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«Was hast du vor?«fragte Mabel mißtrauisch.

Indiana deutete mit einer grimmigen Kopfbewegung auf das Nagelfahr. Seine enorme Größe machte es schwer, seine wirkliche Geschwindigkeit zu schätzen, aber es war bereits nahe, sehr nahe.»Ich werde versuchen, ihm das Ding aus der Hand zu schlagen«, murmelte er.

Mabels Augen wurden groß. Sie hatte selbst erlebt, wie meisterhaft Indiana Jones mit dieser Peitsche umzugehen verstand — aber das hier war etwas anderes. Das war kein normaler Gegner, vielleicht nicht einmal mehr ein Mensch. Sie beide hatten gesehen, wie er von vier Kugeln getroffen zusammengebrochen war, aber sie beide hatten auch gehört, was Kapitän Morton über van Hesling erzählt hatte. Und sie beide hatten die fürchterlichen Szenen nicht vergessen, deren Zeugen sie in der vergangenen Nacht im Lager geworden waren. Und an Bord des Nagelfahr… Nein, Indiana war nicht einmal sicher, ob er Erich überhaupt noch verletzen konnte.

«Und wenn du es nicht schaffst?«fragte Mabel.

Indiana schwieg dazu.

Das Schiff kam langsam näher. Wenn es seinen Kurs nicht änderte, dann würde es unmittelbar an Indiana und Mabel vorübergleiten; und Erich mußte sie längst entdeckt haben. Wenn er darauf verzichtete, seine fürchterliche Waffe noch einmal einzusetzen und sie auf der Stelle umzubringen, dann wahrscheinlich nur deshalb, weil er sich absolut sicher fühlte. Und wahrscheinlich sogar zu Recht, dachte Indiana.

Und sofort wurde sein Verdacht zur Gewißheit.

Ein dumpfes Dröhnen wehte über das Meer zu ihnen, und als er herumfuhr, sah er, wie das Maschinengewehr im Bug des deutschen Unterseeboots grelle Flammenzungen spuckte. Die Salve riß Splitter aus dem Eis, jagte eine Reihe meterhoher Schaumexplosionen durch das Wasser und traf das Nagelfahr mit absoluter Präzision.

Nicht eine der Kugeln kam Erich auch nur nahe. Die Geschosse prallten funkensprühend von einem unsichtbaren Hindernis ab, wie von einer Wand aus Glas, die sich zwischen dem Schiff und ihnen erhob!

Ein hämisches, durch und durch böses Grinsen verzerrte Erichs Gesicht. Langsam, in einer ganz bewußt auf Dramatik bedachten Geste, hob er die Arme; und jetzt sah Indiana, daß es tatsächlich eine Art riesiger, ganz aus Gold gefertigter Hammer war, den er in beiden Händen hielt. Blitzartig drehte er sich um und schloß in Erwartung des Kommenden die Augen. Trotzdem war das Licht so grell, daß es schmerzhaft durch seine geschlossenen Lider drang und ihn aufstöhnen ließ.

Der Blitz aus Thors Hammer fuhr nur wenige Meter neben dem deutschen Unterseeboot ins Meer und ließ das Wasser explodieren. Das ganze U-Boot erbebte wie unter einem Faustschlag, legte sich auf die Seite und richtete sich mühsam wieder auf. Zwei Männer, die gerade mit letzter Kraft auf das Deck hinaufgekrochen waren, wurden von der Springflut aus Schaum und kochendem Dampf, der es überschüttete, sofort wieder ins Meer gefegt, und das Maschinengewehr hörte auf zu feuern.

Indiana hob die Peitsche, aber Mabel fiel ihm mit einer blitzschnellen Bewegung in den Arm.»Nicht!«rief sie.

Indiana wollte sie abschütteln, aber Mabel hielt seine Hand fest.

«Das hat keinen Sinn«, sagte sie.»Er wird dich umbringen.«

«Hast du eine bessere Idee?«fragte Indiana.

Mabel nickte.»Wenn es mir gelingt, an Bord zu kommen, kann ich ihn vielleicht überwältigen«, meinte sie.

Indiana warf einen Blick zum Nagelfahr hinüber, ehe er antwortete. Noch dreißig Sekunden, bis das Schiff da war, schätzte er.»Hast du schon vergessen, was dem Soldaten passiert ist, der an Bord ging?«fragte er.

Mabel schüttelte hastig den Kopf.»Nein«, antwortete sie.»Aber ich kann es. Ich bin sicher, daß ich es schaffe.«

«Und wieso?«

«Nun, weil ich genau das nicht bin, was Erich so sicher geglaubt hat«, erwiderte Mabel mit einem flüchtigen Lächeln.»Ich kann dieses Schiff betreten.«

«Du?«

«Meine Eltern waren Deutsche, weißt du? Sie sind vor zwanzig Jahren in die Staaten gekommen, lange, ehe dieser ganze Wahnsinn in Deutschland begann. Aber als Hitler an die Macht kam, da hat sich mein Vater den Spaß gemacht, unseren Stammbaum zu überprüfen. Ein arischeres Blut als meines wirst du wahrscheinlich kaum finden. Unsere Familie muß in direkter Linie von den Äsen abstammen.«

Der letzte Satz hatte ein Scherz sein sollen, aber er ließ Indiana zusammenzucken.»Und der Name?«fragte er.

«Rosenfeld — ein deutscher Name«, antwortete sie achselzuckend.»Es ist nicht meine Schuld, wenn dieser Idiot ihn für einen jüdischen hielt.«

Indiana zögerte noch immer. Mabels Worte klangen überzeugend, aber es war trotzdem Wahnsinn. Sie hatte keine Chance gegen diesen Verrückten, und selbst wenn…

«Ich will dich nicht auch noch verlieren«, sagte er leise.

Mabel lächelte. Noch eine letzte Sekunde stand sie einfach da und blickte ihn an. Dann streckte sie plötzlich die Arme aus, zog seinen Kopf zu sich herab und küßte ihn, ehe sie mit weit ausgreifenden Schritten auf das Schiff zurannte.

Die Gestalt am Bug des Nagelfahr fuhr herum. Thors Hammer hob sich, als Erich die Bewegung bemerkte.

«Erich!«brüllte Indiana.

Erich zögerte. Sein Blick irrte unentschlossen zwischen Indiana Jones und Mabel hin und her, dann grinste er plötzlich, senkte den Hammer wieder und drehte sich zu Indiana herum. Offensichtlich fühlte er sich absolut sicher.»Was wollen Sie, Dr. Jones?«schrie er.

Indiana hob die Peitsche; eine fast lächerliche Geste angesichts der fürchterlichen Waffe, die in den Händen des Wahnsinnigen lag. Aber sie wirkte. Erich lachte schrill und konzentrierte sich nun ganz auf ihn.

«Kommen Sie von diesem verdammten Ding herunter, und kämpfen Sie wie ein Mann«, schrie Indiana.»Oder haben Sie Angst vor mir?«

Erichs Lachen wurde noch schriller. Er schwenkte Thors Hammer in der rechten Hand, ließ spielerisch zwei, drei der grellgoldenen Blitze in den Himmel und das Meer zucken und schien sich köstlich über Indianas Drohung zu amüsieren. Dann erlosch sein Lächeln schlagartig. Er beugte sich vor, hielt sich mit der linken Hand an der Reling fest und streckte die andere mit der Götterwaffe drohend in Indianas Richtung aus.

«Strapazieren Sie meine Geduld nicht noch mehr, Dr. Jones«, sagte er.»Ich hatte eigentlich vor, Sie am Leben zu lassen, damit Sie Zeuge dessen werden, was ich tue.«

Mabel hatte das Schiff erreicht. Zwischen ihr und dem hoch aufragenden Rumpf des Nagelfahr klaffte eine gut eineinhalb Meter breite Lücke im Eis. Indiana sah, wie sie ein paar Meter Anlauf nahm.

«Was werden Sie tun?«schrie er, um Erichs Aufmerksamkeit ganz auf sich zu ziehen.»Die Welt ins Chaos stürzen?«

«Ihr die Ordnung bringen, die sie braucht«, antwortete Erich zornig.»Ich weiß, daß Sie uns verachten, Dr. Jones. Ich weiß, daß die ganze Welt glaubt, wir seien größenwahnsinnig. Aber das stimmt nicht. Ich werde allen beweisen, wer die wahren Herren sind. Und daß auf dieser Welt kein Platz für Verräter ist.«

Sein Hammer stieß einen gleißenden Blitz aus, der diesmal genau auf das Unterseeboot zielte. Die Bewegung war zu hastig, um direkt zu treffen, der Blitz streifte den Turmaufbau; aber Indiana sah, wie schon diese flüchtige Berührung ausreichte, um die Panzerplatten des Rumpfes dunkelrot aufglühen zu lassen. Zwei- oder dreihundert Meter hinter dem U-Boot stieg eine kochende Dampfsäule aus dem Meer, und Erich lachte abermals schrill.

Mabel sprang, und Indiana ließ seine Peitsche knallen, im gleichen Moment, in dem sie mit einem dumpfen Geräusch gegen die bemalten Rundschilde an die Reling des Nagelfahr prallte und sich daran festklammerte.

«Sie sind ja verrückt«, schrie Indiana.»Sie wissen ja gar nicht, was Sie da tun, Erich. Kommen Sie zu sich! Die Kräfte, die Sie da entfesseln, werden uns alle vernichten.«