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»Falsch gedacht, Prinzessin.« Indy schaute dem Fiat hinterher, der blitzschnell im Dunkel der Nacht verschwand. »Falls er davon ausgeht, daß alle Englisch sprechenden Ausländer hier übernachten, dann weiß das auch Mussolinis Geheimpolizei, und das bedeutet, daß wir nicht hier übernachten werden.«

Sie marschierten los.

Einen Tag zuvor war die glorreiche Luftstreitmacht in die Heimat zurückgekehrt, und die ewige Stadt war immer noch ganz benommen von den Feiern zu Ehren von Balbo und seinen atlantici. Mussolini hatte Balbo zum Empfang umarmt und ihm Bruderküsse auf beide Wangen gedrückt. Der Atlantik, verkündete er, war ein italienisches Meer geworden. In schneeweißen Ausgehuniformen waren die Männer der Lüfte triumphierend durch den Konstantin-Bo-gen geschritten, gerade so, als gehörten sie einer nach Rom zurückkehrenden Legion an.

Im Royal des Etrangers unweit der Piazza Colonna trat Indy an das Empfangspult des Hotels. Alecia machte es sich derweil in einem Sessel im Foyer bequem, ohne die Eingangstür auch nur für eine Sekunde aus den Augen zu lassen.

»Sprechen Sie Englisch?« erkundigte sich Indy.

»Aber gewiß doch!« rief der Besitzer, ein kahlköpfiger Mann mit einem dicken Seehundschnauzbart. »Ich beherrsche die Grammatik perfekt! Wie geht es Ihnen? Mein Name ist Guiseppe Rinaldi.«

»Hören Sie, Rinaldi«, sagte Indy und beugte sich über das Pult. »Dieses Hotel - ist es diskret?«

»Aber sicher«, erwiderte Rinaldi. »Der Duce und seine Geliebte sind einmal hier abgestiegen, und Rinaldi hat niemandem etwas davon erzählt. Rinaldi nimmt seine Geheimnisse mit ins Grab.«

»Wunderbar«, meinte Indy.

»Sie sind Liebende, nicht wahr?« vermutete er und hielt die Faust vor den Mund. »Handelt es sich vielleicht um eine Affäre? Möglicherweise gehört sie zu einem anderen Mann - ist gar dessen Ehefrau! - und nun sind Sie in dieses Hotel gekommen, um Ihre verbotene Liebe zu genießen in der schönsten Stadt der Welt? Das bricht mir das Herz! Aber Rinaldi versteht.«

»Nein, Sie verstehen nicht«, entgegnete Indy. »Wir sind nicht ineinander verliebt.«

»Ach - selbstverständlich nicht«, ging der Hotelier geistesgegenwärtig auf seine Erklärung ein und zwinkerte verschwörerisch.

»Getrennte Zimmer«, bat Indy.

»Gewiß doch!« Rinaldi schob ein Paar Messingschlüssel über das Pult. »Sechs amerikanische Dollars.«

»Und wieviel kostet es, wenn unsere Namen nic ht im Gästebuch auftauchen und unser Geheimnis niemals über Rinaldis Lippen kommt?«

»Ach, das macht dann acht amerikanische Dollars.«

»Ich hoffe nur, daß Rinaldi auch die Wahrheit spricht«, drohte Indy sanft. »Ich werde für zwei Nächte bezahlen und zwar im voraus. Und falls uns niemand stört, wird dieser reiche Amerikaner hier Rinaldi ein üppiges Trinkgeld geben, wenn er abreist. Haben Sie verstanden?«

»Aber gewiß doch!«

Indy bezahlte in Lire. Rinaldi rechnete den Wechselkurs aus - und rundete den Betrag großzügig auf einen Tausenderbetrag auf, während er dem reichen Amerikaner ein Kompliment für die kluge Wahl des Hotels machte.

»Meinen Sie, daß Rinaldi ein paar Kleidungsstücke auftreiben könnte, die dem reichen Amerikaner und der Lady passen?« fragte Indy. »Und könnten Sie dafür sorgen, daß unsere Kleidung gereinigt wird, während wir das Abendessen einnehmen?«

»Aber gewiß doch! Ich werde Ihnen gleich etwas nach oben schicken.«

Indy nickte zufrieden und steckte die Schlüssel ein.

»Wir werden unsere Sachen vor die Tür legen«, sagte er zu Rinaldi,

»Das wird allerdings eine kleine Gebühr kosten«, verriet der Hotelier. »Unser Restaurant ist buono. Sehr gut! Es ist gleich nebenan und bietet einen herrlichen Ausblick auf die Piazza.«

Indy drehte sich um und war im Begriff wegzugehen.

»Chef«, rief Rinaldi. Indy blieb stehen. »Die Zimmer sind miteinander verbunden. Durch eine Tür, Sie verstehen? Viel Spaß!«

In einem Straßencafe trank Indy einen Kaffee, so dick wie Motoröl, und blätterte die New York Herald Tribüne durch, während Alecia ein Bad nahm. Über der Piazza Colonna hing ein riesiges Schild, auf dem Mussolini in der Uniform eines Fliegers und eine Karte der Flugroute abgebildet waren. Eine Reihe weißer Glühbirnen zeichnete den Flug über den Atlantik nach, rote Glühbirnen die Heimreise.

»Man könnte meinen, Mussolini hätte am Steuerhebel gesessen«, lautete Alecias Kommentar, als sie neben Indy Platz nahm. Sie trug ein bodenlanges, smaragdgrünes Abendkleid, das mehr zeigte, als Indy lieb war. Mit einem Kloß im Hals schaute er in die andere Richtung und tippte auf die Zeitung.

»Hier steht, daß Mussolini Balbo zum Hauptmann der Lüfte ernannt hat - was immer das sein mag«, erzählte er. »Beim Start in Ponta Delgada haben sie ein Flugzeug verloren. Dabei ist einer ihrer Piloten ums Leben gekommen.«

»Ich bin froh, daß ich das erst jetzt erfahre«, sagte Alecia.

»Sie hatten auf dem Flug mit einem Verlust von wenigstens vier der fünfundzwanzig Flugzeuge gerechnet. Das war bislang der Durchschnitt auf den Langstreckenflügen. Kannst du dir vorstellen, daß du losfliegst und weißt, daß die Chance sechs zu eins steht, daß du nicht wieder heimkehrst?«

»Dafür gibt es einen Namen«, meinte Alecia. »Russisch Roulette. Diese Flieger sind Wahnsinnige, die eine geladene Waffe in Händen halten. Bei solch einer Verlustrate darf man davon ausgehen, daß das Reisen mit dem Flugzeug sich niemals durchsetzen wird. Ich ziehe jedenfalls Schiffe und Züge vor, Jones.«

»Fühlst du dich besser?« fragte er. »Ich habe schon angefangen, mir Sorgen zu machen.«

»Tut mir leid. Ich bin in der Badewanne eingeschlafen. Und ich hatte ganz vergessen, wie prima es sich anfühlt, sauber zu sein.«

»Du siehst toll aus«, platzte es aus Indy raus. »Rinaldi hat offenbar ein gutes Augenmaß, was Damengrößen anbelangt.«

»Um ehrlich zu sein, es ist ein bißchen eng.«

Abwesend griff Indy nach seiner Kaffeetasse und tauchte dabei den Ärmel seines schlecht sitzenden Nadelstreifenanzuges in die Butterdose.

»Gütiger Gott, wo haben sie denn diesen Anzug aufgetrieben?« fragte Alecia, während Indy den Ärmel mit einer Papierserviette abtupfte. »Du siehst gerade so aus, als ob du einem Gangsterfilm entsprungen seist.«

»Rinaldi scheint sich seinen Geschmack, was Mode betrifft, im Kino zu bilden«, vermutete Indy.

»Sei nicht zu hart mit ihm«, rügte Alecia ihn. »Ihr Amerikaner glorifiziert doch Gangster. So geheimnisvoll, wie du dich am Empfangspult gegeben hast, muß er dich ja für John Dillinger halten, der mit seiner Gangsterbraut durch die Lande zieht.«

»Ich könnte schwören, daß er diese Begebenheit im nächsten Reiseprospekt erwähnt.« Indy krempelte die Ärmel seines Anzugs hoch. »Bei diesem Anzug hat man keine Probleme, eine Knarre zu verstecken.«

»Aber aus deiner Knarre kommen nur Eiszapfen geflogen«, erinnerte sie ihn.

Indy räusperte sich verlegen.

»Tut mir leid, Jones. Ich finde einfach, daß du in diesem doofen Anzug hervorragend aussiehst, und das behagt mir nicht. Ich führe mich wie ein kleines Kind auf, und dafür möchte ich mich entschuldigen.«

»Du verstehst nicht«, sagte er.

»Der Fluch?« fragte Alecia.

»Wenn ich mich nicht so ... stark zu dir hingezogen fühlen würde, wäre das alles kein Problem. Ich weiß, daß es verrückt klingt, aber ich hatte genug mit diesen Weissagungen zu tun, um zu wissen, daß sie manchmal in Erfüllung gehen. Und ich bin einfach nicht bereit, dieses Risiko einzugehen.«