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«Bitte, Sir!«sagte er.»Ich wollte lediglich — «

Den Kerl interessierte nicht, was Indiana sagen wollte. Er schlug ohne Vorwarnung zu. Und sehr viel schneller als Indiana erwartet hatte. Hätte er die Pranken des Burschen nicht genau beobachtet, dann hätte ihn der erste Fausthieb sofort ins Land der Träume befördert. So zertrümmerte er nur die Seitenscheibe des Wagens, als Indiana sich im allerletzten Moment duckte und zugleich konterte.

Das Klirren der zerberstenden Scheibe mischte sich mit dem überraschten Keuchen des Burschen, als Indiana ihm die Faust unter das Kinn schlug.

Das Ergebnis entsprach nicht ganz Indys Absicht. Der Kerl wankte zurück und heulte vor Schmerz, aber das lag wohl eher daran, daß er sich die Hand an der Scheibe zerschnitten hatte. In seinen Augen loderte die pure Mordlust.

Plötzlich wußte Indiana, daß er sich auf keinen langen Faustkampf mit diesem Kerl einlassen durfte. Blitzschnell setzte er nach, boxte ihm zwei-, dreimal hintereinander in den Leib und setzte einen zweiten Hieb auf seine Kinnspitze.

Der Schläger wankte, schüttelte benommen den Kopf — und packte so blitzschnell zu, daß Indiana gar nicht wußte, wie ihm geschah, ehe er sich auch schon in der gleichen Lage befand wie Moto wenige Augenblicke zuvor: hilflos in den Fäusten des Burschen zappelnd und die Füße ein gutes Stück vom Boden entfernt.

Der Kerl hatte einen Griff wie ein Schraubstock. Indiana hörte, wie hinter ihm die Wagentür aufflog, als Tamara ihm zu Hilfe eilen wollte, und gleichzeitig wußte er, daß sie zu spät kommen würde. Wenn der Bursche auch nur ein einziges Mal mit seinen gewaltigen Pranken zuschlug, würde er in einem Krankenhausbett aufwachen; wenn überhaupt.

Erstaunlicherweise verzichtete er darauf, sondern schüttelte Indiana nur wild hin und her, wobei er ihn mit Nettigkeiten wie ›Schlitzaugenfreund‹ und ›Nudelfresser‹ titulierte.

Indiana hatte weitaus weniger Hemmungen als er und nutzte die Chance, die er hatte. Mit aller Kraft riß er das rechte Knie in die Höhe.

Der Kerl ächzte vor Schmerz. Seine Augen wurden groß und rund, während er Indiana losließ. Sein Unterkiefer klappte herunter.

Indiana klappte ihn mit einem aufwärts geführten Kinnhaken wieder hoch, sprang blitzartig zur Seite, als der Kerl sich krümmte, packte ihn an beiden Schultern und riß ihn ruckartig nach vorn. Das Gesicht des Burschen knallte gegen den Kotflügel des Wagens und hinterließ eine Beule, als er halb bewußtlos zur Seite kippte.

Indiana sprang einen Schritt zurück. Mißtrauisch und mit erhobenen Fäusten musterte er den Kerl einige Sekunden lang, ehe er sicher war, daß zumindest im Moment keine Gefahr mehr von ihm ausging.

Was nun nicht hieß, daß alles in Ordnung gewesen wäre. O nein, ganz und gar nicht.

Sein Blick begegnete dem Tamaras, als er endlich aufsah, aber er sah noch mehr: nämlich Moto, der mit schreckensbleichem Gesicht hinter der jungen Russin stand und fassungslos abwechselnd ihn und den stöhnenden Mann auf dem Boden ansah — und die Gesichter der Menschenmenge, die sich rings um sie und den Wagen gebildet hatte.

Die allerwenigsten davon sahen freundlich aus.

Einige blickten sogar ausgesprochen unfreundlich.

«Ich glaube, wir verschwinden besser von hier«, sagte Tamara, der dieser Umstand ebenfalls nicht entgangen war. Indiana nickte knapp, bückte sich noch einmal und zog den Schläger ein gutes Stück vom Wagen fort, damit sie ihn nicht überfuhren, ehe er hinter Tamara und Moto als letzter in den Mercedes stieg.

Irritiert und mit wachsender Beunruhigung sah er sich um.

Die Menschenmenge war weiter gewachsen, und einige waren bereits näher gekommen. Der Wagen war an drei Seiten umringt, und einige Männer machten bereits Anstalten, auf die Straße zu treten, um den Kreis zu schließen. Indiana konnte die Feindseligkeit der Menschen beinahe riechen.

«Was geht hier vor?«fragte er verwirrt.

Moto sagte ein paar rasche Worte auf japanisch zu seinem Fahrer, ehe er sich zu Indiana umwandte. Der Daimler rollte langsam los — sehr langsam, um niemanden zu überfahren, denn die Menge machte ihnen nur widerwillig Platz. Hände streckten sich nach dem Wagen aus, und böse Gesichter starrten zu ihnen herein. Jemand schlug sogar mit der Faust auf das Wagendach.

«Die politische Lage, Dr. Jones«, sagte Moto betrübt.»Im Moment hat sich eine gewisse Feindseligkeit meinem Volk gegenüber in Hongkong ausgebreitet, fürchte ich. «Er seufzte.

«Ich bin Ihnen zu tiefstem Dank verpflichtet, Dr. Jones. Ich weiß nicht, wie die Sache ohne Ihr Eingreifen ausgegangen wäre.«

«Schon gut«, antwortete Indiana, während er seine schmerzende Faust massierte. Es hatte nicht viel gefehlt, dachte er, und die Sache wäre auch mit seinem Eingreifen schlecht ausgegangen. So ganz verstand er im nachhinein selbst nicht, wieso es ihm so leichtgefallen war, mit diesem Riesenkerl fertig zu werden. Wahrscheinlich hatte er einfach nur Glück gehabt.

«Nein, es ist nicht gut«, widersprach Moto mit großem Ernst.»Ich stehe in Ihrer Schuld, Dr. Jones. Vielleicht gestatten Sie mir, als geringstes Zeichen meiner Dankbarkeit, Ihr Problem zu lösen, was die Unterkunft angeht. Sie und Ihre reizende Gattin sind selbstverständlich für die Dauer Ihres Aufenthaltes in Hongkong meine Gäste. «Er hob rasch die Hand, als Indiana widersprechen wollte.»Ich werde eine Ablehnung nicht akzeptieren, Dr. Jones.«

Indiana schwieg. Hundertprozentig traute er Moto noch immer nicht. Aber er wußte auch, wie überaus sensibel gerade Japaner in Fragen der Ehre waren. Außerdem war sein Angebot durchaus verlockend. Und es handelte sich ja wahrscheinlich nur um eine Nacht; allerhöchstens zwei.

Bevor Moto aus lauter Angst, daß er sein Angebot ablehnte, Seppuko begehen konnte, nickte er und drehte sich im Sitz herum. Der Wagen war schneller geworden und hatte sich mittlerweile gute hundertfünfzig Meter vom Hotel entfernt. Indiana erschrak, als er sah, wie groß die Menschenmenge vor dem EXCELSIOR mittlerweile geworden war. Immerhin machte der Pulk keine Anstalten, sie zu verfolgen.

Er war plötzlich nicht mehr sicher, ob es wirklich eine gute Idee war, Mr. Motos Gastfreundschaft anzunehmen.

Ganz und gar nicht.

Was Moto als ›bescheidenes Heim‹ bezeichnet hatte, entpuppte sich als ein palastähnlicher Komplex von Gebäuden japanischer Architektur, der auf einem Felsplateau hoch über den Dächern Hongkongs lag und sich hinter einer gut drei Meter hohen, stacheldrahtgekrönten Mauer verbarg. Indiana kam aus dem Staunen nicht mehr heraus, als der Wagen durch das elektrisch geöffnete Tor rollte und sich einem Gebäude näherte, das inmitten eines riesigen Parks lag. Und sein Mißtrauen, das schon fast eingeschlafen war, flammte schlagartig mit solcher Heftigkeit auf, daß es beinahe weh tat. Der Park war keineswegs verlassen. Überall patrouillierten Wachen, die zwar keine Uniformen trugen, aber eindeutig das Gehabe und die Aufmerksamkeit von Soldaten hatten.

Moto lächelte, als er Indianas Gesichtsausdruck bemerkte.

«Ich bitte Sie, lassen Sie sich von den Wachen nicht irritieren«, sagte er.»Sie sind nur zu unserem Schutz hier. Und natürlich zu Ihrem, solange Sie meine Gäste sind.«

«So«, sagte Indiana einsilbig, während er sein Augenmerk auf das Gebäude mit dem ausladenden Dach richtete. Es hatte tatsächlich die Größe eines Palastes, aber beim zweiten Hinsehen kam es ihm eigentlich mehr wie eine Festung vor.

«Sagten Sie nicht etwas von einem ›bescheidenen Heim‹, Mr. Moto?«fragte er höflich, aber doch mit unüberhörbarem Mißtrauen in der Stimme.»Unter der sprichwörtlichen asiatischen Bescheidenheit habe ich mir eigentlich etwas anderes vorgestellt.«

«Sie haben recht, Dr. Jones«, antwortete Moto.»Leider gehört mir dieses Anwesen nicht. Auch ich bin hier nur Gast, wenn auch einer, dessen Gastgeber es schon vor einem Monat vorgezogen hat, Hongkong zu verlassen. «Sein Lächeln wurde etwas breiter.»Ich gebe zu, absichtlich ein wenig untertrieben zu haben. Ich konnte der Verlockung nicht widerstehen, Ihnen eine kleine Überraschung zu bereiten.«