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Das Sonnenlicht drang durch die Äste, während eine sanfte Brise aus dem Osten meine Ohren streichelte. Ich fragte mich, ob Lovecraft je über diese Straße gegangen war, und hoffte, dass es so war. Ich wusste, dass ich sah, was er gesehen hatte, während sein Geist bereits mit Schatten über Innsmouth beschäftigt war.

Ein Knacken zu meiner Linken ließ mich innehalten. Ich drehte mich und schaute zu den Bäumen, konnte aber niemanden sehen, obwohl ich sicher war, dass jemand da sein musste. Das Geräusch, das ich gehört hatte, war eindeutig gewesen: ein trockener Ast, der unter einem Fuß zertreten worden war.

Nachdem ich noch einige Schritte gegangen war, erklang das Knacken erneut.

»Hallo da drüben!«, rief ich und sah eine Gestalt zwischen den Bäumen herschlurfen. Eine Gestalt in einem langen, zerfetzten schwarzen Regenmantel. »Mr. Zalen! Bitte! Ich muss dringend mit Ihnen sprechen!«

Die Gestalt verschwand so schnell, als wäre sie vom Wald verschluckt worden. Ich fragte mich, wie debil Mr. Zalen durch die Unbill von Opiumabhängigkeit und Verarmung geworden war. In späteren Stadien waren die Opfer dieser Ursachen oftmals durcheinander oder schlichtweg verrückt. Sollte das bei Zalen ebenfalls der Fall sein, so würde sich mein Ausflug als sinnlos erweisen.

Nach einem zehnminütigen Spaziergang stand ich vor der neuen Feuerwache, wo mehrere Männer sich freundlich unterhielten, während sie das große, neue Löschfahrzeug wuschen und polierten. Keinen halben Block weiter fand ich, was nur das Armenhaus sein konnte.

Das eingeschossige Gebäude mit kleinen Wohnungen wirkte, als wäre es durch die Not zusammengepresst worden, als gehörte die Seelenlosigkeit ebenso wie die abbröckelnde Farbe und die mit Teppichen verhängten zuerbrochenen Fensterfronten dazu. Der Geruch von Urin und verdorbenem Essen drang daraus hervor. Ein ältlicher Mann mit einem Glasauge saß zusammengesunken vor einem Raum mit einer schäbigen Tür, und ich glaubte schon, er wäre nicht mehr am Leben, bis er einmal zitterte und hustete. Eine fettleibige blinde Frau mit einem weißen Stock hockte ebenso abwesend vor der nächsten Wohneinheit. Sie schaute blicklos auf, als sie ohne Zweifel mein Vorbeigehen gehört hatte, dann stand sie von der Milchkiste auf, auf der sie gesessen hatte, schlich zur Tür und ging hinein. Die Tür knallte zu.

Die letzte Wohnung erschien mir dunkler als der Rest, obwohl das Sonnenlicht hier ebenso wie bei allen andern Apartments hereinschien. Ein Briefkasten ohne Tür ließ keine Rückschlüsse auf den Namen des Bewohners zu, und mir fiel eine mit Fett befleckte Mülltüte am Straßenrand auf, die voller heruntergebrannter Kerzenstummel, alter Glühbirnen und leerer Lebensmitteldosen, in denen Fliegen herumkrochen, war. Der aufgerissene Gehweg führte weiter, und ich blieb vor einem merkwürdigen Türklopfer stehen, der in der Mitte der lädierten Tür hing: ein einfaches Oval aus fleckiger Bronze, das ein mürrisches, halb ausgebildetes Gesicht darstellte. Nur zwei Augen, weder Mund noch Nase, keine weiteren Gesichtszüge.

Widerstrebend fasste ich den Türklopfer an und starrte unsicher auf das Namensschild, das direkt darüber befestigt war: C. ZALEN.

III

Was sich hinter der sich öffnenden Tür befand, entsprach schon eher meinen Erwartungen: ein dünner, blasser Mann, der jedes Anzeichen für den körperlichen Verfall aufwies. Er trug noch immer den schäbigen schwarzen Regenmantel, der offen stand und enthüllte, dass er kein Hemd anhatte, eine eingesunkene Brust und hervorstehende Rippen besaß. Seine ausgefranste Hose war an den Knien abgerissen worden, sie war seine ganze Kleidung unterhalb der Gürtellinie, abgesehen von den auseinanderfallenden Schuhen. Seine tief eingesunkenen Augen schienen fast gar nicht existent wegen der riesigen Augenringe darunter. Ich gab mir die größte Mühe, ihn anzulächeln und unerschrocken zu wirken.

»Ah, Mr. Zalen. Mein Name ist Foster Morley. Ich habe gesehen, wie Sie durch den Wald den Weg nach Hause abgekürzt haben, aber anscheinend haben Sie mich nicht gehört.«

Der Mann runzelte die Stirn. Er hatte sein langes schwarzes Haar, das er nur selten zu waschen schien, entweder mit Haaröl oder, was viel wahrscheinlicher war, mit dem darin befindlichen Fett nach hinten gestrichen. »Was wollen Sie?«, fragte er mich mit einer Stimme, die härter klang, als ich es bei so einem ruinierten Unglücklichen erwartet hätte.

»Sie sind der Fotograf, nicht wahr? Der Zeitungsmann, oder bin ich da falsch informiert?«

»Das ist eine Ewigkeit her, aber ich schätze, wenn Sie über mich informiert sind, dann sind Sie entweder von der Polizei oder ein Klient … und Sie sehen nicht wie ein Polizist aus, also kommen Sie lieber rein.«

Also scheint er noch immer einige Klienten zu haben, die ihn als Fotografen buchen, dachte ich. Was bedeutete, dass er zumindest etwas Geld verdienen musste. Er bat mich in ein Wohnzimmer, das sehr heruntergekommen aussah. Darin standen nur wenige Möbel, darunter eine Couch ohne Beine, und eine große hölzerne Kabeltrommel diente als Tisch. Ein chemischer Geruch in der Luft deutete darauf hin, dass er irgendwo Fotos entwickelte. Bevor er hereinkam und die Tür verriegelte, sah er nach links und rechts, als würde dort draußen etwas Verdächtiges lauern. Dann griff er seltsamerweise hinter ein Buchregal, dessen Bretter sich in der Mitte durchbogen, und zog einen einfachen Ordner hervor.

»Fünfzig Cent das Stück, Mr. Morley«, sagte er zu mir und reichte mir den Ordner. »Ich sehe an Ihrer Kleidung, dass es Ihnen besser geht als den meisten heutzutage. Sie wollen kaufen, nicht verkaufen.«

Ich hatte nicht die leiseste Ahnung, was er meinte, aber ich sah dem Ordner seitlich an, dass er mengenweise Fotos enthielt. Augenblicklich durchströmte mich eine Aufregung ob der Dinge, die mich erwarteten. Mary musste mich trotz ihres Abscheus gegen diesen Mann hier angekündigt und ihm erzählt haben, was ich von ihm wollte. Nervös setzte ich mich und schlug den Ordner auf …

Zu was für einem schrecklichen Ort die Welt in solchen Zeiten werden konnte. Ich hätte mich beinahe auf die widerwärtigen Bilder übergeben, die mir von den glänzenden Oberflächen der Fotos entgegensprangen. Das waren weder Bilder von

Lovecraft noch von dem Olmstead vergangener Zeiten. Das war schlicht und einfach Pornografie.

Die Szenen, die sich auf den wenigen Seiten abspielten, die ich mir ansah, ließen sich nicht beschreiben. Ich kann nur sagen, dass die Fotografien selbst erschreckend lebhaft und von einem Experten angefertigt worden waren.

»Aber die mit dem weißen Mädchen, das es mit den farbigen Typen treibt, kosten jeweils einen Dollar«, fuhr er fort. Dann zog er den abgewetzten Regenmantel aus und hängte ihn auf einen Nagel an der Wand. »Wenn Sie auf Kinder stehen, die kosten zwei Dollar das Stück.«

Ich warf ihm den schaurigen Ordner zu. »Das ist … nicht das … weswegen ich hier bin.«

»Ach, dann sind Sie doch ein Verkäufer? Tja, Sie müssen mir im Voraus den Film und die Entwicklung bezahlen, und ich kriege die Hälfte vom Verkaufspreis. Aber denken Sie daran, wenn sie nicht hübsch genug sind, mach ich mir gar nicht erst die Mühe, denn dann kann ich die Bilder nicht verkaufen. Und zu je mehr Sachen Sie sie überreden können, umso teurer kann ich die Bilder verkaufen.«Meines Nichtbegreifens wegen verwirrt erwiderte ich einfach nur: »Was?«

Er warf mir einen messerscharfen Blick zu. »So ist das Geschäft, Mann! Sie haben ein paar heiße Töchter und wollen, dass ich sie nackt fotografiere oder wie sie gerade ein paar Typen ficken, oder?«

Ich starrte ihn an. »Nein«, krächzte ich. »Ich habe keine Kinder.«

»Was wollen Sie dann, Morley?«, schrie er mich auf einmal an. »Ich brauche Geld, und Sie vergeuden meine Zeit! Verschwinden Sie von hier!«