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»Vielleicht hat es dir ja Celeste verraten.«

»Glaubst du nicht, daß ich dann mit ihr gegangen wäre, statt hier darauf zu warten, daß du mich einsperrst und mir das Gesicht zerschlägst?«

Don Hernando Pedrárias schwieg, denn genau das fragte er sich schon, seit er den Diebstahl entdeckt hatte. Wenn diese Frau, der schon seit geraumer Zeit klar war, daß sie an seiner Seite keine Zukunft mehr hatte, gewußt hätte, daß ein Vermögen an Perlen verschwunden war, hätte sie sich wahrscheinlich ihren Anteil an der Beute gesichert und sich für immer aus dem Staub gemacht.

»Ich versteh’s nicht!« rief er schließlich aus und genehmigte sich ein großes Glas Riojawein aus seinem Lieblingsfaß. »Ich versteh’s nicht! Seit Jahren überfällt dieser Pirat unsere Frachtschiffe, um deren Waren zu verschleudern. Dann fällt ihm die Four Roses in die Hände, und statt sich ein riesiges Lösegeld zu sichern, läßt er die Sklaven frei, zündet das Schiff an und klagt mich an, ein Sklavenhändler zu sein.« Er stieß einen Fluch aus. »Zu guter Letzt verschwindet er mit Celeste und den Perlen. Wie ist das möglich? Und was hat dieser verfluchte Kapitän bloß gegen mich?«

Er erhielt keine Antwort, denn Emiliana Matamdros hatte offensichtlich nicht den blassesten Schimmer, und nachdem er sie angesehen hatte, so am Boden zerstört, wie er selbst es hätte sein können, schnaubte er schließlich:

»Verschwinde! Mach dich aus dem Staub und komm nicht wieder!«

»Wohin soll ich denn nur gehen?«

»Was kümmert mich das?« lautete die brutale Antwort. »Von mir aus kannst du dich ins Meer stürzen, an einem Kapokbaum aufhängen oder in ein Bordell gehen, das fette stinkende Weiber aufnimmt. Hauptsache, du gehst mir aus den Augen, denn wenn ich dich im Umkreis von zehn Meilen antreffe, laß ich dich einsperren.«

Emiliana Matamoros sagte kein einziges Wort mehr. Sie wußte, daß es keinen Sinn machte, um Milde zu flehen. So richtete sie sich mühevoll auf, stolperte fast auf allen vieren die steile Treppe hinauf, wo zwei finster dreinblickende Diener auf sie warteten, die offensichtlich gelauscht hatten und verächtlich auf den Dienstboteneingang deuteten.

»Hinaus mit dir!« knirschte einer zwischen den Zähnen. »Hinaus mit dir, du verdammte Schlampe! Davon habe ich immer geträumt!«

Sie hatte das große Tor noch nicht erreicht, da erschien Don Hernando Pedrárias am oberen Ende der Treppe und befahl kurz angebunden:

»Schickt nach Kommandant Arismendi und dem Wucherer Don Samuel! Noch heute nachmittag will ich sie hier sehen!«

Anschließend stieg er in sein riesiges Schlafzimmer hinauf, ließ sich auf das Bett fallen und betrachtete den schweren Baldachin und die gedrechselten Säulen, an die sich Emiliana Matamoros während ihres leidenschaftlichen Liebesspiels vor Jahren so oft geklammert hatte, und dachte an die alten Zeiten, in denen er sich als Herr der reichsten Insel und der schönsten ihrer Frauen fühlen konnte, und er suchte nach dem ungerechten Grund dafür, warum sich plötzlich alles gegen ihn verschworen hatte.

Was war sein größter Fehler gewesen, und wann hatte er ihn begangen, zermarterte er sich das Hirn. Doch da er immer noch der gleiche Mann war, der die dogmatischen Prinzipien der Casa quasi mit der Muttermilch aufgesogen hatte, hielt er nach wie vor an der Überzeugung fest, daß nicht seine eigenen Irrtümer, sondern widrige Umstände für seine Misere verantwortlich zu machen waren.

Die Austern hatten sich entschlossen, keine Perlen mehr zu produzieren, die Perlentaucher hatten ihm den Gehorsam verweigert, die Piraten hatten sich an seinen Schiffen gemästet, und sogar die baumstarken und unterwürfigen Sklaven hatten sich entschlossen, einfach krank zu werden oder offen zu rebellieren.

Was konnte er für alle diese Dinge und dafür, daß ein undankbares Mädchen, das er wie eine Tochter behandelt hatte, plötzlich entschlossen war, ihn zu verraten?

Stundenlang blieb er in seinem Schlafzimmer, bis zur Erschöpfung in seine Grübelei versunken, bis man ihm die Ankunft von Oberst Arcadio Arismendi ankündigte, dem Militärkommandanten der Insel. Ihn hatte er als einen seiner besten Freunde betrachtet, bis man ihn als Sklavenhändler angeklagt hatte.

Er empfing ihn in der Bibliothek. Der schnurrbärtige Offizier blickte so abweisend drein, daß Don Hernando im letzten Augenblick verzichtete, die Hand auszustrecken.

»Ich bin dir dankbar, daß du gekommen bist. Ich brauche deine Hilfe.«

»Ehrlich gesagt habe ich lange gezögert, überhaupt zu kommen, doch Mariana hat mich überredet, die Angelegenheit lieber früher als später zu bereinigen. Es ist nicht meine Art, Menschen, die am Boden liegen, noch zu treten, doch du mußt einsehen, daß unsere Beziehung nicht mehr so sein kann wie früher.«

Der Ex-Gesandte der Casa nickte und lud seinen Gast ein, im Lehnstuhl Platz zu nehmen, in den er sich gewöhnlich selbst zu setzen pflegte, füllte zwei große Gläser mit Rum und bot ihm eines an:

»Ich verstehe. Die Anschuldigungen gegen mich wiegen sehr schwer, und ich will gar nicht erst versuchen, sie zurückzuweisen. Was ich dir sagen will, ist folgendes: Seine Exzellenz hat mir die Chance geboten, mich zu rehabilitieren, und ich werde alles daransetzen, auch wenn es mich das Leben kostet.« Er blickte ihm in die Augen. »Was weißt du von Kapitän Jacare Jack?«

»Nicht mehr als alle anderen«, tönte es verdrossen zurück. »Daß er ein schottischer Dickwanst und Trunkenbold ist, der harmlos aussieht, aber gelegentlich auch ganz andere Seiten aufzieht, wie man hört. Außerdem soll er die Piratengesetze respektieren.«

»Piratengesetze«, regte sich sein Gegenüber auf, »was soll denn dieser Unfug? Diese Halunken sollen irgendwelche Gesetze haben?«

»Die haben sie tatsächlich«, stellte Don Arcadio Arismendi etwas belustigt klar. »Ebenso wie wir die unsren haben, was Ehre, Moral oder Sklavenhandel betrifft. Und wie bei uns gibt es bei ihnen Leute, die sie befolgen, und andere, die sie nicht befolgen.«

»Schön!« gab Don Hernando Pedrárias zu, der um alles in der Welt Ruhe bewahren wollte. »Vergiß das! Ich will wissen, warum ein alter Pirat, der gewöhnlich Schiffe aus Spanien plündert, plötzlich Sklaven freiläßt.«

»Vielleicht ist er gegen die Sklaverei.«

»Ein schottischer Pirat? Daß ich nicht lache! Die Engländer, Holländer und Schotten haben doch den Sklavenhandel erfunden und würden sich keine derartige Beute entgehen lassen.«

»Offensichtlich doch«, lautete die fast spöttische Antwort.

Der Hausherr ging im Zimmer auf und ab, als würde das seine Probleme lösen, und fuhr schließlich ungeduldig fort:

»In der Tat! Aber warum? Wenn ich wüßte, warum ein Pirat sich plötzlich nicht mehr wie ein Pirat aufführt, könnte ich ihn vielleicht erwischen.«

»Ich glaube nicht, daß dir das viel hilft«, bemerkte der andere und leerte hastig sein Glas, als wollte er andeuten, daß er es eilig hatte. »Ich hatte noch nie mit Piraten zu tun…« Er deutete mit dem Finger auf ihn. »Vielleicht gibt es jemanden, der dir helfen kann. Er lebt schon viele Jahre auf der Insel und hat schon mehr als einmal gegen sie gekämpft. Ich rede von Hauptmann Mendana.«

»Der Kommandant der Festung La Galera?« Als sein Gegenüber nickte, schüttelte Don Hernando Pedrárias den Kopf. »Er haßt mich.«

»Zum Teufel, Hernando…!« lachte der andere. »Nicht so bescheiden! Du weißt gut, daß die meisten Leute auf der Insel dich hassen. Mendana sollte da keine Ausnahme machen.« In einem vorwurfsvolleren Ton, der sich fast mehr gegen seine eigene Person zu richten schien, fuhr er fort. »Anders als wir, die wir unsere Pflichten aus reiner Bequemlichkeit vergessen haben, ist er ein guter Offizier, der die Piraten verabscheut. Vielleicht hilft er dir.«

»Glaubst du?«

»Was riskierst du schon? Du hast ohnehin schon alles verloren!«