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Inzwischen setzte mir die Hitze ganz schön zu. Ich beförderte mein Sakko und die Krawatte in die Aktentasche und marschierte weiter. Wie Lovecraft war ich daran gewöhnt, täglich längere Strecken zu Fuß zurückzulegen. Vielleicht ist der Meister ebenfalls diese Straße entlanggegangen, grübelte ich. An beiden Seiten des Weges standen Bäume. Die beschauliche Ruhe der Szenerie kam mir sehr gelegen nach der unangenehmen Angelegenheit mit Cyrus Zalen.

Ah!, dachte ich, als mir der Briefkasten am Ende einer langen, staubigen Auffahrt auf der westlichen Straßenseite auffiel. Darauf stand der Name Simpson, und ich war augenblicklich versucht, Zalens schrägen Ratschlag zu befolgen und hineinzugehen, um mich Marys Stiefvater und Kindern vorzustellen, doch dann besann ich mich eines Besseren. Mary hatte angedeutet, dass es ihrem Stiefvater nicht gut ging. Warte lieber noch damit, lautete meine weise Entscheidung. Wenn es das Schicksal wollte, dass ich ihrem Stiefvater begegnete, sollte Mary zugegen sein.

Möglicherweise erzeugte die plötzliche Abgeschiedenheit den Gedanken, doch als ich weiterging, hatte ich das höchst unangenehme – geradezu sprichwörtliche – Gefühl, beobachtet zu werden. Durch die Bäume auf der küstenwärtigen Seite konnte ich recht weit sehen; ich vermochte sogar den Rand von Innswich Point auszumachen, aber ostwärts? Dort lauerte der Wald tief und dunkel. Lediglich mit dem Grenzbereich meines Gehörsinns, könnte ich schwören, hörte ich etwas sich verstohlen bewegen. Bloß ein Waschbär, höchstwahrscheinlich, oder einfach nichts weiter als Einbildung, aber dann stieg mir ein köstlicher Duft in die Nase. Der Stand am Straßenrand und die Räucherei lagen direkt vor mir, und jetzt lockte das einfache Schild mich: ONDERDONK & SOHN. RÄUCHEREI – MIT FISCH GEFÜTTERTE SCHWEINE. Große, eingepferchte Schweine – fünf an der Zahl – grunzten, als ein junger Mann in den frühen Zehnern ihren Trog mit gekochten Stinten und anderen Köderfischen füllte. Erfreut stellte ich fest, dass am Straßenrand mehrere Fahrräder und zwei Kraftfahrzeuge geparkt waren, deren Besitzer sich am Stand anstellten. Es war immer schön, ein florierendes Gewerbe zu sehen.

Als ich an die Reihe kam, wurde ich von einem wettergegerbten Mann in Overall bedient, der eine eingedellte Eisenbahnermütze trug und vermutlich der Namensgeber dieses Unternehmens war. »Was darf es sein, Fremder?«, erkundigte sich eine raue Stimme mit leichtem europäischen Akzent.

Ich sah keine Speisekarte. »Es riecht wirklich köstlich. Was haben Sie anzubieten, Sir?«

»Schweinenacken-Sandwiches oder Hachsen mit Bohnen. Die meisten nehmen den Schweinenacken. Einen besseren werden Sie nicht finden, und wenn’s nicht schmeckt, müssen Sie’s nicht bezahlen.«

»Das klingt vertrauenerweckend!«, erwiderte ich erfreut. »Das nehme ich.« Einen Augenblick später wurde mir ein Sandwich mit besagtem Schweinenacken gereicht, das halb in Zeitungspapier eingewickelt war.

»Beißen Sie vor dem Bezahlen einmal ab«, erinnerte mich Onderdonk. »Und dann sagen Sie mir, dass es nicht das Beste ist, was Sie je gegessen haben.«

Ein Bissen bestätigte seine Aussage. »Es ist hervorragend, Sir«, versicherte ich ihm. »Ich habe von Kansas bis zu den Carolinas Schweinenacken probiert, sogar in Texas … Dieser hier übertrifft alles.«

Onderdonk nickte unbeeindruckt. »So was macht ein Fischer, wenn er nicht mehr richtig fischen kann. Ich glaube, man nennt es Genialität. Ich hatte die Idee, die Schweine mit Fisch zu füttern. Dadurch wird das Fleisch feuchter und man kann es langsamer und länger räuchern.«

»Das ist definitiv ein Erfolgsrezept«, beglückwünschte ich ihn. Ich bestand darauf, dass er das Wechselgeld von meinem Dollar für das Fünfundzwanzig-Cent-Sandwich behielt. »Aber … waren Sie früher wirklich Fischer?«

»Wie mein Vater und sein Vater vor ihm und so weiter.« Auf einmal wirkte der raue Mann ein wenig verärgert. »Ich kann nicht mehr fischen. Das ist nicht richtig. Aber das hier läuft anständig.«

Meine Neugier war geweckt. »Wie man sehen kann, Sir, komme ich nicht aus dieser Gegend, aber was mir in Olmstead – in der Gegend rund um Innswich Point – aufgefallen ist, dass es mehr als reichlich Fisch zu geben scheint.«

»Das ist richtig – aber nur für Olmsteader, und das sind mein Junge und ich nicht, obwohl wir dieses Stück Land schon seit Urzeiten besitzen.« Mit dem Thema hatte ich offensichtlich einen wunden Punkt getroffen. »Was die betrifft, sind wir Außenseiter. Immer, wenn mein Junge und ich fischen wollten, kamen sie uns in die Quere. Einige dieser Olmsteader sind echt ein rauer Haufen. Ich lass meinen Jungen doch nicht wegen ein paar Fischen zusammenschlagen.«

Territorialismus, dachte ich mit einem Mal. Er war weiter verbreitet, als die meisten Menschen wussten; in meiner Heimatstadt waren die Hummerfängerfamilien bekannt für ihre Fehden, ebenso die Muschelfänger. »Das ist bedauerlich, Sir. Aber der Beweis für Ihre Genialität hat einen alternativen Markt geschaffen, der gewiss florieren wird.«

»Hm«, brummte er.

»Dann nehme ich an, wegen der Gebietsangelegenheit müssen Sie den Fisch kaufen, mit dem Sie Ihre Schweine füttern?«

»Nee, den fangen wir selbst – sehen Sie, jede Nacht schleichen mein Junge und ich uns ans nördliche Ende des Points und werfen ein paar Netze ins Wasser, dann schleichen wir uns wieder zurück. Wir sind nicht länger als zehn Minuten auf dem Wasser, dann sind wir wieder verschwunden. Die Zeit reicht gerade mal für ein oder zwei Eimer Köderfische, aber mehr brauchen wir für die Schweine nicht.«

»Nun, immerhin funktioniert ihr System.«

»Sieht ganz so aus.« Der junge Sohn des Mannes stellte sich jetzt neben seinen Vater. Onderdonk klopfte ihm auf die Schulter. »Er arbeitet hart für so einen jungen Kerl, und ich will, dass er das Richtige lernt. Das ist die amerikanische Lebensart.«

»Das ist sie in der Tat«, erwiderte ich und lächelte den Jungen an, doch dann fragte ich Onderdonk: »Zufälligerweise bin ich auch ein großer Freund von Schweinerippchen. Bieten Sie diese ebenfalls an?«

»Rippchen? Ja, aber nur zweimal die Woche. Die sind immer in wenigen Stunden ausverkauft. Wenn Sie in zwei Tagen wiederkommen, haben wir wieder welche.« Er deutete auf den Schweinepferch. »Schon bald werden mein Junge und ich Harding schlachten. Harding ist der Fettsack da drüben.«

Ich ging davon aus, dass er das größte Schwein meinte. Doch ich musste lachen. »Aber Sie haben Ihr Schwein doch nicht nach Amerikas 29. Präsidenten benannt?«

»Das habe ich getan!«, erwiderte er. »Und ich bin verdammt stolz darauf. Harding hat doch nichts geleistet, und dieser Teapot-Dome-Skandal hat dafür gesorgt, dass die Börsen zusammenbrachen, und Amerika zu dem gemacht, was es heute ist.«

Dagegen konnte ich kaum etwas einwenden, war aber dennoch amüsiert.

»Erst ein ehrlicher Kerl – Calvin Coolidge – hat dafür gesorgt, dass das höchste Amt der Nation wieder den Respekt bekam, den es verdient. Jawohl, Sir!« Er zwinkerte mir zu. »Ich werde garantiert kein Schwein Coolidge nennen. Aber in diesem Stall haben wir außerdem Taft, Wilson, Garner und diesen Sozialisten FDR!«

Himmel. Der Mann hatte gewiss politische Überzeugungen, die sonderbar für einen einfachen Arbeiter waren. »Schön«, entgegnete ich. »Dann werde ich übermorgen wiederkommen und Hardings geräucherte Rippchen kosten.«

»Tun Sie das, Sir, Sie werden nicht enttäuscht sein.«