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Indy blätterte das restliche Informationsmaterial durch und studierte ein Dossier über Sarducci aufmerksam.

Sarducci, Leonardo. Italienischer Minister für das Altertum unter Benito Mussolini. Am 31. Oktober 1892 als Sohn einer Bauernfamilie in Fascati, Italien, geboren. Hat die staatliche Schule besucht und an der Sorbonne stu -diert, ist aber beim mündlichen Examen über die Literatur der Renaissance durchgefallen, weil er sich geweigert hat, sich der Autorität seines französischen Professors unterzuordnen. Hat später den Doktortitel von der Universität von Rom erhalten. Heiratete 1913 Mona Grimaldi. Hat in Rom an der Universität bis zum Ausbruch des Ersten Weltkrieges unterrichtet. Dann schloß er sich der italieni-sehen Armee als Hauptmann an. Hat im Schützengraben eine beinah tödliche Kopfverletzung erlitten. Kehrte nach seiner Entlassung nach Rom zurück. Unterdessen war seine Frau Mona während der Geburt an Blutvergiftung gestorben. Dieses Trauma, in Verbindung mit den mentalen Problemen, die von der Kopfverletzung herrührten, _ führte zu einer schweren Persönlichkeitskrise. Er begann öffentlich die Wissenschaft und Medizin zu kritisieren, was in einen brutalen Angriff auf den Mediziner mündete, der während der Entbindung sein er Frau zugegen gewesen war. Nachdem er den Arzt unter Drogen gesetzt hatte, hackte er ihm die Hände mit einem Fleischerbeil ab und behauptete, daß er sie offensichtlich nicht brauchte, da er sie zwischen den Untersuchungen zweier Patienten ohnehin nie wusch. Sarducci brachte die Jahre 1918 bis 1921 in einem Gefängnis ^ für kriminelle Geisteskranke zu, wo er seine Zeit damit verbrachte, eine Abhandlung über das Wissen des Altertums und eine Verunglimpfung des modernen Intellekts zu verfassen, der er den schlagkräftigen Titel >Der Irrtum der Empirie< verlieh. In der anti-intellektuellen Bewegung der Faschisten war dieses Buch ein Bestseller. Mussolini lobte das Werk über alle Maßen und machte aus Sarducci eine Art Volksheld, weil er an dem Doktor, der seiner Meinung nach die Schuld am Tod seiner Frau trug, Rache genommen hatte. Sarducci wurde nach Mussolinis Machtergreifung im Jahre 1922 aus dem Gefängnis entlassen und entwickelte sich zu einer Kultfigur mit außerordentlicher Macht innerhalb der ^ faschistischen Bewegung. 1927 wurde er zum Minister für Altertum ernannt und war ab dann so etwas wie der geistige Führer der_ faschistischen Agitation gegen die Sozialisten, Kommunisten, Katholiken, Liberalen und Intellektuellen.

Indy stieß einen Pfiff aus.

Es gab noch eine andere, kurze Akte über Italo Balbo, den geistigen Übervater der italienischen Flugzeugarmada, die den Atlantik überquert und Chicago und New York einen Besuch abgestattet hatte. Balbo war 1929 von Mussolini zum Luftfahrtsminister ernannt worden. Er hatte 1923 die italienische Luftwaffe ins Leben gerufen und 1930 Demonstrationsflüge nach Brasilien und kürzlich ähnliche Flüge in die Vereinigten Staaten organisiert. Balbo nannte seine Eliteeinheit atlantici. Diesen Männern eilte der Ruf voraus, die am besten trainierten Flieger Europas zu sein. Bal-bos Armada, bestehend aus vierundzwanzig SIAI-Marchetti SM.55A Flugzeugen (und Balbos persönlicher Maschine, einer SM.55X Experimental mit der Bezeichnung I-Balb), hatte eine transatlantische Tour durchgeführt, auf deren Route auch Chicago und New York lagen. An diesem Morgen um 5 Uhr 25 war die Flugzeugstaffel von Coney Island aus in Richtung Italien gestartet.

Balbo war bei jedem Streckenabschnitt mit Preisen und Ehrungen überhäuft worden. Auf dem Broadway war extra für ihn eine Parade inszeniert worden. Bei dieser Gelegenheit hatte er sich mit einer Rede im Madison Square Garden an sechzigtausend Zuschauer gewandt. »Italiener in New York«, hatte er ausgerufen, »Mussolini hat der Ära der Beleidigungen ein Ende gesetzt. Nun ist es wieder eine Ehre, Italiener zu sein. Respektiert unsere Flagge und das Sternenbanner. Unsere beiden Nationen, die in der Vergangenheit nie getrennt gewesen waren, haben nie enger zusammengestanden, und sie werden auch in der Zukunft nicht getrennt werden.« Balbo hatte mit Präsident Franklin Roosevelt im Weißen Haus zu Mittag gegessen. Seine Popularität daheim und in Übersee hatte Mussolinis Eifersucht geschürt - zumal man eine der großen Straßen in Chicago nach ihm zu benennen gedachte -, und es gab Gerüchte, daß der Duce mit dem Gedanken spielte, ihn bald ins Exil zu schicken, als Gouverneur von Libyen oder einer anderen italienischen Kolonie in Nordafrika.

Auf einer Fotografie war die I-Balb mit folgender Information abgelichtet: SM.55X. Langstreckenflugzeug. Antrieb: zwei 12-Zylinder Motoren, wassergekühlt, mit achthundert PS. Flügelspannweite: 78 Fuß, 9 Inch. Länge: 54 Fuß. Gewicht: 22 000 Pfund. Besatzung: vier. Reichweite: 2400 Meilen. Die Zahlen schienen vor Indys Augen zu verschwimmen, als er den letzten Satz las: Fluggeschwindigkeit: 149 Meilen pro Stunde. Indy fluchte laut vor sich hin.

Er sah die Unterlagen durch, bis er eine Karte fand, auf der die Flugroute der Armada eingezeichnet war. Anstatt direkt von New York nach Rom zu fliegen, was außerhalb der Reichweite der SM.55-Maschinen lag, hielten sie sich an den Küstenverlauf Nordamerikas, um in Neuschottland aufzutanken. Von dort aus traten die Italiener einen gefährlichen, 1700 Meilen langen Flug zum Auftanken nach Pon-ta Delgada an, einer Insel im Nordatlantik. Und von dort aus ging es 1000 Meilen weiter nach Lissabon. Auf dem letzten Streckenabschnitt quer über das Mittelmeer in Richtung Rom waren weitere 1400 Meilen zurückzulegen.

»Die sind schneller als wir«, sagte er laut. »Aber dafür müssen sie zweimal zum Auftanken landen, während wir in einem Rutsch durchfliegen.«

Indy machte es sich in der Koje bequem und begann nachzudenken. Das leise Brummen der Motoren war ihm angenehm. Daß sie sich fortbewegten, spürte er nicht. In dieser Kabine war es genauso ruhig wie in seinem Bett in dem kleinen Mietshaus in der Chestnut Street in Princeton ...

Irgend etwas riß Indy aus schweren Träumen. Vielleicht das Absinken in ein Luftloch oder ein gedämpftes Quietschen. Blitzschnell setzte er sich auf, hielt in der Dunkelheit die Hände hoch und berührte sein Gesicht, als müsse er sich versichern, daß sie immer noch da waren. Wie erschlagen stolperte er zum Kabinenfenster. Der Mond schimmerte am dunklen Nachthimmel. Unter ihm lag die glitzernde See. Ein phosphoreszierendes V, das auf geheimnisvolle Weise von einem Schiff hervorgerufen wurde, zeichnete sich auf der Wasseroberfläche ab. Es konnte sich dabei nur um aufgeschäumtes Kielwasser handeln. Im Osten lauerte eine Sturmfront. Neonpinkfarbene Blitze leuchteten für Sekundenbruchteile zwischen den dunklen Wolken auf.

»Sind Sie in Ordnung, Professor?« erkundigte sich O'Toole und steckte den Kopf durch die Kabinentür.

»Ich glaubte, etwas gehört zu haben«, sagte Indy. »Irgendwo hat es geklopft.«

»War bestimmt nur ein Luftstoß«, beruhigte O'Toole ihn. »Wir halten auf einen Sturm zu.«

Indy nickte.

»Hungrig?« fragte O'Toole. »Sie haben das Abendessen verschlafen.«

»Ich könnte ein Pferd verschlingen«, erwiderte Indy. Er sammelte die Berichte des Militärischen Geheimdienstes zusammen, verstaute sie in seinem Sack und warf ihn über die Schulter. Dann folgte er O'Toole in die Messe.

»Wo sind wir?« Er fiel über einen Teller mit Speck und Bohnen her.

»Mitten über dem Atlantik. Noch nicht ganz die Hälfte haben wir hinter uns. Das Wetter wird sich verschlechtern und somit verlängert sich auch unsere Flugzeit.«

»Sagen Sie mir, besteht momentan die Möglichkeit, die

Macon zu verlassen oder an Bord zu gehen?« fragte er zwischen zwei Bissen. »Ich meine, kann einer der Sparrow-heads landen oder starten?«