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»Foster, Sie sehen ja …«

»Sprachlos aus?« Ich lachte. »Dem ist auch so, Mary. Es mag Ihnen eigenartig erscheinen, aber die Werke von Lovecraft sind mein größtes Hobby. Ich verfolge es mit großer Leidenschaft und interessiere mich auch für jede Information über sein Leben. Von daher ist dies ein großes Glück für mich. Sie könnten mir tatsächlich helfen, meine Neugier weiter zu befriedigen. Bitte erlauben Sie mir, Sie und Ihren Bruder in den nächsten Tagen zum Abendessen einzuladen. Dann könnte ich nicht nur Ihre wunderbare Gesellschaft genießen, sondern auch Paul – so heißt er doch, nicht wahr? – einige Fragen über Lovecrafts Besuch stellen …« Doch dann überkam es mich siedend heiß, als mir mein Fauxpas bewusst wurde. »Entschuldigen Sie, Mary, natürlich meine ich Sie, Ihren Bruder und Ihren Ehemann.«

Bei diesem Kommentar schreckte Mary nicht zurück, sondern erwiderte nur: »Oh, das tut mir leid, aber mein Ehemann hat sich als kein sehr guter herausgestellt. Er hat mich für eine andere Frau verlassen und ist mit ihr nach Maryland gegangen.«

»Das bedauere ich sehr, Mary. Sie haben etwas Besseres verdient als so einen verantwortungslosen Rüpel.« Es machte mich wütend, dass es ein Mann wagte, seine schwangere Frau zu verlassen.

»Ach, es ist schon in Ordnung. Das ist eine der Lektionen, die man im Leben lernen muss«, erwiderte sie überraschend fröhlich. »Mein Stiefvater sagt immer, aus den härtesten Lektionen lernt man am meisten.«

»Wie wahr.«

»Und ich habe ein gutes Leben. Meine Arbeit macht mir Spaß, und ich lebe in einer schönen Stadt. Ich fühle mich gesegnet.«

»Eine selbstlose und lobenswerte Haltung. Es gibt heutzutage zu viele Menschen, die so vieles als gegeben hinnehmen«, erwiderte ich.

»Und mein Bruder Paul …« Sie richtete den Blick kurz zu Boden. »Ihm geht es leider nicht so gut, fürchte ich, und er kann das Haus nicht verlassen.«

Ich wusste nicht, was ich darauf sagen sollte, daher ging ich nicht näher darauf ein, sondern meinte nur: »Oh, das ist aber schade. Hoffentlich erholt er sich bald wieder.«

»Aber ich unterhalte mich gern jederzeit mit Ihnen über Mr. Lovecraft. Sie müssen wissen, dass Paul den Mann sehr faszinierend fand und er mir alles erzählt hat, worüber die beiden während Mr. Lovecrafts Aufenthalt gesprochen haben.«

»Dann müssen wir das unbedingt tun.«

Sie reagierte mit einem angedeuteten schüchternen Lächeln. »Wenn Ihre Frau nichts dagegen hat, dass Sie mit einer anderen Frau essen gehen.«

»Ich habe nie geheiratet«, platzte ich heraus, und mit einem Mal wurde mir die leicht prekäre Situation bewusst. Sie trug schließlich das Kind eines Trottels unter dem Herzen.

»Das kann doch nicht Ihr Ernst sein!«, entgegnete sie, nachdem sie noch einen Löffel voll Eis gegessen hatte. »Ein gut aussehender Gentleman wie Sie mit so guten Manieren hat nie geheiratet?«

Ich hoffte, dass ich bei ihren Worten nicht errötet war. »Ich befürchte, es gibt keine Frau, die mich ertragen könnte«, sagte ich mit einem Lachen. »Ich bin viel zu zügellos.«

»Oh, das glaube ich nicht!«

»Aber es stimmt. Ich komme morgen Vormittag vorbei, dann können Sie mir sagen, wann es Ihnen passt.«

»Das klingt großartig, Foster. Ich freue mich schon darauf.«

Inzwischen fühlte ich mich ein wenig schuldig, dass ich mich zu einer Frau hingezogen fühlte, die schwanger war, aber mein Interesse war natürlich rein platonischer Art. Außerdem stellte dies eine großartige Gelegenheit da. Alles, was mir Mary über die Unterhaltungen zwischen Paul und dem Meister berichten konnte, interessierte mich sehr. Ich wollte die Unterhaltung schon fortsetzen, als die Glocke über der Tür ertönte und jemand hereinkam.

»Oh, hallo, Dr. Anstruther«, begrüßte Mary den Neuankömmling.

»Hallo, meine Liebe …«

»Dr. Anstruther, darf ich Ihnen Foster Morley vorstellen? Er macht hier Urlaub.«

Ich drehte mich zu einem distinguierten gut gekleideten Mann mit eisengrauem Haar und ebensolchem Bart um. »Wie geht es Ihnen, Sir?« Mit diesen Worten schüttelte ich eine weiche, aber kräftige Hand.

Er grinste breit. »Mir geht es hervorragend, Mr. Foster. Wie gefällt Ihnen unsere kleine Stadt?«

»Ich finde sie ganz faszinierend, Sir, sie ist sehr sauber und angenehm.« Ich warf einen kurzen Blick zu Mary hinüber. »Und die Einwohner sind ebenfalls sehr nett.«

»Oh ja. Falls Sie es noch nicht wussten, Sie kosten soeben die Erzeugnisse der allerersten Eismaschine von Olmstead. Es gab ein ziemliches Aufsehen, als sie aufgebaut wurde.«

»Gott segne derartigen Luxus!«, versuchte ich zu scherzen.

»Uns geht es gut, während andere Städte den Bach runtergehen – das ist in dieser wirtschaftlich schwierigen Lage schon eine Leistung. Wir haben in letzter Zeit großes Glück gehabt.« Er drehte sich zu Mary um und reichte ihr ein Blatt Papier. »Mary, könntest du bitte nach dieser Nummer sehen? Ich erwarte eine dringende Lieferung. Mrs. Crommers Wehen könnten jetzt jeden Tag einsetzen.«

»Das hatte ich ganz vergessen«, erwiderte Mary und suchte in einem Regal voller Schachteln, aus dem sie dann eine hervorholte. »Ist das ihr Zehntes?«

»Nein, ihr Elftes«, antwortete der Arzt. Er sah mich an. »Die Zukunft sichern, wie es der Präsident nennt.«

»Äh, ja. Das ist richtig«, stammelte ich beinahe schon. Was sollte ich von dieser Information halten? Eine Frau, die ihr elftes Kind erwartete? Und so weit hatte ich einige werdende Mütter gesehen. Olmstead ist auf jeden Fall eine fruchtbare Stadt.

Mary stellte die Schachtel auf den Tresen und öffnete sie, sodass Dr. Anstruther den Inhalt herausholen konnte: vier sicher verpackte Fläschchen aus braunem Glas. Auf jedem stand deutlich zu lesen: CHLOROFORM.

»Es gibt kein besseres Anästhetikum für schwierige Geburten«, meinte Anstruther.

»Die Medizin scheint in Amerika größere Fortschritte zu machen als jemals zuvor«, meinte ich. »Ich habe gelesen, dass es bald schon ein Heilmittel gegen Schizophrenie geben soll, das auf Elektrizität basiert.«

»Nicht zu vergessen die Knochenmarktransplantation bei Patienten mit Blutproblemen und die bevorstehenden Durchbrüche im Kampf gegen die Kinderlähmung. Amerika ist der Welt weit voraus. Doch angesichts des globalen politischen Klimas befürchte ich, dass wir unseren Wissenszuwachs und unsere Industrie demnächst eher auf den Krieg denn auf den Frieden konzentrieren werden.«

»Beten wir, dass es nicht so kommt«, erwiderte ich. »Dieser Hitler schien sein Versprechen, nach der Annexion von Österreich aufhören zu wollen, ziemlich erst zu nehmen. Und er hat einen Pakt mit den Sowjets geschlossen.«

»Die Zeit wird es zeigen, Mr. Foster. Und nun muss ich gehen.« Er schüttelte mir erneut die Hand. »Ich hoffe, wir sehen uns bald wieder.«

»Guten Tag, Doktor …«

»Ein so guter Kleinstadtarzt, wie man ihn sich nur wünschen kann«, lobte ihn Mary, nachdem er gegangen war. »Anscheinend hat er neuerdings jedoch nichts weiter zu tun, als Kindern auf die Welt zu helfen. Er hatte auch alle meine Babys geholt.«

Ich hoffte, die Nachfrage wäre nicht zu unhöflich, aber ich konnte dem Drang einfach nicht widerstehen. »Mit wie vielen Kindern hat Gott Sie gesegnet, Mary?«

»Mit neun …« Sie tätschelte abwesend ihren Bauch, »… dieses hier mitgerechnet.«

Neun Kinder und keinen Ehemann, um die Verantwortung zu teilen, dachte ich mitleidig. Sie war wahrlich eine starke Frau. »Es muss sehr schwer für Sie sein, das so ganz alleine zu bewältigen.«