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»Fertig«, sagte Sarducci.

Das Exekutionskommando nahm die Waffen hoch und richtete sie aus.

Alecia schaute Indy an. Ihre Augen flehten um Vergebung.

Indy lächelte.

»Ich hasse dich, Prinzessin.«

»Oh, Indy«, rief Alecia. »Ich hasse dich auch.«

»Zielen«, befahl Sarducci.

Indy schluckte schwer und richtete den Blick nach vorn. Die Soldaten schulterten ihre Gewehre, legten die Finger auf die Abzugshähne. Die Mündungen waren auf Indys Brustkorb gerichtet.

Sarducci ließ einen Augenblick verstreichen, um die Spannung auszukosten. Dann hob er die Hand in einer ausladenden Geste. Jetzt mußte er jede Sekunde den endgültigen Befehl geben.

Luigi fuhr mit der Zunge über die Lippen.

Indy schloß die Augen.

Sarducci erteilte den Befehl zu feuern, aber das Exekutionskommando konnte ihn wegen der Explosion nicht hören, bei der einer der Wachtürme zum Einstürzen gebracht wurde. Schüsse krachten hinter dem Zaun durch die Luft. Man hörte die lang anhaltenden Salven von automatischen Waffen. Drei Soldaten wurden die Beine unter dem Körper weggerissen. Berittene Beduinen überwanden die Abzäunung. Die anderen Mitglieder des Exekutionskommandos rannten davon und warfen ihre Waffen weg.

Luigi lief ihnen hinterher.

»Nein!« kreischte Sarducci. »Kommt zurück!« Er schnappte sich eins der Gewehre, kam etwas näher, zielte auf Indys Brust und feuerte. Indy stockte der Atem, als die Wachskugel von seinem Brustbein abprallte.

»Das hat weh getan«, keuchte Indy und stieß Sarducci die Stiefelspitze zwischen die Beine. Sein Gegenüber klappte zusammen, ließ das Gewehr los und fiel auf die Knie.

»Und das hier ist für Alecia«, sagte Indy und schlug ihm das Knie ins Gesicht. Sarducci fiel rücklings in den Sand. Er war nicht mehr bei Bewußtsein.

»Ich grüße Sie«, rief Prinz Farqhuar, als er abstieg und Indys Fesseln mit einem Messer durchtrennte. »Ich nehme an, Sie freuen sich, mich zu sehen?«

»Da liegen Sie ganz richtig mit Ihrer Annahme«, sagte In-

dy.

Hinter Farqhuar tauchte Sallah auf. Er hielt die Zügel zweier Pferde fest.

»Indy, mein Freund«, rief Sallah erfreut und rutschte vom Sattel. »Als Kapitän Marlow mir sagte, daß er dich hier in der Nähe abgesetzt hat, machte ich mich sogleich auf den Weg, weil ich mir schon dachte, daß du Hilfe gebrauchen kannst.«

Sallah umarmte Indy und drückte ihn an seine Brust, bis dessen Füße in der Luft baumelten. Vor Freude und wegen der sich einstellenden Atemnot schlug Indy ihm auf die Schulter.

»Du kennst den Prinzen?« fragte er ungläubig.

»Aber ja doch«, entgegnete Sallah. »Er ist einer meiner Schwäger.« Dann beugte er sich zu Indy hinüber. »Aber das sage ich dir im Vertrauen, das ist eine ziemlich schwierige Angelegenheit. Du weißt schon, eine Mischehe.«

»Wie lange seid ihr schon da?« wollte Indy wissen.

»Erst seit ein paar Stunden«, antwortete Farqhuar.

»Stunden?« hakte Alecia nach. Mit den Händen auf dem Rücken bemühte sie sich, ihr Kleid zusammenzuhalten. »Sie sind seit Stunden dort draußen? Dann haben Sie sich aber, verflucht noch mal, Zeit gelassen. Ich bin vor Angst fast gestorben.«

»Ich habe Dr. Jones einen großen Dienst erwiesen, indem ich gewartet habe«, wehrte Farqhuar sich, während er Alecias Fesseln durchtrennte. »Wie oft fragen wir uns, wie wir uns wohl angesichts des Todes verhalten werden. Werden wir Schande über uns und unsere Familien bringen? Oder werden wir, wenn die Zeit kommt, uns so verhalten, daß Allah uns mit offenen Armen empfängt? Dr. Jones weiß nun Bescheid.«

»Darauf war ich gar nicht so scharf«, sagte Indy und massierte seine Handgelenke. »Allah kann gern warten.«

Farqhuar lachte.

»Allah wartet auf niemanden«, meinte er.

Alistair streckte seine gefesselten Hände aus.

Farqhuar zögerte.

Indy nahm die rasiermesserscharfe Klinge und ging zu Alistair hinüber, der blinzelte und blitzschnell die Hände vors Gesicht führte, in der Annahme, daß Indy ihm das Messer ins Herz rammen wollte.

Indy schnitt die Fessel durch.

»Sie sind frei«, sagte Indy. »Entscheiden Sie sich, auf welche Seite Sie sich schlagen möchten.«

Die Faschisten hatten sich von dem Überraschungsangriff erholt und begannen nun, sich gegen die Nomaden zur Wehr zu setzen. Kugeln pfiffen über ihre Köpfe hinweg.

»Wir müssen fliehen«, meinte Sallah.

»Es gibt nicht genug Pferde«, warnte Alecia. Panik lag in ihrem Blick.

Indy nahm Sarducci die Dokumententasche ab und zog Alecia hinter sich auf den Rücken des weißesten Pferdes.

Sallah zuckte mit den Achseln und warf Alistair die Zügel des anderen Tieres zu.

Hinter Farqhuar, der voranritt, hielten sie auf die zerstörte Umzäunung zu. Die Pferde sprangen über die Balken weg, die früher einmal ein Wachtum gewesen waren. Sallah folgte Farqhuar Richtung Westen, doch ein Ruf von Indy veranlaßte ihn, stehenzubleiben.

»Nein«, sagte er.

»Aber Indy«, protestierte Sallah.

»Wir nehmen einen anderen Weg«, sagte Indy und riß am Zügel. Das Pferd galoppierte nach Osten, in Richtung Kairo.

»Warten Sie«, rief Prinz Farqhuar ihm hinterher. Er gab drei Nomaden das Zeichen, ihm zu folgen, und schlug dann Indys Richtung ein. »Wir haben uns ja noch gar nicht über die wunderbare Autobiographie von Huckleberry Finn unterhalten! «

KAPITEL ACHT. Der Stein

Hinter ihnen markierte eine aufsteigende Staubwolke die gepanzerte Kolonne der Faschisten. Sie war im Lauf des Tages immer näher gerückt und nun dicht genug, daß Indy die Reflektion des Sonnenlichts auf den Windschutzscheiben der Panzerfahrzeuge funkeln sehen konnte.

»Unsere Rösser sind ihren eisernen Biestern nicht gewachsen«, lautete Sallahs Kommentar. Er tätschelte den Hals seines Pferdes. »Wenn wir so weitermachen, schinden wir unsere Pferde in dieser wasserlosen Wildnis zu Tode.«

»Was meinen Sie, Prinz?« fragte Indy.

»Was Sallah sagt, stimmt«, antwortete er. »Aber jetzt eine Pause zu machen, bedeutete, die Schande geradezu in Kauf zu nehmen. Wir müssen weiterreiten, ohne Rücksicht, und darauf vertrauen, daß Allah uns zur Seite steht.«

»Ich glaubte, sie würden aufgeben, als wir die Nordgrenze überquerten, weil ich dachte, daß ihnen nicht an einem Krieg mit Ägypten gelegen sein kann«, sagte Indy.

»Grenzen«, sagte Farqhuar, »sind hier draußen nicht von sonderlich großer Bedeutung. Im Sand gibt es - im Gegensatz zu Ihren Karten - keine Grenzlinien. Und außerdem, wer kriegt hier draußen schon mit, wenn die uns ausradie-ren? Vielleicht ein Kameltreiber irgendwann in tausend Jahren mal.«

Sie ritten weiter, und als die Schatten länger und ihre Pferde langsamer wurden, verringerte sich die Distanz zwischen ihnen und der riesigen Staubwolke. Der Himmel, der den ganzen Tag über grau gewesen war, färbte sich zusehends dunkler, und Sandschleier wehten über die Dünenkämme.

Als sie zu den Tempelruinen eines längst vergessenen Gottes gelangten, stolperte Indys Pferd und brach fast unter der doppelten Last zusammen.

»Es ist höchste Zeit, eine Pause einzulegen«, sagte der Prinz und sprang von seinem Pferd. Aus einer Wasserflasche an einem langen Lederriemen schüttete er den letzten Rest Wasser in seine Handfläche und gab seinem Pferd zu trinken. »Nur zu, Arcturus, trink. Wir halten zusammen, nicht wahr? Das ist das erste Gebot der Wüste.«

»Ich wünschte, wir hätten mehr Wasser für die Pferde«, sagte Alecia. Wegen des wehenden Sandes mußte sie die Augen zukneifen.