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Sie ließ sich ebenfalls zu Boden sinken und glitt neben ihn.

Für ein paar Sekunden blickte sie das unscheinbare Päckchen nachdenklich an und zog dann eine Haarnadel hinter ihrem Nacken hervor. Verblüfft beobachtete Indiana, wie sie mit ihrer Hilfe das Klebeband weiter löste.

Ein kleines Zifferblatt wurde sichtbar. Der einzige Zeiger stand auf acht Uhr. Dann sah er eine dünne Schlaufe aus Kupferdraht, die mit einer ordinären Heftzwecke an der Unterseite des Tisches befestigt war.

Tamara nickte, und Indiana glaubte, fast so etwas wie grimmige Befriedigung auf ihrem Gesicht zu erkennen.»Siehst du?«fragte sie.

«Nein«, antwortete Indiana.»Was … meinst du?«

Tamara fuhr sich nervös mit der Zungenspitze über die Lippen, während sie mit der freien Hand auf den Kupferdraht und die Heftzwecke deutete.

«Eine unvorsichtige Bewegung, und BUMM!«

«Bist du … sicher?«fragte Indiana. Er hatte das Gefühl, daß das wahrscheinlich eine reichlich überflüssige Frage war, und Tamaras Blick sagte dasselbe. Ein Ausdruck leiser Verärgerung huschte über ihre Züge.»Nein«, sagte sie.»Es kann auch PENG! machen.«

«Wieso kennst du dich so gut damit aus?«fragte er stockend.

«Weil das Herstellen von Höllenmaschinen zur Grundausbildung sowjetischer Diplomaten gehört«, antwortete Tamara ärgerlich. Gleich darauf entschuldigte sie sich mit einem Lächeln für ihren Ton und setzte neu an:»Das war es ja, was ich dir die ganze Zeit über sagen wollte.

Ich war Sprengstoffspezialist in der Roten Armee, ehe ich zum Diplomatischen Corps versetzt wurde. Und jetzt halt den Mund und hilf mir. Drück mit dem Finger drauf. Aber nicht zu fest.«

Indiana tat, was sie von ihm verlangte. Sein Herz jagte. Und seine Finger zitterten heftiger, als ihm lieb war.

Aber auch Tamaras Ruhe war nur äußerlich, das spürte er. Ihr Atem ging schnell, und auf ihrer Stirn perlte kalter Schweiß.

Trotzdem bewegten sich ihre Finger mit der Sicherheit und Präzision eines Chirurgen, während sie den Sprengsatz von seinem Klebeband befreite und dann unendlich behutsam das Ende der Kupferschlaufe löste.

«Jetzt kommt der gefährlichste Moment«, sagte sie.»Halt ganz still.«

«Ich erstarre zur Salzsäule«, preßte Indiana hervor. Nach einer winzigen Pause fügte er hinzu:»Du hast doch Erfahrung mit dieser Art von Bomben? Ich meine, du hast so etwas schon einmal gemacht?«

«Nein«, antwortete Tamara.

Indy starrte sie an.»Aber du hast diese Dinger schon gesehen«, fügte er in einem Ton hinzu, der fast flehend klang.

«Nicht wahr?«

«Sicher«, antwortete Tamara.

Indiana atmete erleichtert auf, und Tamara schloß die Augen, atmete hörbar ein und sagte:»Vor ungefähr zwei Minuten das erste Mal. «Dann zog sie mit einem Ruck die beiden Drahtenden aus der Bombe.

Indiana hatte das Ende bereits vor Augen. Aber der grelle Blitz und das Krachen der Explosion, auf das er wartete, kamen nicht. Alles, was er hörte, war das leise, gleichmäßige Ticken des Zeitzünders.

«Sei vorsichtig damit«, sagte Tamara.»Sie ist immer noch scharf.«

«Ich denke, du hast — «

«— den Zünder entfernt, richtig«, fiel ihm Tamara ins Wort.

Ihre Stimme klang leise; gehetzt. Das Netz aus Schweißperlen auf ihrer Stirn war dichter geworden.»Aber nur den, der das Ding mit der Tischplatte verband. An den Hauptzünder komme ich nicht heran. Wer immer diese Bombe gebaut hat, versteht sein Handwerk.«

«Oh«, sagte Indiana.

«Sei froh«, sagte Tamara.»Wenn es nämlich ein Stümper war, dann explodiert das Ding möglicherweise zu früh. «Sie lächelte nervös, fuhr sich abermals mit der Zungenspitze über die Lippen und begann, das Päckchen mit spitzen Fingern vollends aus seinem Halt zu lösen.»Hilf mir«, sagte sie.»Und sei bloß vorsichtig. Nur keine Erschütterungen.«

Auf dem Rücken liegend schoben sie sich Millimeter für Millimeter unter dem Tisch hervor, das Bombenpaket an ausgestreckten Armen und mit allen vier Händen zugleich haltend.

Indianas Puls raste, und für einen Moment bildete er sich fast ein, daß allein das dumpfe Hämmern seines Herzens ausreichen mußte, die Bombe zur Explosion zu bringen.

Was natürlich nicht geschah. Nach einer Ewigkeit richteten sie sich — im Zeitlupentempo und halb gegeneinander gestützt — neben dem Tisch auf. Indiana legte das Paket vollends in Tamaras Hände und atmete erleichtert aus.

«Das wäre geschafft«, sagte er.

Tamara schüttelte den Kopf. Sie wirkte kein bißchen erleichtert.»Leider noch nicht«, sagte sie gepreßt. Sie deutete mit einer Kopfbewegung auf das Päckchen in ihren Händen.»Das Ding hat noch einen Zeitzünder.«

«Worauf steht er?«

«Acht Uhr«, antwortete Tamara.

«Und wie spät ist es jetzt?«

Tamara antwortete nicht — ganz einfach, weil in diesem Moment die große Standuhr draußen in der Halle damit begann, die achte Stunde zu schlagen …

Tamara erbleichte, und Indiana fuhr auf der Stelle herum, riß ihr das Päckchen aus der Hand und wirbelte zu dem großen Panoramafenster herum.

Er machte sich nicht die Mühe, es zu öffnen, sondern holte mit aller Kraft aus, schleuderte das Päckchen von sich und nutzte den restlichen Schwung seiner Bewegung, sich mit weit ausgebreiteten Armen auf Tamara zu werfen und sie mit sich zu Boden zu reißen. Mit einem ohrenbetäubenden Klirren flog der Sprengsatz durch das zerberstende Fenster.

Aber das Glas wäre ohnehin nicht heil geblieben.

Eine gewaltige Explosion ließ das Gebäude in seinen Grundfesten erbeben. Ein Blitz tauchte den Raum in taghelles Licht.

Glassplitter, vermischt mit Kies und Erde, regneten nieder oder bohrten sich wie tödliche Geschosse in Wände, Decke und Boden. Indiana preßte sich schützend gegen Tamara und öffnete den Mund, um die Druckwelle auszugleichen. Etwas zerschlitzte seinen Anzug und hinterließ eine brennende Schmerzlinie auf seinem Rücken, und draußen im Saal verwandelte sich das aufgeregte Murmeln der Menge in einen Chor gellender Schreie.

Dann war es vorbei.

Der Regen aus Glassplittern und Trümmern hörte auf, und für einen winzigen Moment schien eine vollkommene Stille über dem Gebäude zu lasten.

«Ich glaube, das war es, Dr. Jones«, sagte Tamara. In ihrer Stimme ein halb verärgerter, halb spöttischer Unterton.»Sie können jetzt von mir heruntersteigen, Dr. Jones.«

Hastig richtete sich Indiana auf, lächelte verlegen und sah leicht benommen durch die zerborstene Tür in den angrenzenden Saal.

Auch dort herrschte ein heilloses Durcheinander. Wer nicht von der Druckwelle oder der Erschütterung von den Füßen gerissen worden war, irrte kopflos umher und tat sein Bestes, um das Tohuwabohu noch zu verstärken.

Schließlich drängte sich eine Abteilung russischer Soldaten herein, angeführt von der imposanten Erscheinung des Botschafters.

Indiana klopfte Glas und Dreck von seiner lädierten Jacke.

Ein Blick nach draußen zeigte ihm, daß vom Park nicht viel übriggeblieben war. Wo sich der Diana-Brunnen befunden hatte, gähnte jetzt ein gut drei Yards tiefes Loch, aus dem sich Rauch emporkräuselte. Es roch durchdringend nach Schwarzpulver.

Ein paar kleinere Büsche hatten Feuer gefangen.

Aus den Augenwinkeln heraus registrierte Indiana die fassungslose Miene des Botschafters, als dessen Blick dem seinen folgte.

«Nun, Exzellenz«, meinte Indiana und rückte seine Fliege gerade.»Sie sind hoffentlich meiner Meinung, daß dieser Brunnen nicht der Inbegriff sowjetischer Kunst war, oder? Seien Sie dankbar, daß ich ihn entfernt habe.«

Sverlowsk starrte ihn aus hervorquellenden Augen an und schnappte nach Luft wie ein Fisch auf dem Trockenen, und Tamara hatte es plötzlich sehr eilig, Indiana beim Arm zu ergreifen und mit schon etwas mehr als sanfter Gewalt aus dem verwüsteten Raum zu zerren …