Выбрать главу

Wiederum hatte Indiana das Gefühl, eigentlich wissen zu müssen, wo er sich befand — aber die Erkenntnis kam erst, als Bates neben ihm überrascht die Luft einsog und ein einziges Wort vor sich hin flüsterte:»Lakehurst!«

Lakehurst!

Indiana richtete sich erschrocken im Sitz der Limousine auf. Das war ein Flughafen, aber nicht irgendein Flughafen. Indiana konnte den Schrecken und das kaum noch verhohlene Entsetzen in Bates’ Stimme sehr gut verstehen. Lakehurst war der Luftschiffhafen der Vereinigten Staaten, eben jenes Lakehurst, wo erst vor wenigen Jahren die Hindenburg explodiert war und dabei zahllose Menschen in den Tod gerissen hatte. Seither war es still um die lautlosen Giganten der Lüfte geworden, wenn man sie auch dann und wann noch sah. Aber Indiana hätte sich niemals träumen lassen, eines Tages selbst an Bord einer dieser riesigen fliegenden Zigarren zu gehen. Er konnte auch nicht sagen, daß er allzu scharf darauf war.

Dann fiel ihm etwas ein, was der Präsident gesagt hatte:»… die einzigen, die im Moment über die dazu nötigen Transportmittel verfügen.«

Eine ungute, eine sehr ungute Ahnung stieg in ihm auf. Und sie wurde zur Gewißheit, als die Wagen das große Maschendrahttor passierten und ohne anzuhalten auf eine riesige, an die fünfzig Yard hohe und sicherlich eine halbe Meile lange Halle zurollten, deren zweigeteiltes Tor auseinanderzuschwingen begann, während sie sich ihm näherten.

«Was ist das hier?«fragte Morton nervös.

«Lakehurst«, antwortete Bates. Verwundert fügte er hinzu:»Sie haben noch nie davon gehört?«

«Natürlich weiß ich, was Lakehurst ist«, erwiderte Morton in leicht gereiztem Ton. Er deutete mit der ausgestreckten Hand auf die gigantische Halle.»Ich frage mich, was das da ist.«

«Ein Hangar«, antwortete Bates.»Um genau zu sein, ein Luftschiffhangar.«

Morton wurde blaß.»Sie meinen, daß wir… daß wir mit einem dieser Dinger fliegen werden?«

Bates zuckte mit den Schultern und sagte gar nichts. Indiana Jones nickte und meinte:»Ja.«

«Woher wollen Sie das wissen?«fragte Morton.

Indiana Jones lächelte.»Jemand hat es mir gesagt«, antwortete er.

«Und wer? Browning?«

Indiana schüttelte den Kopf.»Nein. Der Präsident der Vereinigten Staaten.«

Morton starrte ihn böse an und sagte gar nichts mehr, während Ba-tes plötzlich Mühe hatte, ein Lachen zu unterdrücken. Manchmal war es wirklich am einfachsten, die Wahrheit zu sagen. Vor allem dann, wenn man sicher sein konnte, daß einem sowieso niemand glaubte.

Die Wagen wurden langsamer und reihten sich hintereinander auf, um durch das Tor zu rollen. Das Innere der Halle war noch gigantischer, als ihr Äußeres hatte vermuten lassen. Allerdings war von ihren wahren Abmessungen im Moment nicht allzuviel zu erkennen, denn der allergrößte Teil des vorhandenen Raumes wurde von einem gigantischen silbergrauen Etwas beansprucht, das, von einem wahren Spinnennetz armdicker Taue und Stahlseile gehalten, unter der Hallendecke schwebte. Bates stieß einen anerkennenden Pfiff durch die Zähne aus, während Morton abermals und diesmal eindeutig die Luft einsog.

Auch Indiana betrachtete das Luftschiff voller ungläubigem Staunen. Es war nicht der erste Zeppelin, den er sah. Aber es war der mit Abstand größte. Es war schwer, hier drinnen irgendwelche Vergleiche anzustellen, denn die riesige Halle ließ das Luftschiff wiederum kleiner erscheinen, als es tatsächlich war — aber selbst die legendäre Hindenburg mußte gegen diesen Giganten ein Zwerg gewesen sein. Seine wahre Größe kam Indiana erst zu Bewußtsein, als sie sich der Gondel näherten, die unter dem zigarrenförmigen, schimmernden Rumpf hing, und er sah, wie winzig die beiden vor ihm fahrenden Wagen plötzlich aussahen.

Sie stiegen aus. Bates entfernte sich wortlos in Richtung der Luftschiffgondel und begann fast augenblicklich ein Gespräch mit einem der herumstehenden Matrosen, während Morton noch immer sichtlich fassungslos vor Staunen dastand und den Kopf in den Nacken legte, um den schwebenden Giganten zu betrachten, der über ihnen hing.

Auch Indiana sah nach oben — und bereute es eine Sekunde später. Für seinen Geschmack war es ein verdammt ungutes Gefühl, ein Gebilde von der Größe eines dreißigstöckigen Wolkenkratzers zu sehen, das über ihm schwebte und scheinbar nur darauf wartete, herunterzufallen und die winzigen Menschen unter sich zu zermalmen. Natürlich wußte er, daß das nicht passieren konnte; ja, nicht einmal möglich war. Aber das war nur der logische Anteil in ihm, der das behauptete. Außer diesem kleinen und im Moment ziemlich hilflosen Teil gab es noch einen größeren, unlogischen Indiana Jones, der ihm erklärte, daß dieses Ding dort oben sich einfach nicht in der Luft halten konnte und jeden Moment wie ein Berg zu Boden krachen und sich bis nach China durchbohren mußte.

«Überrascht?«

Der hämische Klang des Wortes hätte ihm verraten, wem die Stimme gehörte, auch wenn er sie nicht erkannt hätte. Aber so hatte er wenigstens noch Gelegenheit, ein unfreundliches Lächeln auf sein Gesicht zu zaubern, ehe er sich umdrehte, damit Browning nicht sah, wie er sich wirklich fühlte.

«Ein wenig«, gestand er.»Obwohl ich mir irgend etwas in dieser Art hätte denken sollen, nach unserem… Gespräch.«

«Ja«, sagte Browning ungerührt.»Und jetzt verstehen Sie sicher auch, warum ich bisher niemandem sagen konnte, wohin wir wirklich fahren werden.«

«Wieso?«Indiana wies mit einer Kopfbewegung auf das Luftschiff.»Hatten Sie Angst, daß die Hälfte Ihrer Expedition abspringt und sich weigert, mit dem Ding da zu fliegen?«

«Aber wieso denn?«erwiderte Browning mit perfekt geschauspie-lerter Überraschung.

«Weshalb dann?«wollte Indiana wissen.

«Weil das hier nicht unbedingt für jedermanns Augen bestimmt ist«, antwortete Browning.»Das ist ein Versuchsmodell. Ein eigentlich streng geheimes Projekt der Navy, von dem bisher nur die unmittelbar Beteiligten und eine Handvoll Außenstehender wußten.«

«Und seit zehn Minuten auch zwei deutsche Wehrmachtsoffiziere«, fügte Indiana Jones mit einem schadenfrohen Grinsen hinzu.

Browning machte plötzlich ein Gesicht, als hätte er unversehens in eine Zwiebel gebissen.»Ja«, gestand er bekümmert.»Ich fürchte, so ist es.«

«Und wie werden Sie mit diesem Problem fertig?«fragte Indiana.»Auf Ihre altbewährte Methode? Werden Sie sie irgendwo über dem Atlantik über Bord werfen?«

In Brownings Augen blitzte es auf, aber er verbiß sich die wütende Antwort, die ihm sichtlich auf der Zunge lag.»Ich habe meine diesbezüglichen Bedenken geäußert«, sagte er nur.»Aber wir werden uns um das Problem kümmern, sobald der eigentliche Anlaß unserer Expedition erledigt ist.«

«Falls Sie Hilfe brauchen«, schlug Indiana Jones todernst vor,»dann melden Sie sich. Ich kann Ihnen sagen, wie man ein Grab anlegt, das man mindestens zweitausend Jahre lang nicht findet.«

Browning starrte ihn an, knirschte hörbar mit den Zähnen und drehte sich auf dem Absatz herum, um wütend davonzustampfen.

«Warum sind Sie so feindselig?«fragte Morton.

Indiana zögerte einen Moment.»Das ist eine alte Geschichte«, sagte er dann.»Und eine ziemlich lange. Vielleicht erzähle ich sie Ihnen eines Tages, aber nicht jetzt.«