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Der Bus schien eine volle Minute lang Rauch auszustoßen, bevor der Motor endlich zum Stillstand kam. Das halbe Dutzend schäbiger Fischer stand nahezu gleichzeitig von den Sitzen auf und stieg dann mitsamt Angelruten, Ausrüstung und Netzen aus. »Fünfzehn Minuten, falls Sie sich mal die Beine vertreten und Luft schnappen wollen«, informierte mich der Fahrer, ohne mich anzusehen. »Sie wollen doch nach Salem, oder?«

»Ja, Sir. Vielen Dank«, entgegnete ich und verließ nach ihm den Bus. Er ging über die sterile Straße und auf ein Geschäft zu.

Der Geruch nach Fisch und Ebbe kam aus der Richtung herübergeweht, in der die Küste liegen musste. Der widerliche Gestank, der Robert Olmstead in der Geschichte derart abgestoßen hatte, blieb allerdings aus. Das Stadtzentrum war nicht bemerkenswert. Ein Blockhaus stand neben dem nächsten. Einige schienen Wohnhäuser zu sein, da an den Fenstern Wäsche zum Trocknen aufgehängt worden war, während andere geschäftlich genutzt wurden, auch wenn kaum Hinweise auf hiesige Handelsaktivitäten zu erkennen waren. Bei dem Gedanken an die Übereifrigkeit, die ich empfunden hatte, musste ich grinsen. Die Namensgleichheit schien tatsächlich nur ein Zufall zu sein. Und dieser Ort hat Lovecraft ebenso wenig kreativ beeinflusst wie jeden anderen Reisenden, da man ihn nur als glanzlos, unscheinbar und langweilig beschreiben konnte, dachte ich.

Als ich näher kommende Schritte hörte, die mich aus diesem jugendlichen Anflug von Enttäuschung rissen, erwartete ich, den frostigen Fahrer wiederzusehen, doch stattdessen sah ich in das lächelnde Gesicht eines lebhaften, gut gebauten Mannes meines Alters, vielleicht auch etwas jünger als ich, der einen klassischen Anzug mit Krawatte trug und dessen dunkelbraunes Haar ordentlich gekämmt war. Er hatte einen Aktenkoffer bei sich und trug einen dieser schicken beigen Strohhüte, die heutzutage bei den jüngeren Männern so in Mode waren. Sein Gesichtsausdruck wirkte seltsamerweise eher erleichtert, obwohl ich mir sicher war, dass wir uns noch nie zuvor begegnet waren.

»Wie geht es Ihnen?«, begrüßte er mich.

»Mir geht es gut und Ihnen hoffentlich auch.«

»Entschuldigen Sie die Störung, aber ich freue mich so, Ihr Gesicht zu sehen, mehr als bei jedem anderen hier.« Seine Augen erblickten den sperrigen Bus. »Gehe ich recht in der Annahme, dass Sie auf der Durchreise sind?«

»Ja, das ist richtig. Ich bin auf dem Weg nach Salem. Mein Name ist Foster Morley …«

»William Garret«, erwiderte er und schüttelte herzlich meine Hand. Dann flüsterte er: »In dieser Stadt wohnen seltsame Leute, finden Sie nicht auch?«

»Das ist mir bisher noch nicht aufgefallen«, gestand ich. »Außer Ihnen habe ich bisher noch niemanden gesehen. Und Sie sind offensichtlich kein ›Olmsteader‹, um den Ausdruck des Fahrers zu gebrauchen.«

»Nein, das bin ich nicht. Ich komme aus Boston und bin Buchhalter – äh, ich sollte sagen, ein arbeitsloser Buchhalter. Haben Sie zufällig einen blonden Mann hier vorbeigehen sehen?«

»Leider nicht. Ich vertrete mir nur ein wenig die Beine, bevor der Bus weiterfährt. Warum fragen Sie?«

Jetzt wirkte er auf einmal sehr viel angespannter. »Er ist mein Freund, müssen Sie wissen … Sein Name ist Poynter. Wir haben in derselben Firma gearbeitet und beide die Anstellung verloren, als diese Rezession, wie sie es nennen, unseren Geschäftszweig in Mitleidenschaft gezogen hat. Er ist vor einem Monat hierher gekommen und hat mir vor Kurzem geschrieben, dass er Arbeit gefunden hätte. Aber jetzt kann ich ihn nicht finden.«

»Ist dem so? Hat er denn geschrieben, wer ihn eingestellt hat?«

»Einer der Fischereibetriebe unten am Hafen, um die Bücher zu führen.« Mit diesen Worten drehte er sich um und deutete auf den Ursprung des fischigen Meeresgeruchs. »Da unten gibt es einige, aber keine, die ich aufgesucht hatte, wusste etwas über meinen Freund, und niemand will einen Buchhalter einstellen.«

»Vielleicht hat Ihr Freund Poynter seinen neuen Job schon wieder aufgegeben und die Stadt verlassen«, schlug ich vor.

»Nein, nein, das würde er nicht tun. Er hat mich erwartet.«

Meine nächste Frage schien mir die naheliegendste zu sein. »Wo wollte er sich nach Ihrer Ankunft denn mit Ihnen treffen?«

Nun deutete Garret auf ein mehrstöckiges Blockhaus auf der anderen Straßenseite. »In dem Motel dort, dem Hilman House. Ich habe mir ein Zimmer genommen – kostet nur fünfzig Cent die Nacht, darüber kann ich mich nicht beschweren –, aber das Seltsame ist …« Er machte eine Pause, um die Spannung zu steigern. »Als ich mich angemeldet habe, hat man mir berichtet, dass Leonard Poynter, mein Freund, dort tatsächlich ein Zimmer gemietet hat und weiterhin Gast sei. Das Problem ist nur, dass ich ihn beim besten Willen nicht finden kann.«

Mr. Garret war offensichtlich verwirrt, aber die ganze Situation war auch mir rätselhaft. Diese krankhafte Aufregung stieg erneut in mir auf, und jetzt wusste ich genau, dass ich auf etwas gestoßen war. Zuerst eine Stadt und eine Figur, die beide den Namen Olmstead trugen, und jetzt das?

In Lovecrafts Schatten über Innsmouth steigt die Hauptfigur in einem Hotel namens Gilman House ab, und jetzt stand ich hier vor einem Motel, das Hilman House genannt wird. Das konnte nun wirklich kein Zufall mehr sein. Das war einfach nicht möglich. Etwas an dieser langweiligen Stadt schien Lovecraft immerhin so stark beeinflusst zu haben, dass er Namen daraus entlehnt hatte, und ich war auf einmal überzeugt davon, dass es hier noch weitere Einflüsse zu finden gab, die nur ihrer Entdeckung harrten.

Garret trat näher an mich heran, und in seinen Augen zeichnete sich die Besorgnis ab. »Mr. Morley? Geht es Ihnen gut?«

Seine Stimme riss mich aus meinen Überlegungen. »Oh, entschuldigen Sie bitte. Mir ging da gerade etwas durch den Kopf. Aber wissen Sie was? Ich werde ebenfalls einige Tage hierbleiben.«

»Großartig!« Er flüsterte erneut, doch jetzt umspielte ein leises Lächeln seine Lippen. »Es ist gut zu wissen, dass ich dann nicht der einzige normale Mensch in dieser Stadt sein werde.«

Ich lachte verwirrt auf, aber bevor ich noch etwas sagen konnte …

»Hallo, meine Herren«, grüßte uns eine sanfte Stimme.

Wir drehten und beide mit geweiteten Augen um und erblickten eine gewöhnlich gekleidete, aber außerordentlich attraktive Frau. Sie kam den Gehweg herunter, hatte die Arme voller Einkäufe und grinste uns beide überaus freundlich an.

Garret tippte sich an den Hut. »Miss …«

»Ein wunderschöner Tag, nicht wahr?«, warf ich ein.

»Oh ja, das ist er«, erwiderte sie, und das war auch schon das Ende unserer Unterhaltung.

»Ein echter Hingucker«, flüsterte Garret.

»Das kann man wohl sagen«, erwiderte ich leicht beschämt, denn das überaus gute Aussehen dieser Frau hatte bewirkt, dass ich sie weitaus länger als für mich üblich angestarrt hatte. Ihr Busen ließ sich nur als ungezügelt beschreiben, da er nicht nur üppig war, sondern überdies nicht durch ein Korsett eingezwängt schien. Der Respekt, den ich für meinen christlichen Glauben hegte, rief mir die Worte ins Gedächtnis, die Jesus über die Lust gesagt hatte, aber nicht schnell genug, um rechtzeitig den Blick abzuwenden.

»Wie sagt man in England so schön?«, meinte mein Freund kichernd. »Das ist eine wandelnde Milchbar.« Dann beugte er sich weiter zu mir herüber und fügte diskret hinzu: »Aber da ist noch etwas Seltsames, das diese kleine Stadt an sich hat.«