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Sie verließen das Haus und traten auf einen weitläufigen, an drei Seiten von hohen Ziegelsteinmauern begrenzten Hof hinaus. Weit über hundert Soldaten hatten sich eingefunden, um dem Duell zuzusehen.

Indiana spürte, wie seine Knie weich wurden, als er seinen Gegner erblickte.

Er hatte nicht unbedingt einen Schwächling erwartet — aber das nun auch wieder nicht. Eigentlich hatte er bisher nicht einmal gewußt, daß es Japaner mit einer Körpergröße von weit über zwei Metern gab.

Aber es gab sie, und einem davon stand er jetzt gegenüber.

Die Schultern des Burschen waren ungefähr doppelt so breit wie seine eigenen, und die Muskelstränge auf seinen nackten Oberarmen waren dicker als Indianas Handgelenke. Sein Gesicht war breit und fleischig und hatte einen brutalen Zug, und seine Hände sahen aus, als zerschlüge er Eichentüren zum puren Zeitvertreib. Oder auch Köpfe.

Indiana blieb wie angewurzelt stehen, als er den Riesen erblickte. Er konnte spüren, wie das Blut aus seinem Gesicht wich.

«O verdammt«, flüsterte er, so leise, daß nur der unmittelbar neben ihm stehende Moto die Worte verstand.»Ich glaube fast, ich … ziehe es doch vor, diesen Kampf abzusagen.«

«Ich fürchte, das geht nicht, Dr. Jones«, sagte Moto bedauernd.»Sie würden Ihr Gesicht verlieren.«

«Das macht gar nichts«, versicherte ihm Indiana.»Wirklich, ich fühle mich sehr wohl als Feigling.«

«Sie verstehen mich nicht«, antwortete Moto.»Sie würden es wirklich verlieren. Sehen Sie diese Soldaten dort?«Er deutete auf ein halbes Dutzend Japaner, die ihre Gewehre schußbereit vor der Brust hielten. Indiana nickte.

«Sie haben Befehl, sofort und ohne Vorwarnung zu schießen, sobald einer der beiden Kontrahenten zu fliehen oder dem Kampf auszuweichen versucht. «Er sah Indiana stirnrunzelnd an.»Haben Sie Angst?«

Was für eine dämliche Frage, dachte Indiana.»Lobsang hat mir … ein paar Tricks gezeigt«, sagte er stockend. Moto sah ihn zweifelnd an, und Indiana teilte diese Zweifel durchaus. Gegen dieses Riesenbaby hätte er wahrscheinlich mit einem Maschinengewehr oder einem Flammenwerfer eine Chance gehabt; aber kaum mit bloßen Händen oder einem Schwert. Ich könnte ja versuchen, ihn totzugrinsen, dachte Indiana sarkastisch, während er versuchte, Lobsang mit Blicken aufzuspießen. Der Tibeter lächelte.

Indiana raffte all seinen Mut zusammen und trat durch den Kreis der Soldaten.

Sein Gegner blickte ihn an; mit unbewegtem Gesicht, aber einem bösen Funkern in den Augen. Gleichzeitig stieß er einen knurrenden Laut aus, der sich fast wie das Grollen eines zornigen Ochsen anhörte, und ballte die Hände zu Fäusten, die nicht viel kleiner als Indianas Kopf waren. Der Japaner war kein Riese, dachte Indiana erschüttert. Er war ein Berg von einem Mann. Ein Berg, der gleich auf ihn herabfallen und ihn zermalmen würde.

Der Japaner grinste, trat ein paar Schritte zurück und hob einen Knüppel, den Indiana gut und gerne als Balken bezeichnet hätte: Er war etwas dicker als Indianas Unterarme. Zwei-, dreimal ließ er seine Keule spielerisch durch die Luft pfeifen, dann packte er sie wieder mit beiden Händen — und zerbrach sie ohne die mindeste Anstrengung in drei gleichgroße Stücke.

Indiana schluckte trocken. Vor seinem inneren Auge sah er, wie dieser King-Kong-Verschnitt dasselbe mit seinen Armen machte.

«Keine Sorge«, flüsterte Moto neben ihm.»Der Kerl ist stark, aber dumm. Und wahrscheinlich nicht besonders schnell.«

Wie tröstlich, dachte Indiana. Fließende Lava war das meistens auch nicht. Trotzdem hatte er von keinem Fall gehört, daß es jemandem gelungen wäre, sie mit bloßen Händen aufzuhalten.

In der Erwartung, daß der Kampf nach diesen Präliminarien unverzüglich beginnen würde, hob Indiana die Fäuste, aber Moto hielt ihn mit einer raschen Handbewegung und einem Kopfschütteln zurück. Auf eine zweite Geste hin tauchten Hondo und drei weitere Japaner am Rande des mit roten Bändern markierten Kampfplatzes auf, allesamt herausgeputzt wie die Pfingstochsen und mit Gesichtern, als befänden sie sich auf dem Weg zu einer Beerdigung. Genaugenommen waren sie das ja auch …

Hondo sagte etwas auf japanisch, Moto antwortete in derselben Sprache, dann war wieder Hondo an der Reihe … Indiana gab es auf, aus Betonung und Mimik der beiden den Sinn dieses Gespräches erraten zu wollen, sondern nickte nur dann und wann, wenn Moto ihm ein Zeichen gab. Es folgte ein fast viertelstündiges Palaver, das im wesentlichen daraus bestand, daß sich die beiden Kontrahenten — auf dem Umweg über ihre Sekundanten — ihre gegenseitige Hochachtung aussprachen und die strikte Einhaltung der Regeln versicherten (von denen Indiana nicht die blasseste Ahnung hatte).

Schließlich blieb Indiana allein mit King Kong auf dem Kampfplatz zurück. Aus den Augenwinkeln bemerkte er, daß sich Lobsang und Tsangpo am Rand der abgesteckten Fläche auf die Knie herabließen und die Hände flach vor den Gesichtern gegeneinanderlegten. Ihre Lippen begannen eine monotone Formel zu murmeln, die ihnen wahrscheinlich helfen sollte, sich in religiöse Trance zu versetzen.

Indiana trat seinem Kontrahenten entgegen, verbeugte sich und riß das Knie hoch, als sich King Kong ebenfalls verneigte.

Fast zu seiner eigenen Überraschung traf er, obwohl er sich wunderte. Sein Knie landete wuchtig direkt in King Kongs Gesicht. Indiana keuchte vor Schmerz, so heftig hatte er zugestoßen.

King Kong nicht. Er tat Indiana nicht einmal den Gefallen zu wanken oder wenigstens ein ganz kleines bißchen zu zittern.

Seelenruhig richtete er sich auf und maß Indiana mit einem Blick, in dem sich Verachtung und hämische Schadenfreude mischten. Ein dünner Blutstrom rieselte aus seiner Nase. Er machte sich nicht einmal die Mühe, ihn wegzuwischen.

«Ommm …«murmelten Lobsang und Tsangpo einstimmig, und Indiana holte aus und schlug Kong die geballte Faust direkt auf die Kinnspitze.

Der Erfolg war beeindruckend.

Kong grinste, während sich aus den Reihen der Zuschauer höhnisches Gelächter erhob und Indiana auf einem Knie herumzuhüpfen begann und seine geprellte Faust gegen den Leib preßte.

Indiana fluchte lautlos in sich hinein, schüttelte den Schmerz aus seiner Hand, sprang in die Höhe, riß das rechte Knie an den Leib und stieß den Fuß dann mit aller Gewalt fast senkrecht nach oben.

King Kong trat lässig zur Seite und schnippte Indianas Fuß wie einen lästigen Moskito beiseite. Indiana überschlug sich in der Luft, landete unsanft auf dem Rücken und rang nach Atem.

Die zusehenden Soldaten gröhlten, und Lobsang und Tsangpo steuerten ein mißbilligendes» Ommm!«bei.

Die bunten Sterne vor Indianas Augen verblaßten allmählich, und er konnte wieder sehen. Konkret blickte er in King Kongs Gesicht, und was er darin sah, half ihm, schleunigst wieder auf die Beine zu kommen. Kongs Lächeln war erloschen.

Aus dem Spiel wurde ernst.

Als der Körper des Japaners wie eine Lawine auf ihn zurollte, begriff Indiana, daß es vorbei war. Er hatte nicht einmal mehr Zeit, Angst zu empfinden. Er hoffte nur, daß es schnell ging.

«Ommm …«summten Lobsang und Tsangpo.

Etwas sehr Sonderbares geschah. Obwohl die Stimmen der beiden Tibeter keinen Deut lauter waren als zuvor, hörte Indiana ihren Ton viel deutlicher; nicht lauter, aber irgendwie präsenter. Das Summen hielt an, wurde irgendwie … mächtiger, als durchdränge es plötzlich alles — und plötzlich wurde King Kong langsamer und langsamer, bis er sich nur noch im Zeitlupentempo auf Indiana zubewegte.

Es war, als wäre sein Körper plötzlich von einem unsichtbaren, zähen Sirup eingeschlossen, der jede seiner Bewegungen um das Zehnfache verlangsamte. Der Anblick verwirrte Indiana so sehr, daß ihn die Faust des Japaners um ein Haar trotzdem getroffen hätte.