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»Ich hoffe, daß alles gutgeht, Officer«, sagte Ralph und führte Lois über die Straße zu dem Oldsmobile. Er ließ ihn an, wendete mühsam in der Einfahrt von Woman-Care und rechnete jeden Moment damit, daß entweder Barbara Richards, Rachel Anderson, oder beide zur Tür herausgelaufen kommen, sich wild umsehen und mit Fingern auf sie zeigen würden. Schließlich hatte er den Olds in der richtigen Richtung und stieß einen tiefen Seufzer der Erleichterung aus. Lois sah ihn an und nickte mitfühlend.

»Ich dachte, ich wäre der Vertreter«, sagte Ralph, »aber, Mann, ich habe noch nie gesehen, wie jemand einen Menschen so um den Finger wickelt.«

Lois lächelte bescheiden und verschränkte die Hände im Schoß.

Sie näherten sich dem Parkhaus des Hospitals, als Trigger aus seiner kleinen Kabine gelaufen kam und mit den Armen ruderte. Ralphs erster Gedanke war, daß sie doch keine saubere Flucht bewerkstelligt hatten - der Wachmann mit dem Notizbrett hatte etwas Verdächtiges bemerkt und Trigger über Funk oder Telefon gebeten, sie aufzuhalten. Dann sah er den Gesichtsausdruck - außer Atem, aber glücklich - und was Trigger in der rechten Hand hielt. Es war eine sehr alte und sehr zerschlissene schwarze Brieftasche. Bei jeder Armbewegung klappte sie auf und zu wie ein zahnloser Mund.

»Keine Sorge«, sagte Ralph und bremste den Olds ab. »Ich habe keine Ahnung, was er will, aber ich bin ziemlich sicher, daß es keinen Ärger gibt. Jedenfalls noch nicht.«

»Mir ist egal, was er will. Ich will nur hier weg und etwas essen. Wenn er anfängt, dir seine Angelbilder zu zeigen, Ralph, werde ich persönlich aufs Gaspedal treten.«

»Amen«, sagte Ralph, der genau wußte, daß Trigger nichts mit Angelbildern am Hut hatte. Er war immer noch nicht völlig im Bilde, aber eines wußte er ganz genau: Nichts geschah aus Zufall. Nicht mehr. Dies war der Plan mit all seiner Macht. Er hielt neben Trigger und drückte den Knopf, der das Fenster auf seiner Seite herunterließ. Es senkte sich mit einem ungehaltenen Heulen.

»Ehhh, Ralph!« rief Trigger. »Dacht schon, isch würde disch verpassen!«

»Was ist denn, Trig? Wir haben es ziemlich eilig -«

»Ja, ja, dauert nischt lange, 'ab's gleisch 'ier inner Brieftasche, Ralph. Mann, isch 'ab mein' ganzen Papierkram 'ier, und isch verlier nie was.«

Er spreizte die schlaffen Kiefer der alten Börse und offenbarte ein paar zerknitterte Geldscheine, ein Zellulloidleporello mit Fotos (und konnte Ralph nicht wirklich und wahrhaftig eines von Trigger sehen, wie er einen großen Barsch hochhielt?) und mindestens vierzig Visitenkarten, die meisten zerknittert und abgenutzt. Die suchte Trigger nun mit der Geschwindigkeit eines altgedienten Bankkassierers durch, der Geldscheine zählt.

»Isch werf die Dinger nie weg«, sagte Trigger. »Kann man prima drauf schreiben, besser wie in Notizbüscher, und umsonst. Jetzt aber Moment mal... Augenblick noch, wo steckst du, verfluchtes Ding?«

Lois warf Ralph einen ungeduldigen, besorgten Blick zu und deutete die Straße entlang. Ralph schenkte weder dem Blick noch der Geste Beachtung. Er verspürte ein seltsames Kribbeln in der Brust. Vor seinem geistigen Auge sah er, wie er den Finger ausstreckte und etwas auf die Scheibe von Triggers Lieferwagen schrieb, die beschlagen war - als Folge von kaltem Regen an einem heißen Tag.

»Ralph, erinnerst du disch noch an den Schal, den Ed Deepneau an dem Tag angehabt hat? Weiß mit roten Krakeln darauf?«

»Ja, ich erinnere mich«, sagte Ralph. Fotzenlecker, hatte Ed zu dem vierschrötigen Mann gesagt. Du hast deine Mutter gefickt und ihre Fotze geleckt. Ja, auch an den Schal erinnerte er sich -selbstverständlich. Aber das Rote waren nicht nur Krakel oder Flecken oder sinnlose Schnörkel gewesen, sondern ein oder mehrere Schriftzeichen. Der plötzliche Druck in seiner Magengegend verriet Ralph, daß Trigger aufhören konnte, durch seine alten Visitenkarten zu kramen. Er wußte, worum es ging. Er wußte es.

»Wir haben gedacht, es wäre Chinesisch«, sagte er mit einer Stimme, die von anderswo zu kommen schien. »Jedenfalls ich. Damals zumindest. Aber das stimmt nicht, richtig? Es war Japanisch.«

Trigger sah ihn mit vor Überraschung offenem Mund an. In einer Hand hielt er eine Visitenkarte, die er aus dem Stapel gezogen hatte. Auf der unbeschriebenen Seite sah Ralph eine ungefähre Kopie des doppelten Symbols, das Eds Schal geziert hatte, des doppelten Symbols, das Ralph auf die beschlagene Windschutzscheibe gemalt hatte.

»Worum geht es hier eigentlich?« fragte Lois, die jetzt nicht mehr ungeduldig klang, sondern durch und durch ängstlich.

»Ich hätte es wissen müssen«, hörte sich Ralph mit kläglicher, entsetzter Stimme sagen. »Ich hätte es sehen müssen.«

»Was sehen müssen?« Sie packte ihn an den Schultern und schüttelte ihn. »Was sehen müssen?«

Er antwortete nicht. Mit einem Gefühl wie ein Mann in einem Traum griff er nach der Visitenkarte. Trigger Vachon lächelte nicht mehr, seine dunklen Augen betrachteten ernst und forschend Ralphs Gesicht.

»Bist du ganz sicher, Trig?« fragte er.

»'unnert Prozent, Ralphie. Isch 'ab's abgemalt, bevor es von der Scheibe verschwunden war, weil isch wußte, daß isch's schon mal gesehen'atte, und als isch an dem Abend nach 'ause gekommen bin, da 'ab isch auch gewußt wo. Marcel, mein großer Bruder, 'at im letzten Kriegsjahr im Pazifik gekämpft. Und er 'at einen Schal mit denselben Symbolen mitgebracht, im selben Rot. Isch 'ab ihn gefragt, nur um ganz sischer zu sein, und er 'at's auf diese Karte geschrieben.« Trigger deutete auf die Karte, die Ralph zwischen den Fingern hielt. »Isch wollt's dir sagen, sobald wir uns wiedersehn, aber isch 'ab disch bis 'eute nischt gesehn. Bin froh, daß es mir noch eingefallen ist, aber wenn isch disch so anseh, war's wahrscheinlisch besser gewesen, ich 'ätfs vergessen.«

»Nein, ist schon gut.«

Lois nahm ihm die Karte ab. »Was ist das? Was bedeutet es?« »Sag ich dir später.« Ralph griff nach dem Schalthebel. Sein Herz fühlte sich wie ein Stein in seiner Brust an. Lois betrachtete die Symbole auf der freien Seite der Karte, so daß Ralph die bedruckte Rückseite sehen konnte. R. H. FOSTER, BRUNNEN UND TROCKENMAUERN, stand darauf. Darunter hatte Trigs Bruder ein einziges Wort in schwarzen Großbuchstaben geschrieben.

KAMIKAZE.

DRITTER TEIL

Der Scharlachrote König

Wir sind alte Leute, jeder von uns besitzt ein zugeklapptes Rasiermesser.

Robert Lowell Walking in the Blue

Kapitel 20

Während sie mit dem Oldsmobile den Hospital Drive hinunterfuhren, kam es nur zu einem ganz kurzen Gespräch zwischen ihnen.

»Ralph?«

Er sah zu ihr, und dann hastig wieder auf die Straße. Das Ticken unter der Haube hatte wieder angefangen, aber Lois hatte es noch nicht erwähnt. Er hoffte, daß sie es jetzt auch nicht tun würde.

»Ich glaube, ich weiß, wo er ist«, sagte sie mit leiser, fast zaghafter Stimme. »Ed, meine ich. Ich war schon auf dem Dach ziemlich sicher, daß ich das alte Gebäude kenne, das sie uns gezeigt haben.«

»Was ist es? Und wo ist es?«

»Das Gebäude ist eine Flugzeuggarage. Wie sagt man gleich dazu? Ein Hangar.«

»O mein Gott«, sagte Ralph. »Coastal Air an der Bar Harbor Road?«

Lois nickte. »Sie veranstalten Charterflüge, Ausflüge mit dem Wasserflugzeug, solche Sachen. Als wir samstags mal einen Ausflug gemacht haben, ist Mr. Chasse da reingegangen und hat den Mann gefragt, der dort arbeitete, wieviel er für einen Rundflug über die Inseln verlangen würde. Der Mann sagte vierzig Dollar, was viel mehr war, als wir uns für so was leisten konnten, und ich bin sicher, im Sommer wäre der Mann hart geblieben, aber es war erst April, daher hat Mr. Chasse ihn auf zwanzig runterhandeln können. Ich fand das immer noch zuviel für eine Tour, die nicht einmal eine Stunde dauerte, aber ich bin froh, daß wir sie gemacht haben. Es war beängstigend, aber es war wunderschön.«