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»Sie haben uns nicht vor den Kopf gestoßen«, sagte Ralph. Er sah über den Tisch zu Lois, die zustimmend nickte.

Die Kellnerin lächelte knapp. »Danke, daß Sie das sagen, aber ich bin trotzdem ziemlich über Sie hergefallen. An jedem anderen Tag hätte ich das nicht getan, aber wir haben heute nachmittag um vier unsere eigene Veranstaltung, und ich muß Mr. Dalton vorstellen. Sie haben mir gesagt, ich hätte drei Minuten Zeit, und ich denke, genau so lange habe ich Sie belabert.«

»Schon gut«, sagte Lois und tätschelte ihr die Hand. »Wirklich.«

Diesmal war das Lächeln der Kellnerin aufrichtiger und wärmer, aber als sie sich abwandte, sah Ralph, wie Lois freudiger Gesichtsausdruck erlosch. Sie betrachtete den schwarzgelben Fleck, der über der rechten Hüfte der Kellnerin schwebte.

Ralph nahm den Kugelschreiber zur Hand, den er an der Brusttasche festgeklemmt hatte, drehte die Papiermatte vor seinem Platz herum und schrieb hastig etwas auf die Rückseite. Als er fertig war, holte er den Geldbeutel heraus und legte vorsichtig einen Fünfdollarschein unter das, was er geschrieben hatte. Wenn die Kellnerin nach dem Trinkgeld griff, konnte es sie nicht übersehen.

Er nahm die Rechnung und schwenkte sie vor Lois. »Da dies unsere erste richtige Verabredung ist, werde ich das wohl übernehmen müssen«, sagte er. »Wenn ich ihr den Fünfer gebe, fehlen mir drei Dollar. Bitte sag mir, daß du nicht pleite bist.«

»Wer, die Pokerkönigin von Ludlow Grange? Sei nicht albern, Püppchen.« Sie gab ihm eine Handvoll verschiedener Geldscheine aus der Handtasche. Während er suchte, was er brauchte, las sie, was er auf die Matte geschrieben hatte:

Madam,

Sie leiden an einer Störung der Leberfunktion und sollten unverzüglich zum Arzt gehen. Und ich gebe Ihnen den guten Rat, heute abend nicht in die Nähe des Bürgerzentrums zu kommen.

»Ziemlich dumm, ich weiß«, sagte Ralph.

Sie gab ihm einen Kuß auf die Nasenspitze. »Es ist nie dumm, wenn man versucht, anderen Menschen zu helfen. Ich liebe dich, Ralph.«

»Danke. Aber sie wird es nicht glauben. Sie wird denken, daß wir trotz unserer Beteuerungen sauer wegen ihrem Button und ihrer kleinen Ansprache waren. Daß das, was ich geschrieben habe, nur eine verschrobene Art ist, es ihr heimzuzahlen.«

»Vielleicht gibt es eine Möglichkeit, sie zu überzeugen.«

Lois betrachtete die Kellnerin - die angelehnt an der Durchreiche zur Küche stand und sich mit dem Koch unterhielt, während sie eine Tasse Kaffee trank - mit einem finsteren Ausdruck der Konzentration. Dabei sah Ralph, wie Lois' normalerweise blau-graue Aura dunkler wurde und sich zusammenzog; sie wurde zu einer Art Kapsel, die den Körper umgab, statt einer verschwommenen Korona.

Er war nicht ganz sicher, was vor sich ging... aber er konnte es spüren. Seine Nackenhaare richteten sich auf; er bekam eine Gänsehaut auf den Unterarmen. Sie lädt sich auf, dachte er. Sie drückt alle Schalter und schaltet alle Turbinen ein, und das für eine Frau, die sie noch nie vorher gesehen hat und wahrscheinlich auch nie wieder sehen wird.

Nach einem Augenblick spürte die Kellnerin es auch. Sie drehte sich zu ihnen um, als hätte sie gehört, wie ihr Name gerufen worden war. Lois lächelte beiläufig und krümmte die Finger zu einem knappen Winken, aber als sie zu Ralph sprach, bebte ihre Stimme vor Anstrengung. »Ich habe... habe es fast.«

»Was fast?«

»Ich weiß nicht. Was immer ich brauche. Es kommt gleich. Ihr Name ist Zoe, mit zwei Pünktchen über dem e. Geh die Rechnung bezahlen. Versuch sie abzulenken, damit sie mich nicht ansieht. Das macht es schwerer.«

Er fügte sich ihrem Wunsch, und es gelang ihm ziemlich erfolgreich, obwohl Zoe immer über seine Schulter zu Lois schauen wollte. Als sie zum erstenmal versuchte, die Gesamtsumme mit der Registrierkasse aufzurechnen, kam Zoe auf ene Gesamtsumme von $ 234,20. Sie löschte die Zahl mit einer ungeduldigen Bewegung ihres Zeigefingers, und als sie zu Ralph aufsah, war ihr Gesicht blaß und ihr Blick beunruhigt.

»Was ist mit Ihrer Frau?« fragte sie Ralph. »Ich habe mich entschuldigt, oder nicht? Also warum sieht sie mich dauernd so an?«

Ralph wußte, Zoe konnte Lois nicht sehen, weil er förmlich einen Steptanz aufführte, um zwischen den beiden zu bleiben, aber er wußte auch, daß sie recht hatte - Lois starrte wirklich her.

Er versuchte zu lächeln. »Ich weiß nicht, was -«

Die Kellnerin zuckte zusammen und warf dem Koch einen erschrockenen, bösen Blick zu. »Hör auf, so mit den Töpfen zu klappern!« schrie sie, obwohl Ralph aus der Küche nichts anderes als ein Radio hörte, das Fahrstuhlmusik spielte. Zoe sah Ralph wieder an. »Herrgott, das hört sich da hinten an wie der Zweite Weltkrieg. Könnten Sie Ihrer Frau vielleicht sagen, daß es unhöflich ist -«

»Andere Leute anzustarren? Das tut sie nicht. Wirklich nicht.« Ralph ging zur Seite. Lois war zur Tür gegangen, hatte ihnen den Rücken zugedreht und sah zum Fenster hinaus. »Sehen Sie?«

Zoe antwortete eine ganze Weile nicht, aber sie griff zu ihrem Mund, nahm den Kaugummi heraus und warf ihn in den Mülleimer. Das tat sie mit der langsamen, übertriebenen Gestik einer Schlafwandlerin. Schließlich sah sie Ralph wieder an. »Ja, ich sehe es. Warum verziehen Sie beide sich jetzt nicht einfach?«

»Na gut - sind wir noch Freunde?«

»Wie Sie wollen«, sagte Zoe, sah ihn aber nicht an.

Als Ralph zu Lois ging, stellte er fest, daß deren Aura sich wieder bis auf ihr normales, diffuseres Niveau entspannt hatte, aber immer noch viel heller als vorher war.

»Immer noch müde, Lois?« fragte er leise.

»Nein. Mir geht es sogar blendend. Laß uns gehen.«

Als er ihr die Tür aufmachen wollte, hielt er inne. »Hast du meinen Kugelschreiber?«

»Herrje, nein - der muß noch auf dem Tisch liegen.«

Ralph ging ihn holen. Unter seine Nachricht in Blockbuchstaben hatte Lois sechs Sätze mit rollender Kurzschrift nach Palmer geschrieben:

Mit 19 hatten Sie ein Baby und haben es zur Adoption freigegeben. Saint Anne's in Providence, Rhode. Island. Gehen Sie zu Ihrem Hausarzt, bevor es zu spät ist, Zoe. Kein Witz. Kein Trick. Wir wissen, wovon wir sprechen.

»O Mann«, sagte Ralph, als er wieder bei ihr war. »Das wird ihr einen Heidenschreck einjagen.«

»Wenn sie zum Arzt geht, bevor ihre Leber mit dem Bauch nach oben schwimmt, ist mir das egal.«

Er nickte, und sie gingen hinaus.

»Hast du das mit ihrem Kind erfahren, als du in ihre Aura eingetaucht bist?« fragte Ralph, als sie den laubübersäten Parkplatz überquerten.

Lois nickte. Hinter dem Parkplatz erstrahlte die gesamte East Side von Derry in hellem, kaleidoskopähnlichen Licht. Es kehrte zurück, mit Macht zurück, dieses heimliche, pulsierende Licht. Ralph streckte den Arm aus und legte eine Hand auf die Karosserie des Autos. Als er es berührte, war ihm, als würde er ein glattes Hustenbonbon mit Lakritzgeschmack schmecken.

»Ich glaube nicht, daß ich viel von ihrer... ihrer Substanz genommen habe«, sagte Lois, »aber es war, als hätte ich alles von ihr geschluckt.«

Ralph fiel etwas ein, das er vor nicht allzu langer Zeit in einer wissenschaftlichen Fachzeitschrift gelesen hatte. »Wenn jede Zelle in unserem Körper eine vollständige Blaupause davon in sich trägt, woraus wir bestehen, warum sollte dann nicht jedes Stückchen der Aura eines Menschen eine vollständige Blaupause davon enthalten, was wir sind?«

»Das klingt nicht sehr wissenschaftlich, Ralph.« »Wahrscheinlich nicht.«

Sie drückte seinen Arm und sah grinsend zu ihm auf. »Aber es klingt richtig.«

Er grinste sie ebenfalls an.

»Du mußt auch noch etwas mehr von den Farben nehmen«, sagte sie zu ihm. »Es kommt mir immer noch falsch vor, trotz allem, was die beiden kleinen Männer gesagt haben - wie Stehlen -, aber wenn du es nicht tust, befürchte ich, wirst du einfach umkippen.«