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Moto machte eine wegwerfende Handbewegung und setzte zu einer höhnischen Antwort an, doch in diesem Moment klopfte es an der Tür hinter ihm, und jemand rüttelte ungeduldig am Griff. Moto runzelte verärgert die Stirn, zog den Riegel zurück und fuhr den Mann auf der anderen Seite der Tür an, noch bevor er sie ganz geöffnet hatte, brach aber dann mitten im Wort ab und lauschte mit immer besorgterem Gesichtsausdruck auf das, was ihm der Soldat zu sagen hatte.

Indiana warf Lobsang einen fragenden Blick zu. Der Tibeter kam unbemerkt von Moto einige Schritte näher und flüsterte, ohne die Lippen zu bewegen:»Irgend etwas geht draußen vor.

Sie wissen nicht genau, was es ist, aber sie sind beunruhigt.«

Moto hörte den Worten des Soldaten schweigend zu, dann schickte er ihn mit einem groben Befehl wieder fort, rief ihn aber nach einer Sekunde wieder zurück und setzte einige Worte hinzu, die Lobsang zu einem abermaligen, beunruhigten Stirnrunzeln veranlaßten. Diesmal übersetzte er Indiana die Worte des Japaners nicht.

Moto warf die Tür hinter sich ins Schloß.»Shambala, so«, knüpfte er übergangslos an das unterbrochene Gespräch an.

«Wissen Sie, Lobsang — ich kann mir eine Menge anderer Dinge vorstellen, als Ihnen das Herz aus dem Leib zu reißen, um zu erfahren, was ich wissen will. Und glauben Sie mir, ich würde keine Sekunde zögern, es zu tun. Aber ich denke, das wird nicht nötig ein. Sie werden uns ganz von sich aus erzählen, wo wir dieses Shambala finden.«

«Das werde ich bestimmt nicht«, sagte Lobsang ruhig.

Moto seufzte.»Tja, ich fürchte, dann wird das Schwert des Dschingis Khan wohl in wenigen Tagen in Dzo-Lins Hände fallen.«

«Wieso?«fragte Lobsang. Es gelang ihm nicht mehr ganz, weiter den Unbeteiligten zu spielen.

«Weil Dzo-Lin offensichtlich weiß, wo sich dieses ominöse Shambala befindet«, antwortete Moto lächelnd.»Der Gefangene hat nicht viel verstanden, aber er hat immerhin mitbekommen, daß Dzo-Lin dieses Wort mehrmals erwähnt hat. Und daß Miss Jaglova und er an Bord eines Flugzeuges gegangen sind, das auf einer kleinen Piste in den Bergen auf ihn gewartet hat. Sie haben fast die gesamte Innenausstattung herausgerissen, um Platz für Reservetanks zu schaffen. Können Sie sich vorstellen, wozu sie soviel Treibstoff brauchen?«

Lobsang schwieg verbissen, und Moto fuhr nach einigen Sekunden fort:»Es ist ein ziemlich weiter Weg bis zum Himalaya.«

«Ich glaube Ihnen nicht, göttlicher Sohn«, sagte Lobsang mit einer Stimme, die verriet, daß seine Überzeugung auch nicht mehr die stärkste war.

«Das ist auch nicht nötig«, sagte Moto herablassend.»Sie sind ein fähiger Mann, Lobsang, mein Kompliment. Aber Sie haben einen großen Fehler- Sie neigen dazu, Ihre Gegner zu unterschätzen.«

Erneut wurde an die Tür geklopft. Moto öffnete, und ein japanischer Offizier kam herein, beladen mit einem ganzen Arm voller Kartentaschen und Mappen, die er kommentarlos auf dem Tisch ablud. Moto bedeutete ihm mit einer Geste zu bleiben, warf Lobsang ein rasches, fast schadenfrohes Lächeln zu, und begann die Karten auseinanderzufalten und vor sich auf dem Tisch auszubreiten. Indiana sah ihm schweigend und reglos dabei zu, während Lobsang immer nervöser wurde.

Die Zeit verstrich quälend langsam. Moto blätterte die Karten sorgsam durch, wobei sein Blick manchmal an einer bestimmten Stelle für einen Moment hängenblieb, legte sie beiseite, nahm eine neue zur Hand, legte auch diese beiseite … und dann, als er bei der vorletzten Karte, einem komplizierten, offensichtlich handgemalten und mit japanischen Schriftzeichen übersäten Gebilde angekommen war, hellte sich sein Gesicht plötzlich auf.

«Shambala!«sagte er. Sein Zeigefinger stieß triumphierend auf eine bestimmte Stelle auf der Karte herab, und Lobsang hatte sich nicht mehr gut genug in der Gewalt, um nicht leicht erschrocken zusammenzuzucken.»Ich gebe zu, die Schreibweise ist ein wenig anders«, sagte Moto spöttisch,»aber ich werde freiwillig in euer Kloster eintreten und mir den Kopf kahlscheren lassen, wenn das nicht euer legendäres Shambala ist.«

Lobsang zögerte. Fast widerwillig trat er einen Schritt vor, sah mit steinernem Gesicht über Motos Schulter hinweg auf die Karte und richtete sich wieder auf.

«Es geht doch nichts über eine wirklich gute Luftaufklärungskarte, nicht wahr?«fragte Moto spöttisch.

«Das kommt darauf an, wofür man sie braucht«, sagte Indiana nachdenklich. Während der letzten Viertelstunde hatte er die Karten, die Moto eine nach der anderen durchgeblättert hatte, sehr aufmerksam betrachtet. Die meisten davon hatten ihm nicht viel gesagt, denn er war der japanischen Schrift ebensowenig kundig wie der Sprache, aber er hatte doch begriffen, daß es sich um sehr detailliertes Kartenmaterial handelte, das mit herkömmlichen Karten dieses Teils der Welt nur wenig gemein hatte.

«Wir sind immer gern gut informiert«, sagte Moto ausweichend.

«Ja«, murmelte Indiana.»Vor allem über die Länder, die Sie als nächste erobern wollen, nicht wahr? Steht Tibet schon auf Ihrem Programm? Und was dann? Indien?«

«Ich denke nicht, daß das im Moment zur Diskussion steht«, antwortete Moto lächelnd, faltete die Karte aber trotzdem eine Spur zu hastig zusammen und verstaute sie wieder in ihrer Mappe.»Im Augenblick interessiert mich nur dieses Kloster.

Beziehungsweise das, was sich in seinen Mauern befindet. Und ich denke, daß wir beides gefunden haben.«

Sein Blick heftete sich auf Lobsang.»Nicht wahr?«

«Ich weiß es nicht«, antwortete Lobsang unsicher.»Ein paar Striche auf einem Blatt Papier bedeuten nichts. Nur wenige wissen, wo Shambala liegt. Und ich gehöre nicht dazu.«

«Du bist ein verdammt schlechter Lügner, alter Mann«, sagte Moto. Aber er sagte es nicht zornig. Ganz im Gegenteil — er lächelte ein durchaus echtes, freundliches Lächeln, als er aufstand und dem Offizier, der die Karten gebracht hatte, einen Wink gab.»Trotzdem werde ich folgendes tun: Ich schenke dir das Leben. Und wenn ich zurück bin, dann werde ich dir von Shambala erzählen. Und Ihnen auch, Dr. Jones«, fügte er hinzu.

Indiana riß erstaunt die Augen auf.»Aber wieso — «

Moto unterbrach ihn mit einer Handbewegung.»Sie hatten recht, Dr. Jones. Ich hatte niemals vor, Sie bis zum Grab des Dschingis Khan kommen zu lassen.«

«Soviel zum Thema Ehrenwort«, murmelte Indiana.

Moto wirkte ein ganz kleines bißchen verärgert; aber nicht sehr.»Ein großes Wort, Dr. Jones«, sagte er.»Und glauben Sie mir, es fällt mir nicht leicht, es zu brechen. Aber Sie werden verstehen, daß es sich um eine Angelegenheit von solcher Wichtigkeit handelt, daß die Ehre und das Leben eines einzelnen dahinter zurückstehen müssen.«

«Sie verdammter — «, begann Indiana, wurde aber schon wieder unterbrochen.

«Bitte, Dr. Jones«, sagte Moto.»Machen Sie es nicht für mich und sich selbst noch schwerer, indem Sie mich beleidigen. Ich stehe weiter zu meinem Wort, daß sich weder Ihr noch das Leben von Miss Jaglova in Gefahr befinden. Sollte ich sie finden, werde ich sie mit zurückbringen. Es wird mir eine Ehre sein, Sie beide persönlich an Bord eines Schiffes der Kaiserlichen Marine zu begleiten, das Sie zu einem Hafen Ihrer Wahl fahren wird.«

Er straffte sich und gab dem Mann hinter sich einen zweiten Wink, woraufhin dieser seine Pistole aus dem Halfter zog und auf Indiana richtete.

«Bitte, folgen Sie dem Lieutenant«, sagte Moto.»Er wird Sie in Ihr Quartier begleiten.«

Sie wurden nicht mehr getrennt, sondern gemeinsam in die Hütte zurückgebracht, in der Lobsang bisher allein untergebracht gewesen war: Eine windschiefe Bretterbude, die aber zumindest den Luxus eines kleinen Kohleofens hatte, und sogar ein Fenster und ein richtiges Bett.

Indiana ließ sich wütend darauf fallen, verschränkte die Hände hinter dem Kopf und starrte eine ganze Weile lang die Decke an. Hinter seiner Stirn überschlugen sich die Gedanken.

Er war hin- und hergerissen zwischen Zorn und Enttäuschung, zwischen dem Bedürfnis, Lobsang einfach den Hals herumzudrehen, und einer tiefen Resignation, wie er sie bisher selten verspürt hatte. Nie zuvor war er an einen Gegner wie Toshiro Moto geraten. Der Mann war ihm bisher immer einen Schritt voraus gewesen, ganz egal, was er auch unternahm, und irgend etwas sagte ihm, daß es auch so bleiben würde.