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»Hilf mir«, raunzte Sarducci den näher tretenden Luigi an.

Der legte die Waffe weg, und zusammen machten sie sich am Zylinderdeckel zu schaffen. Zuerst langsam und dann ganz unvermittelt begann der Deckel sich zu drehen. Mit einem Mal rutschte der Deckel herunter und landete im Sand.

»Der Stein der Weisen«, verkündete Luigi andächtig und zog einen funkelnden, roten Stab heraus. Das Ding pulsierte, als Sarducci es an seinen Bauch drückte. Er spürte die Wärme, und als der Stein die Silberknöpfe seiner Jacke berührte, veränderten sie ihre Farbe und schimmerten golden. »Seht doch nur«, keuchte er atemlos.

Er reichte Luigi den Stein, entledigte sich seines rechten Handschuhs und suchte seine Uniform nach einem anderen Metall ab, um es zu testen. Schließlich fiel ihm die Pistole in seinem Holster ein, die er ganz vorsichtig an den Stein hielt. Eine goldene Welle lief über den blauen Stahl, von der Mündung bis zum Griff. Nur das Holz des Griffes veränderte seine Farbe nicht.

Sarducci lachte wie ein kleines Kind.

»Maestro«, fragte Luigi. »Was ist denn mit meinen Händen?«

Seine Finger begannen zu rauchen. Die Haut löste sich, Fleisch schmolz, bis die Knochen freilagen und der Stein aus Luigis nutzlosen Fingern glitt. Doch der Prozeß endete hier nicht. Seine Handflächen verwandelten sich in tropfendes Gelee. Der Verfall breitete sich über die Handgelenke aus.

Luigi schrie.

»Helfen Sie mir«, rief er entsetzt, als die Reste dessen, was eben noch seine Hände gewesen waren, abfielen. Unerträglich langsam schritt der Verfall fort, bis zu den Ellbogen, zu den Schultern hoch.

Sarducci preßte die goldene Mündung an Luigis Schläfe und drückte ab. Die goldene Kugel drang in sein Gehirn. Der Lauf der Waffe, der nun aus dem weichsten aller Metalle bestand, riß wie eine Bananenschale auf. Der armlose Körper stürzte in den Sand und verfiel weiter. Luigis Kleider gingen in Flammen auf. Sarducci warf die Waffe weg und inspizierte die Finger seiner rechten Hand. Auch sie begannen zu rauchen. Das Fleisch auf den Fingerkuppen war schon abgefallen, strahlendweiße Knochen kamen zum Vorschein.

Er stolperte zum Panzerwagen hinüber und riß mit der gesunden Hand eine seitlich am Wagen befestigte Axt herunter. Dann ließ er sich zu Boden fallen und hackte seinen Unterarm ab.

Alistair sprang auf und rannte zur Wagentür.

»Alecia«, rief er. »Ich werde für euch die Tür aufmachen. Aber du mußt mir versprechen, daß du fürs erste nicht rauskommst. Warte zuerst, bis wieder Ruhe eingekehrt ist.«

»Dunstin««, wollte Indy wissen. »Was tut sich da draußen?«

Alistair schluckte. Das Sprechen fiel ihm schwer.

»Ich möchte es Ihnen nicht erklären«, sagte er. »Und es ist besser, wenn Sie es nicht wissen. Versprechen Sie nur, daß Sie warten werden. Alecia, es tut mir leid. Ich hoffe inständig, daß du mir eines Tages verzeihen kannst.«

»Alistair«, rief sie. »Was hast du vor?«

»Eine letzte Umwandlung«, sagte er und rang sich ein Lächeln ab. »Richtigstellung.«

Er riß die Abschleppstange weg.

Dann zog er unter Schmerzen das Hemd aus und wickelte den Stoff um die rechte Hand, kniete sich hin, hob den Stein auf und legte ihn in den goldenen Zylinder zurück. Es schien Stunden zu dauern, bis er den Deckel aufgeschraubt hatte.

Nun hob er den Zylinder hoch, schleppte ihn zur Treppe, die in den Teich führte, seufzte und schaute sich um. Luigis Körper hatte sich aufgelöst, von Sarducci war nichts zu sehen. Ein paar Krähen saßen im Wipfel der höchsten Palme und schrien laut.

Alistair legte beide Hände auf den Zylinder und taumelte die Treppe hinunter ins Wasser.

Als sie die Nachmittagshitze im Fahrzeug nicht länger ertragen konnten, machte Indy die Tür auf und stieg aus dem Panzerwagen.

»Wo sind sie?« fragte Alecia besorgt.

Als Indys Blick auf die Spuren im Sand fiel, die zur Teichtreppe führten, kannte er plötzlich einen Teil der Antwort. Die goldenen Knöpfe und der Gürtel von Sarduccis Uniform glitzerten im Sand.

Sallah streckte die Hand nach dem Gürtel aus, aber Indy hielt ihn zurück.

»Das würde ich lieber nicht tun«, riet er seinem Freund.

»Das ist alles?« fragte Alecia. Tränen schössen aus ihren blauen Augen. »Sie sind einfach verschwunden? Nicht mal ein Leichnam bleibt zurück, den man begraben kann?«

Indy schloß sie in die Arme und drückte sie an sich. Sie weinte sich an seiner Schulter aus. Zum ersten Mal, seit er sie kannte, gestand sie es sich zu, die Beherrschung zu verlieren.

»Alistair hat etwas viel Wichtigeres zurückgelassen«, sagte er, ohne den Blick von den Sandspuren abzuwenden. »Er hat dafür gesorgt, daß wir ihn in guter Erinnerung behalten, indem er einmal das Richtige getan hat.«

»Allah wird zufrieden sein«, sagte der Prinz.

»Durchkämmt den Panzerwagen nach Sprengstoff«, sagte Indy. »So wie ich Sarducci kenne, glaube ich, daß er welchen mitgebracht hat. Laßt uns dieses Paradies ein für allemal schließen.«

Sallah nickte nachdenklich.

»Indy«, sagte er. »Hier haben sich viele Dinge ereignet, die ich nicht verstanden habe, aber die Frage, die mich am meisten beschäftigt, lautet: Was ist die erste Materie? Was war in dem Bleizylinder?«

Indy nahm eine Handvoll Sand und streute sie in den Wind.

»Sand«, sagte er.

EPILOG

»Und das willst du also dem FBI servieren?« fragte Marcus Brody, als er zusammen mit Indy durch die Flügeltür des Museums für Altertum schritt. »Nichts von alldem soll existieren? Das Grab des Hermes gibt es nicht, Voynich ist nur Geschwafel und der Stein der Weisen nicht mehr als ein Traum?«

»Ein schlechter Traum, Marcus.«

»Er ist fast vorbei«, beruhigte Brody ihn.

»Danke, daß du das Geld so schnell besorgt hast«, sagte Indy. »Du weißt gar nicht, was das für mich bedeutet. Alecia wartet in London auf mich.«

»Ist mir eine Freude, Indy. Der Schädel wird sich in der Ausstellung über Zentralamerika ganz hervorragend machen«, meinte Brody. »Um ehrlich zu sein, es überrascht mich nicht, daß Mussolini sich auf dieses Geschäft eingelassen hat. Jetzt, wo Sarducci tot ist, was hat er da noch zu gewinnen? Und wie heißt es so schön: Geld regiert die Welt. Im Vertrauen gesagt, der Duce erhält einen wesentlich größeren Batzen als das Museum.«

Brody hatte sich einen mit Lire vollgestopften Koffer unter den Arm geklemmt.

»Ach, ich vergaß, dir zu sagen«, fuhr Brody fort, »daß Stefansson mich gebeten hat, dich höflichst auf das kommende Treffen des Explorers' Clubs einzuladen. Aber ihm ist natürlich auch gar nichts anderes übriggeblieben, nachdem du das Manuskript wiederbeschafft und in Princeton wiedereingestellt wurdest.«

»Richte ihm aus«, sagte Indy, »daß ich keinen Wert darauf lege, einer Organisation anzugehören, die mich als Mitglied wirbt.«

Sie begaben sich direkt in die zweite Etage, wo sie in der Ausstellung den vorübergehenden Direktor des Museums treffen sollten. Laut Abmachung sollte dort auch die Übergabe vonstatten gehen.

»Ich kann es gar nicht erwarten, den Schädel zu sehen«, rief Brody hocherfreut, als sie sich dem Sockel mit der Glasvitrine näherten. »Ich habe selbstverständlich Fotos davon gesehen, aber nach deinen Beschreibungen werden sie dem Gegenstand nicht gerecht.«

»Mir macht der Schädel angst«, gestand Indy. »Ich denke nicht, daß ich in der nächsten Zeit die Ausstellung an -«

Er brach mitten im Satz ab. Mit den Händen in den Hosentaschen und offenem Mund stierte er in die Glasvitrine. Sie war leer - bis auf eine Karte mit einem einzigen Wort.