Indiana starrte ihn böse an.»Sie sind gut informiert, Moto.«
«Ich bemühe mich«, antwortete Moto ruhig.
Indiana spürte, wie ihn schon wieder der Zorn packte.»Ich nehme an, daß wir hier sind, ist auch kein Zufall. Diesen Burschen vor dem Hotel — den haben Sie bestellt.«
«Selbstverständlich«, antwortete Moto.»Aber ich darf Ihnen noch einmal versichern, daß es nicht in meiner Absicht lag, Sie oder Miss Jaglova in Gefahr zu bringen. Was geschehen ist, tut mir aufrichtig leid.«
«Das reicht mir nicht, Moto«, sagte Indiana.»Tamara und ich haben uns auf Ihren Schutz verlassen. Wo war Ihre Privatarmee vor einer halben Stunde?«
Zum ersten Mal war es ihm gelungen, Motos stoische Ruhe zu erschüttern. Das Gesicht des Samurai zuckte. Etwas in seinem Blick änderte sich. Indiana spürte, daß er auf dem richtigen Weg war. Nach all den schrecklichen Ereignissen der letzten Minuten hatte er fast vergessen, daß er nicht nur einem Japaner gegenüberstand, sondern dem Vertreter einer uralten, traditionsbewußten Kaste, der Begriffe wie Ehre und Vertrauen über alles gingen.
«Die Verantwortlichen werden bestraft werden, das versichere ich Ihnen«, sagte Moto.
Aber Indiana ließ nicht locker.»Das reicht mir nicht!«wiederholte er.»Wir waren Ihre Gäste, Mr. Moto — oder wie immer Sie heißen mögen! Ich wurde niedergeschlagen und ausgeraubt und Tamara entführt, vielleicht getötet. Ist es das, was Sie unter Gastfreundschaft verstehen?«
Seine Worte trafen Moto wie Messerstiche. Der Japaner sah aus, als litte er körperliche Schmerzen, und wahrscheinlich machte er in diesem Moment tatsächlich die Hölle durch. Ein Europäer hätte Indiana wahrscheinlich nur irritiert oder höchstens betroffen angesehen — aber Moto war kein Europäer, sondern Japaner, ein Samurai noch dazu, den die Regeln des Bushido verpflichteten, die Sicherheit seiner Gäste über die eigene zu stellen. Der Verlust des Gesichtes führte bei Japanern nur allzu oft dazu, daß sie kurz darauf auch das Leben verloren; von eigener Hand.
«Ich versichere Ihnen, Dr. Jones, daß ich alles Erdenkliche tun werde, um Miss Jaglova gesund und wohlbehalten zurückzubringen.«
«Auch auf die Gefahr hin, Sie zu beleidigen«, sagte Indiana kalt und mit einer Geste auf das verwüstete Zimmer,»habe ich kein allzu großes Vertrauen mehr in das, was Sie alles Erdenkliche nennen. Sie werden Tamara zurückholen, aber nicht allein.
Ich werde Sie begleiten.«
«Das ist unmöglich«, sagte Moto, wurde aber sofort wieder von Indiana unterbrochen.
«Das ist es nicht. Ich bestehe darauf — und darauf, daß Sie mir endlich reinen Wein einschenken!«
«Sie verstehen nicht, Dr. Jones«, sagte Moto fast gequält.»Es geht nicht um eine Frage der Ehre oder irgend jemandes persönliche Sicherheit, sondern um eine politische Angelegenheit, deren Tragweite Sie sich kaum vorstellen können. Ich bitte Sie, bringen Sie mich nicht in eine ausweglose Situation, die Ihnen keinerlei Nutzen brächte.«
Indiana verstand, was Moto meinte. Und er verstand auch, daß er im Begriff war, zu weit zu gehen. Wenn er Moto richtig einschätzte, dann würde er vielleicht Harakiri begehen, um seine Ehre wiederherzustellen, sich aber ganz gewiß nicht von Indiana moralisch erpressen lassen. Besser, er schaltete einen Gang zurück.
«Sie haben behauptet, viel von mir gehört zu haben«, sagte er.»Wenn das die Wahrheit war, dann sollten Sie auch wissen, daß ich mich nicht um Politik schere.«
Moto sah ihn unentschlossen an. In seinem Blick war noch immer dieser fast gequälte Ausdruck.
«Sie sind auch hinter dem Schwert her, nicht wahr?«sagte Indiana.
Moto reagierte nicht. Aber sein Schweigen war Antwort genug.
«Und die Chinesen ebenfalls.«
Diesmal nickte Moto.
Indiana seufzte. Wie es schien, war Tamaras und sein Geheimnis wohl eines der meistbekannten Geheimnisse der Welt.
«Und das alles wegen eines alten Schwertes?«fragte Indiana zweifelnd.»Nur wegen einer Legende?«
«Es sind schon Kriege geführt worden«, sagte Moto,»aus ähnlichen Gründen. Außerdem ist es nicht nur ein altes Schwert. Sie kennen die Prophezeiungen, die sich um diese Waffe ranken?«
«Wer es findet, der soll das Mongolenreich zu neuer Herrschaft und Größe erwecken.«
«Nicht nur das Mongolenreich«, verbesserte ihn Moto.
«Ganz Asien. Die Legende sagt, daß es erst dieses Schwert war, das Dschingis Khan und danach seinen Söhnen die Macht gab, ein Reich zu gründen, das ganz Asien und halb Europa umfaßte.«
«Und Sie glauben den Humbug?«fragte Indiana.
«Was ich glaube oder nicht, spielt keine Rolle«, antwortete Moto ernst.»Die Menschen draußen im Land glauben es, und das ist wichtig. Ob die Legende nun wahr oder nur ein Märchen ist — wer dieses Schwert besitzt, der wird alle asiatischen Völker auf seiner Seite haben.«
«Und das sollte natürlich der Tenno sein«, sagte Indiana spöttisch.
«Wäre Ihnen Stalin lieber?«fragte Moto ernst.
«Immerhin ist er unser Verbündeter.«
«Ja. Noch«, antwortete Moto.»Aber wie lange? Bis Deutschland besiegt ist, und vielleicht noch ein paar Jahre danach? Bestimmt nicht länger. Dieser Mann ist kaum weniger verrückt als Hitler. Und beinahe noch machthungriger.«
«Aber, aber!«sagte Indiana spöttisch.»Wie reden Sie denn von Ihren Verbündeten, Mr. Moto?«
Moto machte eine fast zornige Geste.»Ich versuche nur, Ihnen klar zu machen, daß es sich hier um eine rein asiatische Angelegenheit handelt. Selbst wenn ich wollte, ich dürfte Sie gar nicht mitnehmen.«
«Sie haben keine andere Wahl, Moto«, sagte Indiana.»Sie behaupten zu wissen, wo Tamara ist? Ich glaube Ihnen sogar.
Aber was, wenn es Ihnen nicht gelingt, Tamara zu befreien oder wenn sie doch getötet wird?«
Moto schwieg. Aber er tat es auf eine ganz bestimmte Art und Weise, die Indiana klarmachte, daß er sich auf dem richtigen Weg befand.
«Sie wissen nicht, wo das Schwert ist«, behauptete er.»Sie haben nicht einmal eine Ahnung! Wüßten Sie es, dann hätten Sie sich kaum solche Mühe gegeben, uns hierherzulocken. Aber dummerweise haben sie nicht nur Tamara mitgenommen, sondern auch all ihre Aufzeichnungen.«
Moto blickte ihn finster an.»Und?«
«Ich hatte Zeit genug, sie mir anzusehen«, antwortete Indiana und tippte sich mit dem Zeigefinger gegen die Schläfe.»Es ist hier drin. Vielleicht nicht ganz so viel wie Tamara wußte, aber ich fürchte, ich bin im Moment der einzige, der Ihnen weiterhelfen kann.«
Beinahe eine ganze Minute lang schwieg Moto. Er starrte ihn an, aber sein Blick schien geradewegs durch Indiana hindurchzugehen. Dann fragte er:»Also? Was verlangen Sie?«
«Daß wir zusammenarbeiten«, sagte Indiana.»Bis wir Tamara gefunden haben, und auch danach. Wir werden das Schwert gemeinsam suchen.«
Moto lachte.»Sie sind verrückt, Jones! Sie glauben nicht im Ernst, daß ich Ihnen das Schwert des Dschingis Khan aushändigen würde? Einem Amerikaner!« Das letzte Wort sprach er aus wie eine Beschimpfung, und vielleicht war es das für ihn sogar.
Indiana zuckte unbeeindruckt mit den Schultern.»Warum nicht? Ich habe keine besonders hohe Meinung von Ihnen, ehrlich gesagt. Aber Sie sind ein Samurai, und ich weiß, daß Ihnen Ehre und Fairneß über alles gehen. Betrachten Sie es als fairen Wettstreit zwischen Ihnen und mir — oder wenn Sie wollen, auch zwischen Nippon und Amerika.«
«Das wäre kein fairer Kampf«, sagte Moto abfällig.
Indiana lächelte. Dann streckte er Moto die Hand entgegen.
«Der bessere Mann soll gewinnen.«
Sekundenlang zögerte Moto. Dann griff er zögernd nach Indianas Hand und drückte sie. Indiana spürte, wie ungewohnt ihm diese westliche Sitte war. Und wieviel Überwindung es ihn kostete.
«Und nun«, sagte er,»beantworten Sie mir ein paar Fragen.«