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Indy zuckte mit den Achseln.

»Die haben doch Waffen«, sagte er. »Und außerdem würden sie es nicht wa -«

Maschinenpistolenfeuer unterbrach ihn. Mit einem Satz ging er hinter dem Bagger in Deckung. Während die großen Kugeln gegen die Schaufel prasselten, knieten er und Alecia mit eingezogenen Köpfen auf dem Boden.

Indy schüttelte den Kopf und legte schützend die Hände auf die Ohren. Der Lärm war kaum zu ertragen.

»Würden es nicht wagen, hm?« spottete Alecia erzürnt.

»Was?« fragte er.

»Ich sagte, ich halte Sie für einen dickköpfigen verblendeten amerikanischen Dummkopf!«

»Was?« fragte er.

Wieder donnerte eine Salve gegen die Schaufel.

»Es dauert nicht mehr lange, bis die uns fertigmachen. Und zwar bevor uns jemand zu Hilfe eilt«, schätzte Indy ihre Situation ein.

Alecias Augen funkelten wütend.

»Wer kann sie aufhalten?« fragte Indy. »Ich habe noch fünf Schuß Munition übrig und die haben - wieviel? - vielleicht ein paar hundert.«

»Das nenne ich hohl«, beschwerte sie sich lautstark. »Sie sind dumm. Kapiert? Hohl!«

»Hohl? Was ist hohl? Fässer?« fragte er. Seine Augen leuchteten auf. »Glauben Sie, daß in denen noch was drin ist?«

Indy kroch um die Schaufel herum und gab zwei Schüsse auf den Haufen entsorgter Fässer ab. Als die anderen zurückschössen, kehrte er schnell zu Alecia zurück.

»Nichts«, murmelte er. »Die können doch nicht alle leer sein, oder?«

»Was?« fragte Alecia.

Indy wartete, bis sich das Maschinenpistolenfeuer legte und holte dann tief Luft.

Er hob den Kopf und gab einen Schuß ab.

Nichts passierte.

»Tut mir leid. Jetzt haben sie uns. Und ich habe nur noch zwei Kugeln übrig. Wenn ich Ihnen ein Zeichen gebe, rennen Sie weg und zwar schnell. Ich kann sie nur für ein paar Sekunden in Schach halten.«

Alecia packte ihn am Kragen seiner Lederjacke, zog ihn ganz dicht heran und küßte ihn heftig auf den Mund. Ihre Lippen waren warm und feucht, und er konnte ihr Parfüm riechen - es erinnerte ihn an Honigblüten - und ihren Schweiß und ihre Angst. Indy wäre beinah die Waffe aus der Hand gefallen.

Doch dann ließ sie ihn los.

»Ich werde bei Ihnen bleiben.«

Der Mann mit der Zigarre kletterte über den Zaun. Seine Begleiter mit den Maschinenpistolen warteten schon auf der anderen Seite. Mit einem Zeichen gab er ihnen zu verstehen, daß sie vorrücken und der Sache ein Ende bereiten sollten, ehe Hilfe von außen kam.

Luigi nahm einen letzten Zug von seiner Zigarre, bevor er sie gedankenverloren wegwarf. Als er seinen Fehler erkannte, blieb er abrupt stehen und beobachtete gebannt, wie die glühende Zigarre wie im Zeitlupentempo in eine Pfütze neben einem lecken Benzinkanister fiel.

Luigi rannte los und sprang über den Zaun.

Unter lautem Getöse explodierten die anderen Fässer und tauchten die Männer mit den Maschinenpistolen in die schwarzgeäderte Blüte einer orangenen Stichflamme. Geistesgegenwärtig zog Indy den Kopf ein. Er spürte, wie die Hitze der Explosion über die Baggerschaufel wogte.

Alecia riß vor Angst die Augen weit auf.

»Kopf runter«, ermahnte Indy sie. »Und nun losschnell!«

Mit gesenktem Blick hetzten sie durch den Schutt auf dem Schrottplatz, quer über den Hof in Richtung Eingang. Mit einem kurzen Metallrohr brach Indy die Eisenkette auf, die das Tor zusammenhielt. Hinter ihnen loderte das Feuer, doch von den Mauern begrenzt, konnte es sich nicht weiter ausbreiten. In der Ferne hörte man Sirenen.

Bevor er das Tor öffnete, hielt Indy kurz inne.

»Ich denke, jetzt heißt es Abschied nehmen. Sie müssen gehen«, sagte er.

»Ich denke auch«, meinte sie.

»Es sei denn ...«, begann er.

»Nein. So ist es vernünftiger. Was dort hinten geschehen ist -«

»Der Kuß -«

»Richtig«, sagte sie und strich sich das Haar aus den Augen. Das Gewicht des Vorhersagesteins in ihrer Handtasche spürte sie ganz deutlich. »Hören Sie, das hat nichts bedeutet. Das war impulsiv, dumm. Vergessen Sie's.«

»Ja.«

Er öffnete den Sack. »Sie möchten bestimmt Ihre Voy-nich-Kopie zurückhaben.«

»Nein. Behalten Sie sie. Sie werden sie noch brauchen.«

Er machte das Tor auf.

Zusammen schlichen sie unter dem handgemalten Schild durch, dem keiner der beiden Beachtung schenkte. Darauf stand die Warnung: JONES' SCHROTTPLATZDURCHGANG VERBOTEN - BETRETEN AUF EIGENE GEFAHR.

Indy wandte sich nach Osten. Alecia zögerte einen Augenblick und starrte verloren auf seinen Rücken. Ihr Gesicht war leicht gerötet, was nicht allein der Hitze der Explosion zuzuschreiben war. Indy marschierte davon, ohne einen Blick nach hinten zu werfen. Alecia hängte ihre Handtasche um, machte auf dem Absatz kehrt und verschwand in Richtung Westen.

Ein Feuerwehrauto jagte die Straße hinunter.

»Verfluchter Yankee«, flüsterte sie mit sanfter Stimme.

An der nächsten Ecke blieb sie unentschlossen stehen. In welche Richtung sollte sie gehen? In ihre Wohnung zurückzukehren, stand außer Frage. Wieder ihre Arbeit im British Museum zu verrichten, kam ihr absurd vor, zumal die Faschisten sie dort zuerst suchen würden. Nach kurzer Überlegung kam sie zu dem Ergebnis, daß sie sie doch finden würden, egal, wohin sie ging. Ihr blieb nichts anderes übrig, als die Flucht nach vorn anzutreten und dorthin zu gehen, wo man sie am wenigsten vermutete: nach Rom. Dort konnte sie sich wenigstens auf die Suche nach Alistair machen.

Und dann ging sie zur Themse.

KAPITEL FÜNF. Menschliches Treibgut

Die Lichter Londons glitten bedächtig am Müllkahn vorbei, der weiter in Richtung auf das Meer zuhielt. Vor einer Viertelstunde war die Sonne hinter dem Horizont versunken. Der Himmel im Westen war goldgetönt, und die Themse schimmerte in der Farbe einer matten Bleiplatte. Alecia, die es sich auf dem Heck des Schiffes bequem gemacht hatte und beobachtete, wie die Stadt in der Feme kleiner wurde, erschauderte.

»Ist Ihnen kalt, Miss?« fragte der Kapitän sie. In den verwitterten Händen hielt er einen dunklen Wollmantel.

»Vielen herzlichen Dank«, sagte sie.

Der Mann legte ihr den Mantel um die Schultern.

»Leider haben wir nicht viel zu essen auf der Mary Reil-ly«, verriet er ihr. »Aber Sie sind eingeladen, mit uns zu schmausen. Kaffee, Brot. Etwas Käse.«

Alecia nickte dankbar.

»Ich weiß ja, daß es mich eigentlich nichts angeht, aber falls Sie mir meine Frage verzeihen, wovor hatten Sie dort hinten Angst? Laufen Sie vor irgend etwas davon? Verfolgt Sie jemand?«

»So was in der Art«, antwortete Alecia.

»Ich könnte wetten, daß es sich um einen Mann handelt«, spekulierte der Kapitän und räusperte sich laut. »Ich selbst habe drei Töchter, darum weiß ich, wovon ich spreche. Sieht fast so aus, als wolle Gott mich für die Ausschweifungen meiner Jugendtage bestrafen.«

Alecia mußte lächeln.

»Das Leben wird weitergehen«, spendete er sanft Trost und klopfte ihr auf die Schulter. »Ich bin oben im Steuerhaus, falls Sie was brauchen sollten. Machen Sie sich keine Sorgen, Miss - es ist egal, wovor Sie weglaufen oder wohin. Solange Sie meinem Kommando unterstehen, sind Sie in Sicherheit. Auch wenn das hier nur ein alter Müllkahn ist.«

»Das ist sehr nett von Ihnen.«

Ein Paar sich auf dem Fluß fortbewegender Lichter kam näher, und je näher sie kamen, desto deutlicher konnte sie das insektenartige Dröhnen eines Außenbordmotors hören, der voll aufgedreht war. Alecia begab sich in das Steuerhaus.