Выбрать главу

Es gibt Irrgänge und Fallen, hier.«

«Aber du bist schon einmal hiergewesen?«fragte Indiana.

Lobsangs Schweigen war Antwort genug.

«Nun, das kann ja heiter werden«, seufzte Indiana.»Hast du vielleicht noch mehr solcher Überraschungen auf Lager?«

«Ich verstehe Ihre Sorge, Dr. Jones«, antwortete Lobsang,»aber sie ist unbegründet. Wenn die Sonne aufgeht, werden wir ein wenig Licht haben, und dann finde ich den Weg. Man hat ihn mir genau beschrieben, keine Angst.«

«Oh, dann ist ja alles in Ordnung«, antwortete Indiana spöttisch.»Und ich hatte schon Angst, du hättest ihn nur in einer Vision gesehen.«

Lobsang schwieg einige Sekunden.»Wenn ich ehrlich sein soll …«, begann er, aber er sprach nicht weiter, als hätte er Indianas erschrockenen Gesichtsausdruck gesehen. Vielleicht hatte er es.

Im ewigen Eis. Am nächsten Morgen

Trotz allem schlief er so schnell ein, daß er sich am nächsten Morgen nicht einmal mehr daran erinnerte, wie Lobsang einen Platz zum Übernachten für sie gefunden hatte. Und er schlief erstaunlich gut; zumindest angesichts der Tatsache, daß er auf einem Bett aus Eis übernachtete.

Als er die Augen aufschlug, fand er sich in einer verzauberten, märchenhaften Welt wieder, die so fremdartig war, daß er sich im ersten Moment ganz ernsthaft fragte, ob er wirklich schon wach war oder vielleicht noch träumte.

Es war hell geworden, genau wie Lobsang gesagt hatte, aber es war ein sonderbares mildes, weiches Licht, das aus keiner bestimmten Quelle zu kommen schien, und es dauerte einen Moment, bis Indiana klar wurde, daß es das Eis selbst war, das leuchtete. Offenbar befand sich die Höhle nicht sehr tief unter dem Boden, so daß das Licht der Sonne bis hier hinabdrang. Bizarre Eisgewächse und Skulpturen hingen von der Decke oder wuchsen aus dem Boden, und etwas wie leuchtender Staub trieb in dünnen Schwaden durch die Luft und reflektierte das Licht, als wären Myriaden winziger Sterne in der Höhle verteilt. Von irgendwoher drang das Geräusch tropfenden Wassers an sein Ohr, aber selbst dieser Laut wurde von der verwirrenden Akustik dieser unterirdischen Märchenwelt verändert, klang fremd und wie sphärisch schwebend.

Dann hörte Indiana ein Geräusch, das ihm jäh klar machte, daß dies kein Traum war: Lobsangs Schnarchen.

Gähnend setzte er sich auf, wandte müde den Kopf und sah verwirrt auf den Tibeter herab, der sich neben ihm zusammengerollt hatte. Lobsang hatte sich wieder in sein Yeti-Kostüm gehüllt, um sich vor der schneidenden Kälte zu schützen. Indiana fand das etwas unpraktisch, aber er begriff gleichzeitig, warum er so gut geschlafen hatte: Das gefärbte Lamafell hatte nicht nur den Tibeter, sondern auch ihn gewärmt, und zwar ausgezeichnet. Und Lobsangs Yetis gepolsterte Schulter hatte auch ein ausgezeichnetes Kopfkissen abgegeben.

Indiana gähnte herzhaft, streckte die Hand aus und rüttelte Lobsang unsanft an der Schulter.

«He!«sagte Indiana.»Steh’ schon auf, alter Junge! Wir müssen die Welt retten!«

Lobsang schnarchte noch einen Moment weiter, dann drehte er schwerfällig den Kopf und blinzelte Indiana an. Gleichzeitig versuchte er mit einer ungeschickten, verschlafenen Bewegung Indianas Hand beiseitezuschieben.

«Nichts da!«sagte Indiana aufgeräumt.»Du kannst ausschlafen, wenn das hier vorbei ist. «Sehr viel ernster fügte er hinzu:»Nun komm’ schon. Wir haben viel zu viel Zeit verloren. Wenn Moto und seine Männer die Nacht über durchmarschiert sind, dann werden sie Shambala bald erreichen.«

Lobsang sah ihn noch einen Moment lang unentschlossen aus seinen nachgemachten Yeti-Augen an, aber dann schien er wohl einzusehen, daß Indiana recht hatte, denn er grunzte eine unverständliche Antwort und erhob sich unwillig. Seine Bewegungen waren die eines Mannes, der viel zu früh aus einem viel zu kurzen Schlaf geweckt worden war.

«Wie weit ist es bis Shambala?«fragte Indiana, während er sich mit den Händen gegen Schenkel und Oberarme schlug, um sich selbst ein wenig Wärme zu verschaffen.»Ich meine: Führen diese Gänge ganz bis dorthin, oder besteht die Gefahr, daß wir noch einmal aus dem Labyrinth müssen und auf Moto und seine Männer stoßen?«

Lobsang antwortete nicht, sondern schlurfte gebückt zu einer kleinen Pfütze aus Schmelzwasser, aus der er geräuschvoll zu trinken begann. Indiana betrachtete ihn stirnrunzelnd.

«Redest du nicht mehr mit jedem?«fragte er.

Offenbar war es so. Lobsang stillte geräuschvoll seinen Durst, dann richtete er sich wieder in eine halb gebückte Stellung auf, sah Indiana noch einmal aus seinen trüben roten Glasaugen an — und schlurfte mit hängenden Schultern davon.

«He!«rief Indiana.»Was hast du — «Er brach ab, grinste und wartete, bis Lobsang außer Sichtweite war.»Wenn du irgendwo Papier findest, laß mir etwas davon übrig!«rief er ihm aufgeräumt nach.

«Papier?«fragte Lobsangs Stimme.»Wozu denn, Dr. Jones?«

Hinter ihm.

«Zum — «Indiana keuchte, fuhr herum und starrte den Tibeter an, der kaum zwei Schritte hinter ihm aufgetaucht war und ihn verständnislos ansah.

«Lobsang!«murmelte er erschüttert.»Wo … wo kommst du denn … her?«

Lobsang deutete hinter sich.»Ich habe ein wenig den Weg erkundet, Dr. Jones«, sagte er.»Ich denke, ich werde den Weg nach Shambala finden. Die Beschreibung, die ich erhielt, war sehr präzise.«

«Den … Weg … erkundet?«murmelte Indiana stockend.

«Das heißt, du … du warst gar nicht … hier?«

«Ich war nicht sehr lange fort«, verteidigte sich Lobsang.»Allerhöchstens zehn Minuten.«

Indiana fuhr mit einem erstickten Laut herum und starrte in die Richtung, in der die zottige weiße Gestalt verschwunden war. Sein Herz sprang mit einem Satz bis in seinen Hals hinauf und hämmerte dort mit ungefähr dreihundert Schlägen in der Minute weiter.

«Was haben Sie, Dr. Jones?«fragte Lobsang besorgt.»Sie sind kreidebleich. Ist Ihnen nicht gut?«

«Nichts«, sagte Indiana.»Es ist … nichts. «Er zwang sich zu einem Lächeln, stand auf und drehte sich nach einem letzten, sehr langen Blick in den Eisstollen vollends zu Lobsang um.

«Es ist alles in Ordnung«, sagte er noch einmal.»Du hast den Weg gefunden, sagst du? Wie weit ist es noch?«

Lobsang warf einen langen, sehr mißtrauischen Blick in den Gang hinter Indy, ehe er antwortete.»Es ist noch ein gutes Stück, fürchte ich. Aber wir sind im Vorteil, denn wir können unter dem Berg hindurch gehen. Für Motos Männer wird der Weg um einiges beschwerlicher.«

«Dann sollten wir keine Zeit verlieren«, sagte Indiana nervös, ergriff den total perplexen Lobsang bei der Schulter und schob ihn fast gewaltsam vor sich her, bis Lobsangs Schritte sich den seinen angeglichen hatten. Der Tibeter sah sehr verwirrt aus. Aber er ging mit keinem Wort auf Indianas sonderbares Benehmen ein.

Indiana verlangsamte seine Schritte erst wieder, als sie sich ein gutes Stück von der Stelle entfernt hatten, wo er aufgewacht war. Lobsang setzte ein paarmal dazu an, ihn nun doch nach dem Grund seiner plötzlichen Eile zu fragen, aber es gelang Indiana jedes Mal, ihm geschickt auszuweichen.

Es war schwer, in dieser unwirklichen Welt aus Eis und erstarrter Kälte die Zeit zu bestimmen, aber Indiana schätzte, daß sie mindestens zwei Stunden unterwegs waren. Die Intensität des Lichtes schwankte stark. Ein paarmal bewegten sie sich durch fast vollkommene Finsternis, aber mehrmals wurde das Eis über ihren Köpfen auch so dünn, daß sie die Sonne wie einen blaßgelben Fleck mit verwaschenen Rändern darüber erkennen konnten. Zwei- oder dreimal verließen sie das Eislabyrinth auch ganz, ehe sie wieder in einen Tunnel oder eine Höhle eindrangen. Offensichtlich war diese unterirdische Welt nur zu einem kleinen Teil — wenn überhaupt — künstlich geschaffen worden.