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Seufzend zog Indy die Webley aus dem Hosenbund.

Angewidert inspizierte Caramia die Waffe. Auf dem feinen blauen Stahl hatten sich Rostschlieren gebildet, und sie mußte der Trommel einen Schlag versetzen, um sie zu öffnen. Die Patronen fielen auf die Schreibtischplatte.

»Sie sollten Ihre Waffe wirklich besser warten«, riet Caramia ihm und gab ihm den Revolver zurück. »Eines Tages könnte Ihr Leben davon abhängen.«

»Sie haben ganz recht«, sagte Indy. »Ich habe - seit Ihr Chef und seine Schlägertypen uns auf dem Kanal mit einer Mülladung ins Wasser geworfen haben - noch keine Zeit für die Reinigung gefunden.«

Caramia schnalzte mit der Zunge.

»Sie sollten sich nun die Zeit nehmen«, riet sie ihm.

Sie trat vor eine große Flügeltür und öffnete sie für die Besucher. Nachdem Alecia und Indy eingetreten waren, schloß sie die Tür. Indy hörte das Klicken des Bolzens.

Der Raum barg ein atemberaubendes Eckbüro, und alles - angefangen von dem Teppich auf dem Boden bis zu den Büchern in den Regalen und den an der Wand hängenden Schwertern - stammte aus dem Zeitalter der Renaissance. Mit dem Rücken zum Raum saß Sarducci auf einem Drehsessel hinter einem massiven Holzschreibtisch und blickte auf die Stadt hinaus. Die Morgensonne spiegelte sich auf seiner Glatze.

Alecia und Indy bauten sich vor dem Schreibtisch auf und warteten dann in unbequemer Haltung. Indy zog ein Schwert aus einem Korb neben dem Schreibtisch und fuhr mit dem Daumen über die Klinge.

»Das ist echt«, sagte Sarducci, ohne sich umzudrehen. »Wurde vor ungefähr sechshundert Jahren in Toledo gearbeitet. Und ist immer noch so todbringend wie am ersten Tag. Spielen Sie in Gedanken mit der Idee, es mir ins Herz zustoßen?«

Indy verrieb einen Tropfen Blut mit dem Daumen und dem Zeigefinger.

»Würde ich«, erwiderte er, »wenn ich glaubte, daß Sie eins hätten.«

Sarducci lachte und drehte sich endlich zu ihnen herum.

»Ich habe Ihren Witz vermißt, Dr. Jones«, gestand er. »Und ich fürchte, ich habe Sie während unserer ersten Begegnung unterschätzt. Gott, in den Berichten kommen Sie wie ein Clown rüber, wie ein leicht wahnsinniger Pfadfinder mit einer Schaufel in der Hand. Stellen Sie sich meine Freude vor, als ich erkannte, daß Ihr Kopf zu mehr fähig ist als diesen scheußlichen Hut zu tragen.«

»Ich mag meinen Hut«, sagte Indy, setzte ihn ab und betrachtete die Wasserflecken. »Sicher, er ist ein bißchen aus der Form, aber wenn man ihn erst mal gedämpft hat, ist er wieder so gut wie neu.«

»Der ewige Optimist«, sagte Sarducci. »Es war wirklich ziemlich ausgefuchst, wie Sie sich gerettet haben. Sich einfach an Bord des Flugzeuges zu schleichen. Auf diese Idee wäre ich nie gekommen, aber als wir den Soldaten fanden, den Sie bewußtlos geschlagen haben, wußte ich Bescheid.«

»Geht es ihm gut?« erkundigte sich Indy und setzte den Hut wieder auf.

»Ich fürchte nicht«, gab Sarducci Auskunft. »Nachdem wir ihn aus dem Wasser gezogen haben, war ich gezwungen, ihn zu erschießen, weil er sich wie ein Trottel verhalten hat.«

»Haben Sie keine Stühle für Ihre Besucher?« fragte Alecia.

»Es ist mir lieber, wenn Sie stehen«, gestand Sarducci. »Die Psychologie der Macht, verstehen Sie.«

»Aber gewiß doch.«

»Vergeben Sie mir, wir sind uns ja noch nicht vorgestellt worden. Sehr ungehobelt von mir, daß ich einfach so mit Dr. Jones plaudere, als ob wir alte Freunde seien. Ich bin Leonardo Sarducci und Sie, nehme ich an, sind Miss Alecia Dunstin.«

»Sie wissen verdammt gut, wer ich bin«, rief Alecia. »Wo steckt Alistair?«

»Geduld, Geduld«, bat Sarducci. »Eins nach dem anderen. Es ist mir eine Freude, Ihre Bekanntschaft zu machen, Miss Dunstin. Bitte, hätten Sie die Freundlichkeit, Tuch und Brille abzunehmen, damit ich Sie mir genauer ansehen kann? Bislang ist mir diese Möglichkeit verwehrt geblieben.«

»Nein«, sagte Alecia störrisch. »Warum schließen Sie die Tür nicht wieder auf?«

»Sie werden doch wohl nicht erwarten, daß ich Sie hier einfach so hinausspazieren lasse?« fragte Sarducci. »Nein, die Tür wird verschlossen bleiben, bis wir das hier ausdiskutiert haben und zu einer Art... Resolution gekommen sind. Hat Ihnen Caramia nicht die Regeln erklärt?«

»Sie sagte, Sie würden uns nichts antun«, sagte Alecia.

»Oh, das werde ich nicht - jedenfalls nicht hier.« Sarducci stand auf und kam um den Schreibtisch.

»Ich wußte, daß Sie kommen würden«, sagte er. »Sie konnten nicht wegbleiben. Die Verbindung war zu offensichtlich, da konnten Sie einfach nicht widerstehen. Ein erhabener Verstand hätte die Möglichkeit gehabt, auf jede andere Lösung zu kommen. Aber Sie nicht, mein amerikanischer Cowboy.«

»Western mochte ich schon immer«, räumte Indy ein.

»Aber ich bin froh, daß Sie hier sind. Sie haben sich als fähiger Gegner erwiesen und mir eine Herausforderung der Sorte geboten, die mir bislang fremd gewesen ist. Es wäre eine Schande, diese Gewitztheit zu verschwenden. Da Sie am Ende doch verlieren werden, wäre es da nicht sinnvoller, sich jetzt schon geschlagen zu geben und sich mir anzuschließen? «

»Sie haben zu oft Macchiavelli gelesen.«

»Ah, aber der Meister hatte recht. Man sollte seinem fähigsten Opponenten immer die Möglichkeit einräumen, sich der eigenen Sache anzuschließen. Und falls er sich weigert, vernichtet man ihn eben.«

Sarducci verharrte einen Augenblick vor Alecia. Er war im Begriff, ihr Gesicht mit seinen schwarz-behandschuhten Fingern zu berühren.

Indy packte sein Handgelenk.

»Fassen Sie sie nicht an«, quetschte er zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor.

»Bedeutet sie Ihnen etwas?« fragte Sarducci, während Indy ihn immer noch festhielt. »Empfinden Sie etwas für diese junge Frau, Dr. Jones?«

»Nein.« Er ließ ihn los.

»Ach, Sie dürfen den Fluch nicht vergessen«, höhnte Sarducci. »Wie gut war es, daß Sie den Kristallschädel mit bloßen Fingern berührt und ihn aus der Nische herausgehoben haben. So haben Sie um meinetwillen die Last der Jahrhunderte auf Ihre Schultern geladen. Interessant, nicht wahr, wie sich alles entwickelt hat?«

»Sie glauben also immer noch an Märchen, hm?«

»Ach, kommen Sie, Dr. Jones«, entgegnete Sarducci. »Märchen, in der Tat. Die arme Miss Dunstin hat sich nicht in Gefahr befunden, bis Sie auftauchten und den Draufgänger spielten. Wie oft durften Sie sie bisher retten? Und wie lange werden Sie dazu - Ihrer Einschätzung nach - noch in der Lage sein? Sobald Sie aus dieser Tür spazieren - ich nehme mal an, daß Sie diese Wahl treffen - wird alles wieder von vorn losgehen. Sie werden andauernd einen Blick über die Schulter werfen müssen, bei jedem Geräusch in der Nacht aufschrecken, bis zu jenem unausweichlichen Moment, wo Ihre Wachsamkeit nachläßt und Sie einen kleinen Fehler machen.«

»Hören Sie auf«, mischte Alecia sich ein.

Sarducci lachte.

»Ich hoffe inständig, Sie haben nicht mit ihr geschlafen«, fuhr er fort. »Das würde ihr Schicksal besiegeln, nicht wahr? Ihre Liebe auszuleben, käme der sicheren Katastrophe gleich. Vielleicht ist es Ihnen ja nur gelungen, mit ihr bis hierherzukommen, nach Rom, weil Sie der Anziehungskraft der jungen Dame widerstanden, weil Sie gegen Ihre Gefühle angekämpft haben, weil Sie sich zusammengenommen haben. Aber wie lange noch? Früher oder später wird Ihre Achtsamkeit nachlassen, Dr. Jones, vielleicht sogar heute nacht, unter dem Einfluß unseres wunderschönen Mondes. Und Sie werden auf stimmige Erklärungen verfallen, über Mythen und Aberglaube nachdenken, und dann werden Sie das verlieren, was Sie am meisten auf der Welt lieben.«