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»Sobald ich kann. Im Augenblick möchte ich nur schnellstens nach High Ridge.« Doch kaum saß er am Steuer, schrak seine Hand vor dem Zündschlüssel zurück, kaum daß sie ihn berührt hatte.

»Ralph? Was ist denn?«

»Nichts... alles. Ich kann so nicht fahren. Ich werde uns um einen Telefonmasten wickeln oder bei jemandem im Wohnzimmer landen.«

Er schaute zum Himmel und sah einen der riesigen transparenten Vögel auf der Satellitenschüssel eines nicht weit entfernten Mietshauses auf der anderen Straßenseite sitzen. Ein dünner, zitronengelber Dunst stieg von seinen angelegten, prähistorischen Schwingen auf.

Siehst du das wirklich? fragte ein Teil seines Verstands zweifelnd. Bist du ganz sicher, Ralph? Bist du wirklich, völlig sicher?

Ich sehe es wirklich. Glücklicherweise oder unglücklicherweise sehe ich alles... aber wenn es einen geeigneten Zeitpunkt gibt, so etwas zu sehen, dann nicht jetzt.

Er konzentrierte sich und spürte dieses innere Blinzeln tief in seinem Verstand. Der Vogel verschwand wie das Geisterbild auf einem Fernsehschirm. Die warm leuchtende, über den Morgen ausgebreitete Farbenpalette verlor ihre pulsierende Kraft. Er nahm den anderen Teil der Welt lange genug wahr, daß er sehen konnte, wie die Farben ineinander liefen und einen hellen, grau-blauen Dunst bildeten, den er an dem Tag gesehen hatte, als er mit Joe Wyzer auf Kaffee und Kuchen im Day Break, Sun Down gewesen war - der unscharfe Nimbuseffekt, der seinen Zugang zur Welt der Auren markierte.

Dann war auch der verschwunden. Ralph verspürte das fast erdrückende Bedürfnis, sich zusammenzurollen, den Kopf auf den Arm zu betten und zu schlafen. Statt dessen atmete er in tiefen Zügen, sog jeden etwas tiefer in die Lungen, und drehte den Zündschlüssel herum. Der Motor erwachte mit einem Aufheulen zum Leben, begleitet von dem tickenden Geräusch. Es war jetzt viel lauter.

»Was ist das?« fragte Lois.

»Ich weiß nicht«, sagte Ralph, aber er glaubte, daß er es wußte

- entweder eine Pleuelstange oder ein Kolben. Was auch immer, sie würden in der Tinte sitzen, wenn es schlimmer wurde. Schließlich ließ das Geräusch nach, und Ralph stellte den Schalthebel auf Fahrt. »Gib mir einfach einen festen Stoß, wenn du siehst, daß ich eindöse, Lois.«

»Worauf du dich verlassen kannst«, sagte sie. »Und jetzt fahren wir.«

Kapitel 21

Das Dunkln Donuts in der Newport Avenue war ein fröhliches rosa Zuckerhäuschen in einer häßlichen Nachbarschaft von Reihenhäusern. Die meisten waren innerhalb eines einzigen Jahres erbaut worden, 1946, und fielen bereits auseinander. Dies war Derrys Old Cape, wo alte Autos, deren Auspufftöpfe mit Draht festgebunden waren, Stoßstangenaufkleber mit Aufschriften wie GEBT MIR NICHT DIE SCHULD, ICH HABE FÜR PEROT GESTIMMT und BIS ZUM ENDE MIT DER N.R.A. trugen; wo kein Haus vollständig war, wenn nicht mindestens ein Big Wheel Spielzeuglaster von Fisher Price auf dem vertrockneten Rasen stand; wo Mädchen mit sechzehn Drogen einwarfen und allzu häufig mit vierundzwanzig stumpfe Augen und dicke Hintern hatten und Mütter von drei Kindern waren.

Zwei Jungs mit neonfarbenen Fahrrädern und extravaganten Lenkern sausten auf dem Parkplatz herum und kreuzten ihre Bahnen mit einem Geschick, das auf solide Übung mit Videospielen und eine mögliche hochdotierte Laufbahn als Fluglotse hindeutete... das heißt, wenn es ihnen gelang, Koks und Autounfällen aus dem Weg zu gehen. Beide trugen die Mützen verkehrt herum. Ralph fragte sich kurz, warum sie an einem Freitagmorgen nicht in der Schule oder zumindest auf dem Weg dorthin waren, kam aber zu dem Ergebnis, daß es ihn nicht interessierte. Sie wahrscheinlich auch nicht.

Plötzlich stießen die beiden Räder zusammen, obwohl die Jungs es bisher erfolgreich geschafft hatten, einander auszuweichen. Beide Jungs fielen zu Boden, sprangen aber sofort wieder auf die Füße. Ralph stellt erleichtert fest, daß keinem etwas geschehen war; ihre Auren flackerten nicht einmal.

»Verdammte Pißnelke!« rief derjenige im Nirvana T-Shirt seinem Freund ärgerlich zu. Er war etwa elf. »Was, zum Teufel, ist los mit dir? Du fährst wie alte Leute ficken!«

»Ich hab was gehört«, sagte der andere und setzte sich die Mütze penibel wieder auf das schmutzige blonde Haar, »'n verdammt lauten Knall. Willst du behaupten, du hast nichts gehört? Ey, Mann!«

»Einen Scheiß hab ich gehört«, sagte der Nirvana-Junge. Er hielt die Handflächen hoch, die jetzt schmutzig waren (oder auch nur schmutziger) und aus zwei oder drei unbedeutenden Aufschürfungen bluteten. »Sieh dir diesen Scheiß-Asphaltschorf an!«

»Du wirst es überleben«, sagte sein Freund mit bemerkenswert wenig Mitgefühl.

»Klar, aber -« Der Nirvana-Junge bemerkte Ralph, der an seinem rostigen Oldsmobile lehnte, die Hände in den Taschen, und sie beobachtete. »Was gibts'n anzugaffen?«

»Dich und deinen Freund«, sagte Ralph. »Mehr nicht.«

»Mehr nicht, hm?«

»Jawohl - das ist alles.«

Der Nirvana-Junge sah seinen Freund an, dann Ralph. In seinen Augen leuchtete ein unverhohlener Argwohn, wie man ihn, fand Ralph, nur in Old Cape finden konnte. »Haben Sie'n Problem?«

»Ich nicht«, sagte Ralph. Er hatte ziemlich viel von der Aura des Nirvana-Jungen inhaliert und fühlte sich jetzt ein wenig wie Superman auf Speed. Außerdem fühlte er sich wie ein Kinderschänder. »Ich habe mir nur überlegt, daß wir nicht wie du und dein Freund geredet haben, als wir noch Kinder waren.«

Der Nirvana-Junge betrachtete ihn frech. »Ach ja? Und wie haben Sie geredet?«

»Ich kann mich nicht mehr erinnern«, sagte Ralph, »aber ich glaube nicht, daß wir uns so sehr wie Pißköpfe angehört haben.« Er wandte sich von ihnen ab, als er das Fliegengitter zuschlagen hörte. Lois kam mit einem großen Becher Kaffee in jeder Hand aus dem DunkinDonuts heraus. Derweil sprangen die Jungs auf ihre neonfarbenen Fahrräder und brausten davon, wobei der Nirvana-Junge Ralph einen letzten mißtrauischen Blick über die Schulter zuwarf.

»Kannst du das hier trinken und gleichzeitig Auto fahren?« fragte Lois und gab ihm einen Kaffee.

»Ich denke schon«, sagte Ralph, »aber ich brauche ihn eigentlich nicht mehr. Mir geht es blendend, Lois.«

Sie sah den beiden Jungs nach und nickte. »Gehen wir.«

Die Welt rings um sie herum leuchtete grell, als sie auf der Route 33 zum ehemaligen Barrets Orchards fuhren, und sie mußten auf der Leiter der Wahrnehmung nicht eine einzige Stufe hinauf, um das zu sehen. Die Stadt blieb hinter ihnen zurück, sie fuhren durch einen Wald, der in Herbstfarben lichterloh brannte. Der Himmel war ein blaues Band über der Straße, und der Schatten des Oldsmobile folgte ihnen seitlich und flackerte über Blätter und Äste.

»O Gott, es ist so wunderschön«, sagte Lois. »Ist das nicht wunderbar, Ralph?«

»Ja. Ist es.«

»Weißt du, was ich mir wünsche? Mehr als alles andere?«

Er schüttelte den Kopf.

»Daß wir einfach an den Straßenrand fahren könnten - das Auto abstellen, aussteigen und ein Stück in den Wald hineingehen. Eine Lichtung suchen, in der Sonne sitzen und zu den Wolken hinauf schauen. Du würdest sagen: >Schau dir die an, Lois, die sieht aus wie ein Pferd. < Und ich würde sagen: >Schau da rüber, Ralph, da ist en Mann mit einem Besen. < Wäre das nicht schön?«

»Ja«, sagte Ralph. Links von ihnen tat sich ein schmaler Korridor im Wald auf; Strommasten marschierten den steilen Hang hinunter wie Soldaten. Dazwischen glänzten Hochspannungsleitungen silbern im Sonnenlicht, fein wie Spinnweben. Die Ansätze der Masten waren in dichten Sumach-Stauden verborgen, und als Ralph in die Höhe schaute, sah er einen Falken über der Schneise kreisen, der mit einem Aufwind segelte, so unsichtbar wie die Welt der Auren. »Ja«, sagte er noch einmal. »Das wäre schön. Vielleicht kommen wir sogar einmal dazu, es zu tun. Aber...«