wirkte mit einem Mal überhaupt nicht mehr feindselig, sondern ein ganz klein bißchen nervös. Und das entschuldigende Lächeln, das er auf sein Gesicht zwang, war nicht einmal hundertprozentig falsch — allerhöchstens neunundneunzig Prozent.

«Ja?«fragte Indiana.

Browning machte eine einladende Geste und hob gleichzeitig die andere Hand, als auch Morton und Bates sich von ihren Kojen erheben wollten, auf die sie sich gerade erst niedergelassen hatten. Er schüttelte den Kopf, was aber nur den beiden anderen galt.»Bitte folgen Sie mir«, sagte er, zu Indiana gewandt.

Indiana gehorchte, ein wenig verwirrt, aber auch beunruhigt.

Wenn es etwas gab, was Dr. Browning nervös machen konnte, dann mußte das schon etwas Besonderes sein.

Sie verließen die Kabine, gingen den nur ein knappes halbes Dutzend Schritte messenden Gang entlang und betraten den Salon des Schiffes. Auch hier drinnen entsprach alles dem äußeren Eindruck, den die Yacht hinterließ: gediegen, solide, mit einem dezenten Luxus, der fast nur angedeutet, trotzdem aber deutlich spürbar war.

«Was ist das hier?«fragte er.

Browning runzelte ärgerlich die Stirn.»Ein Schiff«, sagte er patzig.

«Das sehe ich selbst«, antwortete Indiana im gleichen Ton.»Ich meine auch nicht, was es ist, sondern was wir — «

«Ich habe Sie nicht hierher gebeten, um mit Ihnen über Schiffe zu diskutieren«, unterbrach ihn Browning, nun wieder ganz in seiner gewohnt groben Art.»Bitte, hören Sie mir zu, Doktor Jones. Wir haben nicht viel Zeit, und es ist vielleicht das letzte Mal, daß wir unter vier Augen miteinander reden können.«

Der Ernst, der plötzlich wieder in seiner Stimme war, ließ Indiana aufhorchen. Er nickte.»Also geht es doch um mehr als einen treibenden Eisberg und ein paar Fetzen von einem Wikingersegel. Hab ich recht?«

«Ich fürchte«, sagte Browning.»Aber um Ihrer nächsten Frage zuvorzukommen: Wir wissen wirklich nicht, worum es tatsächlich geht. Alles, was wir haben, ist die Aussage eines Verrückten und ein paar Vermutungen.«

«Und die wären?«fragte Indiana. Browning zuckte hilflos mit den Schultern.

«Selbst darüber kann ich nicht sprechen«, sagte er.»Es klingt zu verrückt, als daß selbst Sie es glauben würden.«