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Den Up-Mile Hill hinauf ging es besser, als er erwartet hatte, und als er die Kreuzung Witcham und Jackson überquerte, dachte er: Na also, das war ja gar nicht so schlimm, es war...

Plötzlich stellte er fest, daß seine Ohren klingelten und seine Beine unter ihm angefangen hatten zu zittern. Er blieb auf der anderen Seite der Witcham stehen und preßte eine Hand auf das Hemd. Er tonnte das Herz unmittelbar darunter schlagen spüren; es hämmerte mit einer unregelmäßigen Heftigkeit, die angsteinflößend war. Er hörte Papier rascheln und sah eine Werbebeilage aus dem Boston Globe fallen und schaukelnd in den Rinnstein fallen. Er wollte sich bücken, um sie aufzuheben, ließ es aber bleiben.

Keine gute Idee, Ralph - wenn du dich bückst, wirst du höchstwahrscheinlich hinfallen. Ich würde vorschlagen, du läßt die Beilage für die Straßenreinigung liegen.

»Ja, okay, gute Idee«, murmelte er und richtete sich wieder auf. Schwarze Punkte tanzten vor seinen Augen wie ein surrealistischer Krähenschwarm, und einen Moment war Ralph überzeugt, er würde schließlich auf der Werbebeilage landen, egal was er tun oder lassen mochte.

»Ralph? Alles in Ordnung?«

Er schaute vorsichtig auf und erblickte Lois Chasse, die auf der anderen Seite der Harris Avenue und einen halben Block von dem Haus entfernt wohnte, das er sich mit Bill McGovern teilte. Sie saß auf einer der Bänke vor dem Strawford Park und wartete wahrscheinlich auf den Canal Street Bus, mit dem sie Richtung Innenstadt fahren konnte.

»Klar, bestens«, sagte er und setzte die Beine in Bewegung. Ihm war, als würde er durch Sirup waten, glaubte aber, daß er es bis zu der Bank schaffte, ohne eine allzu schlechte Figur abzugeben. Aber als er sich neben sie setzte, konnte er ein dankbares Stöhnen nicht unterdrücken.

Lois Chasse hatte große, dunkle Augen - die man »Spanish Eyes« genannt hatte, als Ralph noch ein Kind war -, und er wettete, daß sie in den Köpfen vieler junger Männer herumgespukt hatten, als Lois noch die High School besuchte. Sie waren immer noch der interessanteste Zug an ihr, aber Ralph gefiel der Ausdruck von Sorge nicht besonders, den er jetzt in ihnen sah. Das war... was? Ein bißchen zu gutnachbarlich für meinen Geschmack, war der erste Gedanke, der ihm einfiel, aber er war nicht sicher, ob das der richtige Gedanke war.

»Bestens«, wiederholte Lois.

»Klar doch.« Er holte das Taschentuch aus der Gesäßtasche, vergewisserte sich, daß es sauber war, und wischte sich damit über die Stirn.

»Ich hoffe, du nimmst mir meine Offenheit nicht übel, aber du siehst nicht bestens aus, Ralph.«

Ralph nahm ihr ihre Offenheit übel, wußte aber nicht, wie er es ihr sagen sollte.

»Du bist blaß, du schwitzt, und du bist ein Umweltverschmutzer.«

Ralph sah sie erstaunt an.

»Etwas ist aus deiner Zeitung gefallen. Ich glaube, es war eine Werbebeilage.«

»Tatsächlich?«

»Du weißt genau, daß es so war. Entschuldige mich einen Augenblick.«

Sie stand auf, ging über den Gehweg, bückte sich (Ralph stellte fest, daß ihre Hüften zwar ziemlich breit, ihre Beine aber noch bewundernswert straff für eine Frau waren, die mindestens achtundsechzig sein mußte) und hob die Werbebeilage auf. Sie kam damit zur Bank zurück und setzte sich.

»Da«, sagte sie. »Jetzt bist du kein Umweltverschmutzer mehr.«

Er mußte unwillkürlich lächeln. »Danke.«

»Nichts zu danken. Ich kann den Maxwell House-Coupon brauchen. Und den für Hamburger Helper und Diet Coke. Ich bin so fett geworden seit Mr. Chasse gestorben ist.«

»Du bist kein bißchen fett, Lois.«

»Danke, Ralph, du bist der vollendete Gentleman, aber wechseln wir das Thema nicht. Du hast einen Schwindelanfall gehabt, richtig? Du bist sogar fast umgekippt.«

»Ich habe nur Luft geholt«, sagte er steif und beobachtete einen Haufen Kinder, die vorne im Park Baseball spielten. Sie gaben sich echt Mühe, lachten und wuselten herum. Ralph beneidete sie um ihre funktionstüchtigen Klimaanlagen.

»Luft geholt, was?«

»Ja.«

»Nur Luft geholt.«

»Lois, du hörst dich wie eine kaputte Schallplatte an.«

»Nun, die kaputte Schallplatte wird dir etwas sagen, okay? Du bist verrückt, daß du bei dieser Hitze den Up-Mile Hill rauf gehst. Wenn du Spazierengehen willst, warum dann nicht wie früher auf der Extension, wo es flach ist?«

»Weil mich das an Carolyn erinnert«, sagte er, und ihm gefiel der steife, fast grobe Ton nicht, mit dem es herauskam, aber er konnte nichts dagegen tun.

»O Scheiße«, sagte sie und berührte kurz seine Hand. »Tut mir leid.«

»Ist schon gut.«

»Nein, ist es nicht. Ich hätte es wissen müssen. Aber wie du gerade ausgesehen hast, das ist auch nicht gut. Du bist keine zwanzig mehr, Ralph. Nicht einmal vierzig. Ich will nicht sagen, daß du nicht gut in Form bist - jeder kann sehen, daß du für jemand in deinem Alter toll in Form bist -, aber du solltest besser auf dich achten. Carolyn hätte gewollt, daß du besser auf dich achtgibst.«

»Ich weiß«, sagte er, »aber ich bin wirklich....... in Ordnung, wollte er sagen, aber dann sah er von seinen Händen auf in ihre dunklen Augen, und was er da sah, machte es ihm einen Augenblick unmöglich, weiterzusprechen. Auch in ihren Augen stand die Erschöpfung geschrieben, sah er... oder war es Einsamkeit? Vielleicht beides. Auf jeden Fall war das nicht das einzige, das er sah. Er sah auch sich selbst. Du bist albern, sagten die Augen, in die er sah. Vielleicht sind wir es beide. Du bist siebzig und Witwer, ich bin achtundsechzig und Witwe. Wie lange sotten wir abends noch auf deiner Veranda sitzen - mit Bill McGovern als ältester Anstandsdame der Welt? Ich hoffe, nicht mehr allzu lange, weil wir beide nicht mehr gerade frisch von der Stange sind.

»Ralph?« sagte Lois plötzlich besorgt. »Alles in Ordnung?« »Ja«, sagte er und sah wieder auf seine Hände. »Ja, klar.« »Du hast einen Gesichtsausdruck gehabt, als ob... nun, ich weiß auch nicht.«

Ralph fragte sich, ob das Zusammenwirken von Hitze und dem Spaziergang den Up-Mile Hill hinauf sein Gehirn doch ein bißchen durcheinandergebracht hatte. Schließlich war das Lois, die McGovern immer (mit einer klein wenig sardonisch hochgezogenen linken Augenbraue) »unsere Lois« nannte. Und ja, okay, sie war immer noch gut in Form - feste Beine, ansehnlicher Busen und diese bemerkenswerten Augen -, und möglicherweise würde es ihm nichts ausmachen, sie mit ins Bett zu nehmen, und möglicherweise würde es ihr nichts ausmachen, mitgenommen zu werden. Aber was würde danach kommen? Wenn sie die Kinokarte sah, die aus dem Buch herausragte, das er gerade las, würde sie sie auch herausziehen, weil sie zu neugierig war, welchen Film er gesehen hatte, um auf sein Lesezeichen zu achten?

Ralph glaubte nicht. Lois' Augen waren bemerkenswert, und er hatte mehr als einmal festgestellt, wie sein Blick das V ihrer Bluse hinunterwanderte, wenn sie zu dritt auf der vorderen Veranda saßen und an kühlen Abenden Eistee tranken, aber er hatte eine Ahnung, daß der kleine Mann den großen Mann auch mit siebzig noch in Schwierigkeiten bringen konnte. Alt zu werden war keine Entschuldigung dafür, sorglos zu werden.

Er stand auf und spürte, wie Lois ihn ansah, weshalb er sich besonders um eine aufrechte Haltung bemühte. »Danke für deine Anteilnahme«, sagte er. »Möchtest du einen alten Mann die Straße hoch bringen?«

»Danke, aber ich fahre in die Innenstadt. Sie haben ein wunderschönes rosa Garn im Sewing Circle, und ich habe an einen Teppich gedacht. Derweil werde ich einfach hier auf den Bus warten und mich über meine Gutscheine freuen.«

Ralph grinste. »Mach das.« Er sah zu den Kindern auf dem Baseballfeld. Vor seinen Augen startete ein Junge mit einem außergewöhnlichen roten Haarschopf vom dritten Mal, warf sich mit dem Kopf voran nach vorne und prallte mit einem vernehmlichen Klonk mit den Schienbeinschonern des Fängers zusammen. Ralph zuckte zusammen und dachte an Krankenwagen mit Blinklichtem und heulenden Sirenen, aber der Rotschopf sprang lachend wieder auf die Füße.