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»Einmal abgesehen von Alistair habe ich keine Verwandten«, sagte sie. »Wir müssen zusammen gehen.«

»Das ist zu gefährlich.«

Alecias Augen verengten sich zu schmalen Schlitzen.

»Es war mein Apartment, das sie in die Luft jagen wollten«, sagte sie. »In dieser Sache sind wir Partner, ob es Ihnen nun paßt oder nicht. Ich werde Sie auf jeden Fall nach Rom begleiten.«

Indy zögerte. Sie trat dicht an ihn heran und legte die Hände auf seine Arme. Ihre Lippen streiften seine.

»Sie brauchen mich, Dr. Jones.«

»Jetzt machen Sie aber mal halblang -«

»Sie können Voynich nicht lesen«, gab sie zu bedenken. »Ich hingegen schon. Alistair hat es mich gelehrt. Es ist eigentlich ganz einfach, wenn man erst mal ein Gefühl dafür entwickelt hat. Und wenn man im Besitz von diesem hier ist.«

Sie holte den Obsidian aus ihrer Tasche.

»Der Vorhersagestein.«

Sie eilten die Treppe hinunter, verließen das Wohnhaus durch den Hintereingang und schlichen durch die kurvenreiche Gasse. Einmal glaubte Indy, daß sie verfolgt wurden, aber nachdem sie eine Viertelstunde in einer dunklen Nische ausgeharrt und nichts Auffälliges bemerkt hatten, gingen sie weiter.

»Wir sind in Sicherheit«, sagte Alecia. »Dort hinten ist niemand.«

»Vielleicht«, sagte Indy und trat ins Licht hinaus. Er rieb sich die Augen. »Hören Sie, ich habe heute noch nicht gegessen. Ich muß unbedingt was zu mir nehmen. Gibt es in der Nähe ein Restaurant?«

»Um die Ecke ist ein Pub.«

»Sie wissen, wo wir sind?« staunte er. »Das scheint mir eine ziemlich finstere Gegend zu sein.«

»Das hier ist London, Dr. Jones. An jeder Ecke gibt es einen Pub.«

Und sie hatte sich nicht geirrt. Ein paar Minuten später stießen sie auf ein Schild mit dem Namen dark horse. Sie nahmen auf einer der Holzbänke Platz, tranken lauwarmes Bier und ertrugen die unverhohlen neugierigen, manchmal feindseligen Blicke der Arbeiter, während sie auf Indys Essen warteten.

»Kommt mir vor, als seien wir Goldfische in einem Glas«, beklagte er sich.

»Wir fallen nicht auf«, entgegnete Alecia und wischte mit dem Handrücken den Bierschaum aus dem Mundwinkel. »Sondern nur Sie.«

»Sind Sie schon mal hier gewesen?«

»Nein, noch nie. Aber ich füge mich nahtlos ins Bild ein. Sie nicht. Diese Menschen haben einen ausgeprägten Sinn für ihr Revier. Und Außenseiter können sie nun mal nicht leiden.«

»Prima.«

»Sie sagten, Sie möchten essen.«

»Ich hänge aber auch sehr an meinen Zähnen, zumal ich sie zum Essen brauche«, meinte er.

»Sie benehmen sich wie ein kleines Kind«, sagte Alecia. Sie lächelte wissend den finster dreinblickenden Männern an der Bar zu, als würden sie zusammen über einen Witz lachen, dessen Pointe nur sie verstanden. Damit stellte sie so etwas wie eine unausgesprochene Vereinbarung mit den anderen Gästen her, vor allem mit einem besonders rüde aussehenden Kerl in einem ausgeleierten Wollpulli und mit grauer Kappe, der sie mißmutig beäugte.

»Da gibt es etwas, das mich neugierig macht«, verriet Indy.

»Noch mehr Fragen?«

»Ja. Warum braucht es beide, Flamel und seine Frau, um Gold zu machen ?« Indy brach ab, weil ihm von einem Barmädchen ein Teller mit dampfendem Fleisch und Kartoffeln gebracht wurde. Auch die junge Frau schien von seiner Anwesenheit nicht sehr erfreut zu sein. »War er allein nicht dazu in der Lage?«

»Das ist schwer zu beantworten«, sagte Alecia vorsichtig.

Indy stach seine Gabel in das Fleisch.

»Sie müßten mehr über Alchemie wissen, um solch eine komplexe Materie begreifen zu können«, meinte sie.

»Stellen Sie mich auf die Probe«, schlug Indy vor, obwohl er sich ganz und gar auf seine Mahlzeit konzentrierte.

»Na gut. Aber dann müssen Sie mich schon ansehen, Dr. Jones.«

Ihre Blicke trafen sich.

»Nein«, sagte er, den Blick abwendend. »Ich werde es nicht zulassen, daß Sie wieder diesen Trick mit Ihren Augen machen. Obwohl ich zu wissen vermute, wie Sie das anstellen. Die Verwandlung erfordert die Hilfe einer soror mystica, nicht wahr?«

Alecia lief rot an.

»Das dachte ich mir schon«, sagte er. »Nun, geheimnisvolle Schwester, sprechen Sie zu mir.«

Der Mann mit der grauen Kappe knallte sein Bier auf die Theke. Mit verschränkten Armen schlenderte er durch den Raum und baute sich breitbeinig vor ihnen auf. Er wog sicherlich an die zweihundertfünfzig Pfund, und wenn es auch so aussah, als wollten die Knöpfe in der Bauchregion jeden Moment von der Jacke platzen, sahen seine Arme und Schultern muskulös und durchtrainiert aus. Indy hielt ihn für einen Schmied, zumal seine Fäuste die Größe von Ambossen hatten.

»Fällt Ihnen dieser Yank auf die Nerven, Miss?« fragte der große Mann.

»Nein«, entgegnete Alecia. »Aber danke, daß Sie nachgefragt haben.«

»Ich kann Yankees nicht ausstehen«, sagte der Mann. »Und schon gar nicht solche, die ihren Hut in Gegenwart von Damen aufbehalten. Am liebsten würde ich dir die Fresse polieren.«

»Entschuldigen Sie, mein Freund«, sagte Indy. Freundlich lächelnd legte er den Fedora auf den Tisch. »Ist es so besser?«

»Entschuldige dich bei der Lady.«

»Okay. Nun, Miss Dunstin, ich möchte mich bei Ihnen entschuldigen. Sind wir nun fertig?«

»Noch nicht ganz«, erwiderte der große Mann. »Dein schiefes Grinsen gefällt mir nicht. Ich bin noch unentschlossen. Ich glaube, ich werde dir trotzdem die Fresse polieren.«

»Nun, mit einer Sache liegen Sie ganz richtig. Mehr als Unentschlossenheit ist bei Ihrem Verstand nicht drin«, sagte Indy.

Der Mann packte Indy am Kragen und zog ihn mit einer Leichtigkeit von der Holzbank, als trage er einen Sack Kartoffeln. Indy ballte die Hand zur Faust, doch bevor er zuschlagen konnte, klatschte Alecia in die Hände und begann in einer Sprache zu reden, die vage an Rumänisch erinnerte und die Indy nicht verstand.

Der große Mann schaute auf einmal völlig verdutzt. Er ließ Indy los, so daß er hinfiel. Dann setzte er seine Kappe ab und sprach mit Alecia kurz in dieser fremden Sprache.

»Tut mir leid«, wandte er sich an Indy, bevor er zur Theke zurückkehrte.

»Was haben Sie denn gesagt, Himmel noch mal?« Indy stand auf und klopfte den Staub aus seinen Kleidern. »Und was für eine Sprache war das? Ich habe das noch nie zuvor gehört.«

»Das ist Shelta Thari. Die Sprache der Kesselflicker. Es ist die alte Sprache der Kelten und wird immer noch von denen gesprochen, die die Geheimnisse des Metalls kennen.«

»Und das hat auch etwas mit dieser Tätowierung auf Ihrem Hals zu tun, nicht wahr?«

»Ja«, antwortete sie knapp.

»Sie haben mir noch nicht alles gesagt, meine Liebe.«

Alecia wandte den Blick ab.

»Sie sind noch etwas anderes als nur Alistairs Schwester, vermute ich«, sagte Indy und beugte sich über den Tisch. »Sie sind seine soror mystica, seine geheimnisvolle Schwester. Alistair braucht Sie - allein kann er kein Gold machen. Was natürlich nicht heißen soll, daß ich Ihnen etwas von diesem Geschwafel abkaufe. Ich weiß nur, daß Sie bis zu Ihrem hübschen, tätowierten Hals in dieser Sache drin-stecken. Vielleicht hatten Sarduccis Schläger gar nicht vor, uns beide zu töten - möglicherweise waren sie wirklich nur hinter mir her. Weil sie Sie brauchen.«

Alecia schüttelte energisch den Kopf und schaute ihm tief in die Augen.

»Dr. Jones, Sie müssen mir glauben.«

Indy schaute weg.

»Nein«, sagte er, »das muß ich nicht. Aber die eigentliche Frage lautet: An was glauben Sie, Miss Dunstin?«

»Meine Loyalität gilt ausschließlich Alistair.«

»Und wie steht es mit seiner Loyalität?« fragte er nach.