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Aber Indiana war fast sicher, sich das spöttische Glitzern in seinen Augen nicht einzubilden.

«Du hättest mir verdammt noch mal helfen können«, sagte er vorwurfsvoll.

Lobsang lächelte milde.»Ich hatte den Eindruck, daß Sie ganz gut allein zurechtkommen, Dr. Jones«, antwortete er. Sein Lächeln wurde zu einem Grinsen.»Wenn der Moment einmal günstiger ist, dann müssen Sie mir Ihre Technik der Selbstverteidigung unbedingt beibringen. Sie ist sehr originell. Ungewöhnlich, aber durchaus wirksam.«

Indiana starrte ihn an und überlegte, ob er ihn mit einigen anderen ungewöhnlichen Techniken bekanntmachen oder ihm schlichtweg den Hals umdrehen sollte. Aber für solche Kindereien war nun wirklich nicht der richtige Moment.

Der Gedanke brachte ihn auf einen anderen, nämlich den, wieso trotz der zahlreichen Schüsse und Schreie niemand sonst auf sie aufmerksam geworden war.

Fast im gleichen Moment wußte er die Antwort. Das Chaos im Lager hatte noch zugenommen. Von überall her gellten Schreie und aufgeregte Rufe, und sein Gegner war längst nicht der einzige, der geschossen hatte. Auf der anderen Seite der kleinen Hüttensiedlung erklang das dumpfe, abgehackte Bellen eines Maschinengewehres, dazwischen die helleren, peitschenden Schüsse von Gewehren und Pistolen, und von weit her hörte er einen ganzen Chor brüllender Stimmen, die etwas riefen, das er nicht verstand. Er bückte sich, hob das Gewehr abermals auf und stellte mit einem einzigen Blick fest, daß es so gut wie leergeschossen war. Enttäuscht ließ er die Waffe wieder fallen und sah nach Norden, von woher das Geschrei kam.

Im ersten Moment erkannte er auch dort nichts außer Dunkelheit und bloßer, hektischer Bewegung, doch dann wurde ihm klar, daß in dieser Bewegung ein Muster war, ein irgendwie bekannter Rhythmus, in dem sich die Schatten und Umrisse vor- und zurückbewegten.

Und im gleichen Moment, in dem er diese Bewegung wirklich identifizierte, verstand er auch, was die näher kommenden Stimmen schrien:

«Temujin! Temujin! Temujin!«

Indiana runzelte verblüfft die Stirn. Temujin …?

«Wir sollten wirklich langsam unserer Wege gehen, Dr. Jones«, sagte Lobsang beinahe sanft.

Indiana hörte gar nicht hin. Sein Blick hing wie gebannt an den Schatten im Norden, Schatten, die er jetzt eindeutig als die von Reitern identifizierte, Dutzenden, Hunderten, wenn nicht Tausenden von Reitern, einer ganzen Reiterarmee, die sich den Berghang im Norden herunterbewegte und nur durch die große Entfernung langsam und schwerfällig schien.

Temujin — das war der eigentliche Name Dschingis Khans, der Name, den er getragen hatte, bevor ihm der Kaiser von China, dessen Reich einer von Temujins Söhnen später übernehmen sollte, zum Dschingis, zum Großen Khan machte.

Und obwohl Indiana die Angreifer noch immer nur als Schemen erkennen konnte, wußte er doch, wer sie waren. Es waren die gleichen Männer, die sie in Dzo-Lins Felsenkloster angegriffen hatten, die gleichen Männer, die Tamara und ihn in Washington überfallen und um die halbe Welt verfolgt hatten.

Dschingis Khans Horden. Die Hunnenreiter, die einmal den größten Teil der Welt erobert hatten und jetzt aus dem Abgrund der Zeit wiederauferstanden schienen, um die Herrschaft der Mongolen zu erneuern!

Zu dem unablässigen Rattern des Maschinengewehres gesellte sich jetzt der dumpfe Abschuß eines Mörsers, und kaum eine Sekunde später flammte zwischen den heranpreschenden Reitern eine grelle Feuerblume auf. Im lodernden Flammenlicht konnte Indiana erkennen, wie Menschen und Tiere beiseitegeschleudert, Pferde mitten im Galopp zu Boden gerissen und Reiter aus den Sätteln geschleudert wurden. Aber die anderen setzten ihren Weg unbeeindruckt fort. Eine zweite und dritte Granate explodierte inmitten des Reiterheeres, und auch das Maschinengewehr forderte einen grausigen Tribut von den Angreifern. Aber den Männern schien der Begriff Furcht fremd zu sein. Immer schneller und schneller werdend kam die Reiterarmee den Berg herab, und in das Rattern des Maschinengewehres, die gellenden Temujin-Schreie der Reiter und das dumpfe Krachen der Explosionen mischte sich jetzt ein dumpfes, immer lauter werdendes Grollen, wie das Dröhnen einer näherkommenden Flutwelle. Es war das Hämmern Hunderter, vielleicht Tausender Pferdehufe auf dem steinigen Boden. Und plötzlich brach das Rattern des Maschinengewehres ab. Der schrille Chor, der immer wieder Dschingis Khans Namen intonierte, verstummte, und an seine Stelle traten gellende Kampfschreie, das Klirren von Stahl und die dumpfen Laute aufeinanderprallender Körper. Das Reiterheer hatte das Lager erreicht.

Die Japaner schossen aus allen Läufen auf sie, und Indiana sah, wie die Hunnen zu Dutzenden aus den Sätteln stürzten.

Aber auch ihre Pfeile und Speere trafen mit erstaunlicher Präzision ihr Ziel, und immer öfter gelang es ihnen, Motos Soldaten in Zweikämpfe mit Schwertern und Bajonetten zu verwickeln, Waffen, mit denen sie den Japanern eindeutig überlegen waren.

Der Anblick war entsetzlich, aber gleichzeitig doch so bizarr, daß Indiana einfach wie gelähmt dastand. Hätte man ihm zehn Minuten vorher erzählt, daß eine Horde mit Schwertern und Speeren bewaffneter Mongolenreiter es mit einer der schlagkräftigsten und gefürchtetsten Armeen der Welt aufnehmen würde, hätte er einfach nur gelacht. Aber jetzt sah er es mit eigenen Augen: Die Japaner wichen Stück für Stück vor den heranrückenden Hunnen zurück. Es konnte allerhöchstens noch Minuten dauern, bis der letzte von ihnen geflohen oder gefallen war.

Lobsang berührte ihn an der Schulter und sagte noch einmaclass="underline" »Wir sollten wirklich gehen, Dr. Jones«, und daß genau in diesem Moment eine kurzstielige Axt in Indianas Richtung geflogen kam und sich kaum einen Meter vor seinen Füßen ins Erdreich bohrte, war zwar wahrscheinlich Zufall, unterstrich aber die Dringlichkeit von Lobsangs Worten auf sehr drastische Weise.

Indiana fuhr herum, machte zwei oder drei Schritte und blieb wieder stehen.

Sein Blick blieb an dem aufgetankten Transportflugzeug hängen, das startbereit neben den beiden Zeros auf der Landebahn stand. Auch davor und dahinter bewegten sich hektische Gestalten, aber die Pilotenkanzel schien noch immer leer zu sein.

«Was … haben Sie vor, Dr. Jones?«fragte Lobsang, als hätte er Indianas Gedanken gelesen. In seine Stimme hatte sich ein leiser, nervöser Unterton geschlichen.

Statt zu antworten, ergriff Indiana seine Hand und zerrte ihn einfach mit sich, während er loseilte.

Obwohl sich die Startbahn an der dem Angriff entgegengesetzten Seite des Lagers befand, schafften sie es nur mit Mühe und Not. Es war den Japanern nicht gelungen, eine wirkungsvolle Abwehr zu organisieren. Die zahlenmäßige Überlegenheit, aber auch der todesverachtende Mut der Angreifer schien Motos Soldaten völlig demoralisiert zu haben. Die, die bisher überlebt hatten, rannten einfach in kopfloser Panik durcheinander und suchten ihr Heil in der Flucht. Nur noch einige wenige schossen auf die Mongolen oder stellten sich mit Bajonetten und Schwertern zum Kampf, den sie allerdings in den meisten Fällen verloren. Auch Indiana wurde von einem japanischen Soldaten attackiert, der sich offensichtlich entschlossen hatte, auf alles zu schießen, was nicht die Uniform seiner Armee trug. Aber es gelang ihm, dem Mann mit einem gezielten Peitschenhieb die Waffe zu entreißen, woraufhin dieser auch noch das letzte bißchen Mut verlor und in die Dunkelheit davonstürzte.

Ohne noch einmal angegriffen oder aufgehalten zu werden, erreichten sie das Flugzeug. Indianas Herz machte einen Sprung, als er sah, daß die beiden Motoren bereits liefen. Ein Mann in schwarzer Fliegerkombination und Lederjacke trat gebückt durch die Tür, als Indiana die dreistufige Leiter hinaufstieg. Ein verblüffter Ausdruck breitete sich auf seinem Gesicht aus, als er Indy und den kleinwüchsigen Tibeter erblickte, und verwandelte sich in Schrecken, als Indiana ihn am Kragen seiner schwarzen Lederjacke packte und kurzerhand aus der Maschine zerrte. Sofort sprang er wieder hoch, aber er schaffte es nur auf ein Knie und die Hände, dann beugte sich Lobsang zu ihm herab und berührte ihn fast sanft an der Schläfe. Das Gesicht des Japaners erschlaffte. Er stürzte ein zweites Mal nach vorn und blieb diesmal liegen.