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«Was wollen Sie wissen?«

Indiana deutete auf die Toten.»Wer sind diese Männer, und wo haben sie Tamara hingebracht?«

Moto seufzte.»Ich bin nicht ganz sicher«, sagte er.»Wer sie sind, weiß ich. Sie gehören zu General Dzo-Lin. Er ist ein Anhänger Tschiang Kai-Tscheks. Ein tapferer Mann, der unseren Truppen in den Bergen im Norden seit Monaten erbittert Widerstand leistet. Ich nehme an, daß die Männer Miss Jaglova in sein Hauptquartier bringen werden.«

«Warum stehen wir dann noch hier herum?«fragte Indiana.

«Wir — «

Moto unterbrach ihn mit einer Geste.»Ich sagte, ich nehme an, Dr. Jones«, sagte er.»Nicht, ich weiß. Ich lasse bereits entsprechende Nachforschungen anstellen. Allerdings sind mir hier in Hongkong weitestgehend die Hände gebunden. Ich fürchte, ich werde mich auf den Weg in die nördliche Mandschurei machen müssen. Es wird ohnehin Zeit, daß jemand diesem Fanatiker Dzo-Lin das Handwerk legt.«

«Wir«, verbesserte ihn Indiana.»Wir werden uns auf den Weg machen, Moto.«

«Wie stellen Sie sich das vor?«fragte Moto.»In China herrscht Krieg! Ich kann nicht einen Amerikaner mitbringen! Man würde Sie sofort als Spion verhaften und erschießen. Und mich dazu!«

«Dann müssen wir uns etwas einfallen lassen, Mr. Moto«, sagte Indiana.

Schenjang Vier Tage später

Moto ließ sich etwas einfallen. Aber zu behaupten, daß Indiana von seiner Idee wenig begeistert war, wäre die Untertreibung des Jahrzehnts gewesen.

Er hatte Indiana davon überzeugt, daß es wirklich unmöglich für ihn war, in Begleitung eines Amerikaners bei einer Militäreinheit aufzutauchen, die sich in der Nähe der Chinesischen Mauer auf einen streng geheimgehaltenen Kommandoeinsatz gegen einen rebellischen General und dessen Guerilla-Armee vorbereitete. Die einzige Möglichkeit, ihn mitzunehmen, war, daß Indiana sich von einem Amerikaner in etwas anderes verwandelte.

Das sah Indiana ein und hieß es gut.

Was er nicht guthieß, das war die Verkleidung, die Moto ihm zugedacht hatte.

Indiana erhielt nie einen Beweis dafür, aber er war sicher, daß sich Moto bei der Wahl seines alter egos von einem subtilen Sinn für Humor leiten ließ, denn als sie vier Tage später vor der Militärkommandantur von Schenjang aus dem Lastwagen stiegen, der sie das letzte Stück des Weges transportiert hatte, trug Indiana ein graues, knöchellanges Gewand, das eine gewisse Ähnlichkeit mit einem Sack hatte und sich auch ungefähr so angenehm auf der Haut anfühlte. Seine Füße waren nackt und schmerzten höllisch, und sein Haar war fast gänzlich abrasiert worden. Trotz dieser Verkleidung hatte sein Gesicht noch immer wenig Ähnlichkeit mit dem eines Asiaten, aber Moto hatte sich auch dafür eine glaubhafte Erklärung einfallen lassen: Er gab Indiana als Deutschen aus, der der Welt und dem hektischen Leben in Europa den Rücken gekehrt und Zuflucht bei einem japanischen Orden gesucht hatte, der sich ganz der Suche nach der inneren Ruhe verschrieben hatte. Und dessen Mitglieder praktischerweise ein Schweigegelübde ablegten, bevor sie sich die Köpfe rasierten und dem Orden beitraten.

Das paßte Indiana noch sehr viel weniger. Während der letzten vier Tage und Nächte hatten sie China per Schiff, Flugzeug, Eisenbahn und Lastwagen im Eiltempo durchquert, aber sie waren während der ganzen Zeit praktisch nicht eine Minute allein gewesen. Mit dem Ergebnis, daß Indiana in den letzten vier Tagen kein Wort geredet hatte. Er hoffte, daß das Ergebnis die Mühe wert war.

Ein kalter Wind schlug ihnen entgegen, als sie aus dem Wagen stiegen. Indiana schauderte, zog den Kopf zwischen die Schultern und trat hastig einen Schritt zur Seite, als der Militärlaster anfuhr und Moto und ihn in eine Staubwolke hüllte. Er war erschöpft von der Reise, und seine Füße taten bei jedem Schritt entsetzlich weh; es hätte ihn nicht gewundert, hätte er blutige Abdrücke auf dem Lehm der unbefestigten Straße hinterlassen, als er Moto folgte, der mit weit ausgreifenden Schritten das Gebäude der Militärkommandantur ansteuerte. Es war ein großes, zweigeschossiges Haus mit ausladendem Dach, das früher vielleicht einmal als Tempel gedient hatte, dessen neue Verwendung jedoch unschwer an den wehenden Fahnen der japanischen Besatzungsmacht und den bewaffneten Posten in den dunkelbraunen Uniformen erkenntlich war, die rechts und links des Portals Aufstellung bezogen hatten.

Ein weiteres Frösteln durchlief Indiana, während er Moto einzuholen versuchte. Aber das lag möglicherweise nicht nur an der Kälte und dem Wind, der durch sein dünnes Büßergewand schnitt. Die Japaner hatten in der Stadt Furcht gesät, und sie war beinahe körperlich spürbar. Auf der Straße waren nur sehr wenige Menschen zu sehen, und diejenigen, die sich aus den Häusern getraut hatten, gingen schnell und mit gesenkten Blicken und wechselten zum größten Teil die Straßenseite, wenn sie Moto und ihn sahen. Da sie das Land in einer Art Eilmarsch durchquert hatten und Moto sozusagen nur mit dem Finger zu schnippen brauchte, um ein Flugzeug, ein Schiff oder einen Lastwagen zur privaten Verfügung zu haben, hatte er sehr wenig von China gesehen. Aber was er gesehen hatte, war schon genug. Von der sprichwörtlichen Lebenslust und Fröhlichkeit der Chinesen schien nichts mehr übriggeblieben zu sein. Trotz allem hatte Indiana das, was man den Japanern im allgemeinen nachsagte, bisher zumindest für übertrieben gehalten, aber während der letzten Tage waren ihm gewisse Zweifel gekommen. Er selbst hatte keine Greueltaten zu Gesicht bekommen, aber er hatte die Furcht unter der Bevölkerung der besetzten Städte und Dörfer gefühlt. Und er fühlte sie auch hier. Er fragte sich, ob Motos Einfall, ihm ein Schweigegelübde anzudichten, wirklich nur pure Gehässigkeit gewesen war — oder ob er damit etwa hatte verhindern wollen, daß Indiana zu viele Fragen stellte und möglicherweise zu viele Antworten bekam.

Moto und sein Diener, der unter der Last ihres Gepäcks beinahe zusammenbrach, blieben am Fuß der Treppe stehen.

Moto warf einen ungeduldigen Blick zu Indiana zurück. Indiana versuchte schneller zu gehen, aber er konnte es einfach nicht, ohne bei jedem Schritt vor Schmerz aufstöhnen zu müssen. Auch in diesem Punkt war er nicht ganz sicher, ob die Wahl seiner Verkleidung nicht doch von dem Hintergedanken geleitet gewesen war, ihm im Fall der Fälle das Weglaufen so unbequem wie möglich zu gestalten.

Einer der beiden Posten nahm sein Gewehr von der Schulter und trat Moto mit einem knappen, herrischen Wort entgegen, als sie die Treppe hinaufgingen. Moto antwortete nicht, zog aber ein Blatt Papier aus der Brusttasche seiner schmucklosen braunen Uniform und reichte es dem Soldaten. Dieser hatte kaum einen flüchtigen Blick darauf geworfen, als alles Blut jäh aus seinem Gesicht wich. Indiana speicherte auch diese Beobachtung sorgfältig. Es war nicht das erste Mal. Moto war bisher allen Fragen über seine Person geschickt ausgewichen, aber es war Indiana nicht entgangen, mit welchem Respekt der angebliche Diplomat behandelt wurde, sobald er irgendwo seine Papiere vorzeigte.

Der Soldat salutierte so zackig, daß er sich beim Zusammenschlagen der Hacken beinahe selbst von den Füßen gerissen hätte, und trat hastig zurück. Indiana folgte Moto, blieb aber dann noch einmal stehen und warf einen Blick auf die Straße zurück, denn er hörte Geschrei.

Ein kleiner Trupp japanischer Soldaten kam die breite Straße hinuntergelaufen. Sie zerrten zwei kahlgeschorene Männer in einfachen braunen Kutten mit sich — genauer gesagt, sie trieben sie mit derben Kolben- und Ellbogenstößen vor sich her, so daß die beiden armen Teufel mehr stolperten als gingen. Einer von ihnen stürzte dann auch tatsächlich und wurde von einem der Soldaten mit Faustschlägen und Fußtritten traktiert. Die anderen kommentierten den Zwischenfall mit gröhlendem Gelächter.

Indianas Miene verdüsterte sich. Er mußte sich auf die Zunge beißen, um sein Schweigegelübde nicht schon jetzt zu brechen.