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Um sie beide über Wasser zu halten, strampelte er wie wild mit den Beinen.

Sie befanden sich ein paar Meter neben der Backbordseite des Kahns. Sarducci und seine Leute hatten sich auf der anderen Seite aufgebaut und beobachteten, wie der Müll von den Schiffsschrauben durchgewirbelt wurde. Synchron zum monotonen Singsang stieß der Dieselmotor Rauchwolken aus.

Der Kapitän stand an der Reling und tupfte seine blutende Wunde mit dem Schal ab. Aus dem Augenwinkel heraus erspähte er Indy und Alecia im Wasser. Indy legte den Zeigefinger auf den Mund und schüttelte beharrlich den Kopf.

Der Kahn schwamm langsam weg.

Indys Beine waren schwer wie Blei. Erschöpft wie er war, konnte er nicht mehr lange durchhalten.

Das Flugboot wartete hinter ihnen. Im Cockpit zwischen den Tragflächen brannte Licht. Indy sah, daß der Pilot mit einem Klemmbrett vor dem Instrumentenpult stand. Alle anderen waren an Bord des Müllkahns. Wenigstens hoffte er das.

»Ich halte Sie«, flüsterte Indy Alecia ins Ohr. »Wir werden ganz leise schwimmen, Prinzessin. Aber ich bin auf Ihre Mithilfe angewiesen- Sie müssen sich entspannen und sich treiben lassen.«

»Wohin wollen wir?« fragte sie ihn, ohne den langsam

wegtreibenden Müllkahn aus den Augen zu lassen. Das Flugboot hinter ihnen konnte sie nicht sehen. »Wir müssen unser Flugzeug kriegen«, sagte er.

Sie befanden sich in einer Höhe von sechzehntausend Fuß an Bord der Savoia-Marchetti 55. Alecia zitterte vor Kälte und hielt sich in der Dunkelheit hinter einer Kiste mit losen Ersatzteilen versteckt.

»Jones«, preßte sie zwischen klappernden Zähnen hervor. »Ich erfriere. Eiszapfen bilden sich in meinem Haar.«

»Wir sind wahrscheinlich drei Meilen hoch am Himmel«, meinte Indy. »Wir müssen unsere nassen Klamotten ausziehen.«

»Das w-w-würde Ihnen so passen«, erwiderte sie.

»Keine Sorge«, sagte Indy und gab sich betont fröhlich. »Nur zu, ziehen Sie sich aus. Hier drinnen ist es stockdunkel. Da bin ich schon stark auf meine Phantasie angewiesen.«

»Ich könnte wetten, daß Sie - was das betrifft - ein M-M-Meistersind.«

»Irgendwo muß eine Abdeckplane oder so etwas in der Richtung herumliegen. Damit können Sie sich zudecken«, schlug Indy vor. Er tastete sich an den Kisten und Schachteln vorbei zum Schott, wo sich das Werkzeug befand. Mit steifen Fingern riß er einen Schraubenschlüssel vom Haken und schnitt eine Grimasse, als er klirrend auf dem Boden landete.

»Tut mir leid«, flüsterte er.

Seine Hände fuhren über das übrige Werkzeug, bis sie ein Regal fanden. Auf dem obersten Einlegeboden stand ein Metallbehälter. Seine Fingerspitzen spürten Wolle. Ein Stapel Decken. Daneben eine kleine Metallkiste, deren Deckel er hochhob. Eine Kerze und eine Schachtel Streichhölzer.

»Ich werde ein Streichholz anreißen«, sagte er. »Und ich werde nicht gucken.«

»Mir ist zu kalt. Davon lasse ich mich nicht abhalten«, gestand Alecia ihm.

Er zündete das Streichholz an und inspizierte durch seinen von der Kälte weißgefärbten Atem hindurch den Inhalt der Metallschachtel. Dabei handelte es sich um einen Er-ste-Hilfe-Kasten mit Verbandszeug, Lebensmittelkonserven, einer Leuchtfeuerpistole und einer Wasserflasche. Neben dem Regal stand ein Umkleideschrank mit Kleidungsstücken.

»Jackpot«, rief Indy leise.

Er blies das Streichholz aus.

Indy klemmte sich die Overalls und die Decken unter den Arm und tastete sich mit dem Erste-Hilfe-Kasten zurück zu der Stelle, wo Alecia sich versteckt hielt. Als er die Decke auseinanderfaltete und sie ihr um die Schultern legen wollte, entlud sich eine statische Ladung, so daß er einen kurzen Blick auf ihren tätowierten Rücken erhaschte.

»Sehr erfindungsreich, Jones«, lobte sie ihn und wickelte sich in die Decke ein. »Ich nehme an, als nächstes werden Sie stolpern und gegen mich fallen - natürlich nur aus Versehen.«

»Aber sicher. Hier, ich habe was zu essen gefunden. Sie dürfen hiermit anfangen. Fühlt sich wie eine Schachtel Cracker an.«

»Ist mir egal, was es ist. Hauptsache, ich kann es essen.«

Er reichte ihr die Schachtel.

»Jetzt bin ich an der Reihe, mich umzuziehen«, meinte er. Steif schälte er sich aus seinen Klamotten und zog einen Mechanikeroverall an, den er im Umkleideschrank gefunden hatte, bevor er mit zittrigen Fingern eine der Kerzen an-zündete und ein paar Tropfen Wachs auf den Boden zwischen ihnen tropfte.

»Ist das nicht gefährlich?« fragte sie ihn.

»Ich kann hier hinten keinen Treibstoff riechen«, sagte er, während er die Kerze ins weiche Wachs drückte. »Andererseits ist meine Nase eingefroren, was heißt, daß ich eh nichts riechen kann.«

Alecia nahm eine zweite Decke und schüttelte das Eis aus ihrem Haar. »Das ist ein beschissener Tag gewesen«, fand sie. »Man hat auf mich geschossen, mich beinah in die Luft gejagt, und dem Flammentod bin ich nur knapp entgangen. Ich wurde von charmanten Herren in Schwarz gejagt und mit einer Ladung Müll ins Meer geworfen, damit ich dort ertrinke. Doch damit nicht genug - ich bin dabei zu erfrieren, im Bauch eines faschistischen Flugzeugs, das nach Gott-weiß-wohin unterwegs ist. Und das alles hat sich innerhalb von vieründzwanzig Stunden, nachdem ich Ihnen begegnet bin, zugetragen, Jones. Spielt sich Ihr Leben immer so ab?«

»Nein«, entgegnete er. »Manchmal ist es aufregend.« Er riß den Deckel von einer Dose, tauchte den Zeigefinger hinein und leckte ihn ab. »Sardinen«, beklagte er sich.

»Ich liebe Sardinen«, verriet sie ihm.

»Dann nehmen Sie sie.« Er nahm eine andere Dose aus dem Kasten und zog den Deckel ab. »Können Sie Italienisch lesen? Ich auch nicht. Es heißt, daß dem Reisen im Flugzeug die Zukunft gehört. Wenn es so ist, müssen sie dringend die Mahlzeiten verbessern. Ah, das schmeckt besser.«

»Was ist es?«

»Irgendwelches gekochtes Fleisch«, sagte er.

Während des Essens begann Indy, seinen Revolver auf der Wolldecke zu trocknen. Als er die Trommel öffnete, um die

Patronen zu überprüfen, rutschte ein Eiszapfen aus dem Lauf, der auf dem Boden zerbarst.

»Meine Armbanduhr funktioniert auch nicht.« Er schüttelte sie und hielt sie an sein Ohr. »Aber ich schätze, daß wir seit ungefähr einer Stunde in der Luft sind und uns höchstwahrscheinlich auf dem Weg nach Rom befinden.«

»Wie lange wird der Flug dauern?«

»Die Luftlinie zwischen London und Rom beträgt grob geschätzt zweitausend Meilen. Dann dürften wir noch zehn, zwölf Stunden unterwegs sein. Falls wir Glück haben, kontrollieren sie diesen Raum nicht, bevor wir landen.«

»Und falls wir kein Glück haben?«

Indy antwortete mit einem Achselzucken.

»Das hier ist immer noch besser als ertrinken, Prinzessin.«

Alecia aß die Sardinen auf und stellte die Dose weg, ehe sie die Decke enger um sich schlang und zu Indy hinüberrutschte.

»Jones«, sagte sie.

»Ja?«

»Ich möchte mich bei Ihnen bedanken. Heute ist zwar der schrecklichste Tag meines Lebens gewesen, aber ich habe mich niemals lebendiger gefühlt. Und ich weiß, daß ich wegen Alistair in diese Sache verwickelt bin und nicht Ihretwegen.«

Indy gab vor, seine Webley zu kontrollieren. Alecia legte die Hand auf den Lauf und nahm ihm die Waffe ab.

»Sehen Sie mich an«, sagte sie. »Ganz egal, was passieren wird - ob ich das hier überlebe oder nicht -, ich möchte Sie wissen lassen, daß ich keine einzige Minute bereue.«

»Gott, hilf mir«, flehte er und schaute ihr in die Augen.

Er küßte sie. Trotz des Geruchs von Müll, Meerwasser und Sardinen war das ein wundervolles Erlebnis. Die Decke rutschte ihr von den Schultern, und obwohl es ziemlich kalt war, unternahm sie keinen Versuch, sich wieder einzuhüllen. Als sich ihre Lippen öffneten, fand er sich zum wiederholten Mal an diesem Tag atemlos.