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Mein Gott …

… Schwimmhäute.

Beim Anfassen – und ich weiß nicht, was mich dazu veranlasst hat, eines dieser Dinger anzufassen –, fühlte die Haut sich seltsam feucht, schleimig und gummiartig an, ähnlich wie Froschhaut. Aber die schrecklichste Entdeckung erwartete mich noch: Wenigstens die Hälfte dieser deformierten Verblichenen hatte Schlitze entlang der Kehle. Wie Kiemen.

Genau wie in der Geschichte, ratterten meine Gedanken. Konnte das denn wirklich wahr sein? Wahnsinn, dachte ich stattdessen. Gewiss konnten unterirdische Gase, die bekannt dafür waren, sich in Höhlen und Tunneln wie diesen zu sammeln, Halluzinationen hervorrufen. Es war mein Unterbewusstsein, derzeit benebelt von solchen Ausströmungen, das mich glauben ließ, Lovecrafts größtes Werk würde auf einer Art biologischer Tatsache basieren. Ich trat zurück von dem grausamen Haufen klaffender Münder; nicht blinzelnder glasiger kugelförmiger Augen; blasser, verbogener Gliedmaßen; und Ohren, die teilweise oder komplett geschrumpft zu sein schienen, auf haarlosen, halbmenschlichen Schädeln. Verletzungen waren ohne Frage die Todesursache dieser missgebildeten Opfer gewesen: Wunden, fast ausschließlich am Kopf und an der Brust, und es gab Hinweise, dass der überwiegende Teil der Wunden von Klauen und Zähnen hervorgerufen worden war.

Ich war von diesem höchst monströsen und unglaublichen Anblick zu überrascht, um weiter nachdenken zu können. Ich hatte keine Wahl, als meine geistige Gesundheit ernsthaft zu bezweifeln, doch dann hörte ich wie in der ersten Kammer des Todes erneut das Geräusch näher kommender Schritte …

Erneut löschte ich mein Licht und duckte mich hinter eine Flanke aufgeschichteter halbmenschlicher Leichen, als ein Licht – nein, mehrere – erkennbar wurden. Aber auch Stimmen waren dieses Mal zu vernehmen, wenigstens zwei; und das an der entferntesten Ecke der Kammer hereinscheinende Licht ermöglichte mir, einen weiteren rückwärtigen Ausgang zu erspähen. Inzwischen musste ich davon ausgehen, dass das Tunnelnetzwerk wahrhaft gigantisch war. Zwei Gestalten tauchten auf, eine größere und eine kleine, von denen jede eine Kerzenfischfackel in der Hand hielt. Die flackernden, qualmenden Flammen warfen überall schroffe Schatten, die einem grauenvollen, kaleidoskopischen Albtraum entsprungen schienen.

»Müssen uns beeilen, Sohn, wie wir’s immer tun«, sagte eine raue, erwachsene Stimme mit erkennbarem Akzent. »Man weiß nie, wann einer ihrer Wächter hier herumschnüffelt.«

»Ich weiß, Dad«, erwiderte die Stimme eindeutig eines Jungen.

»Schneid die Bizepse und Waden raus, wie ich’s dir gezeigt hab, und ich hacke die Rippen und Bäuche raus. Lass uns versuchen, eine ganze Menge in kurzer Zeit zusammenzukriegen, ja, Sohn?«

»Klar, Dad.«

Das qualmende Licht entlarvte mühelos die neuen Eindringlinge: Onderdonk und sein junger Sohn. Sie mussten einen eigenen Tunnel entdeckt haben, der ihnen Zutritt verschaffte, ohne dass sie von der Stadt aus gesehen wurden, in der sie offensichtlich nicht willkommen waren. Mit beachtlichem Geschick holte der Junge mehrere Leichen vom Haufen und schnitt innerhalb von Sekunden das Fleisch von Armen und Beinen ab. Derweil hackte der Vater mit einem Beil in jeder Hand systematisch die Rippen weiterer Leichname klein und trennte sorgsam die Bauchdecke ab. Nachdem sie jeder etwa ein halbes Dutzend der toten, halb menschlichen, halb amphibischen Monstren bearbeitet hatten, wechselten sie. Minuten später hatten sie ihre Schlachtwaren in Leinensäcken verpackt.

»Gute Arbeit, Sohn«, lobte Onderdonk den Jungen. »Wette, wir haben hier genug Fleisch für mehr als eine Woche zum Räuchern.«

»Hoffentlich verdienen wir viel Geld damit, Dad.«

»Das ist mein Junge.« Der Erwachsene lächelte stolz und tätschelte seinem Sohn den Kopf. »Das ist Gottes Art, auf gottesfürchtige Menschen wie uns aufzupassen, indem er dafür sorgt, dass diese Halbblüter gleichermaßen nach Fisch und Schwein schmecken. Welche Wahl haben wir auch schon, wo uns diese Teufelsanbeter aus Olmstead nicht in ihrem Meer fischen lassen?«

»Ja, Dad. Ich bin froh, dass Gott derart auf uns aufpasst.«

»Wir haben ziemliches Glück, Sohn, und das dürfen wir niemals vergessen. Für viele andere sind die Zeiten härter.«

»Aber, Dad?« Der Junge sah seinen Vater einen Moment zweifelnd an. »Wie kommt es, dass sie nicht verrotten und stinken, du weißt schon, so wie an dem anderen Ort?«

»Es ist, weil die Leichen an dem anderen Ort alles reinblütige Menschen wie wir sind, aber diese hier?« Onderdonk tätschelte den glatten grünlichen Bauch einer Frau, deren Gesicht und Brust eher krötenartig aussahen, inklusive der Warzen. »Alle von denen hier sind wenigstens halb voll mit Fischblut wie dieses Weibsstück hier«, bei diesen Worten wiegte er herzlos eine warzenschimmernde Brust. »Diese hier gehört vermutlich zur vierten Generation, so wie viele andere – die sind bereits verwandelt. Aber selbst die erste Generation reicht, um zu verhindern, dass sie richtig verrotten, Junge, und Käfer und Ungeziefer wollen nicht an die ran. Das liegt am Fischblut, weißt du? Darum verrotten sie nicht und darum können sie auch nicht sterben, es sei denn, man bringt sie um, absichtlich oder durch einen Unfall.«

»Oh«, erwiderte der Junge, »das ist irgendwie klasse.«

»Hmmm. Jetzt hilf mir, diese Überbleibsel zurückzuwerfen.«

Entgeistert sah ich von meinem Versteck aus mit an, wie die beiden die Schlachtreste hochhievten und über den Grat der Haufen hinwegwarfen, offensichtlich um zu verhindern, dass die »Wächter« herausfanden, was sich hier abgespielt hatte.

»So«, hallte Onderdonks Flüstern durch die Höhle, »lass uns abhauen.«

In dem flackernden Licht beobachtete, wie sie davonzogen, die Säcke mit dem stibitzen Fleisch über die Schulter geworfen.

Doch das Übelkeitsgefühl in meinem Magen hatte mich längst gepackt: Die Beute aus dieser außergewöhnlichen Leichenkammer war offensichtlich das, was Onderdonk ahnungslosen Kunden als »mit Fisch gefüttertes Schwein« verkaufte. Eine kleine Portion davon befand sich derzeit in meinem Verdauungstrakt. Als es mir sicher erschien, taumelte ich davon. Mir war nur allzu bewusst, dass dies alles nicht der Effekt halluzinogener Gase war. Nachdem ich einige Meter zurück in den Tunnel gegangen war, erbrach ich den gesamten Inhalt meines Magens.

Draußen auf den felsigen Klippen außerhalb des Tunnels fiel ich auf die Knie und war erleichtert über die frische Luft und den Anblick der normalen Welt: das Mondlicht, der Hafen, die Docks und die Häuser entlang der Küste. Ja, die normale Welt. Ich dankte Gott, denn ich wusste jetzt, wie dünn der Schleier war zwischen Normalität und vollkommener, unsagbarer Bösartigkeit. Wer wusste schon, welche anderen anomalen Scheußlichkeiten die Welt direkt unter ihrer Oberfläche verbarg? Ich lehnte mich an den Felsen und lauschte dem Wasser, das gegen die Pfosten des Piers und gegen die Küste schlug – ein Teil von mir war wie gelähmt, nicht bloß wegen dem, was ich gesehen hatte, sondern wegen dem, was dies alles bedeutete.

Ich ließ die salzige Luft über mein Gesicht streifen und meine Lungen füllen. Ich wusste, mein Körper und mein Geist benötigten einige Augenblicke der Ruhe, bevor ich die Folgen meines nächsten Schrittes berechnen konnte. Ich starrte stumm auf das vom Pier umgebene Hafenbecken und beobachtete, wie die Boote vom Wellengang sanft hin und her geschaukelt wurden, als mein Blick auf die kaum erkennbare Anhöhe der Sandbank fiel.

Lovecrafts Teufelsriff, schoss es mir durch den Kopf. Wenigstens das war reine Erfindung gewesen, aber wer würde den Rest glauben? Glaubte ich selbst es denn?