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Ralph und Lois sahen sich mit weit aufgerissenen Augen kurz an, dann rannten sie auf das Haus zu.

Zwei uniformierte Gestalten, die in ihren unförmigen kugelsicheren Westen mehr Ähnlichkeit mit Footballspielern als mit Cops hatten, schnellten hinter einem der Streifenwagen hervor und liefen mit erhobenen Waffen schnurstracks auf die Veranda zu. Als sie den Hof diagonal überquerten, beugte sich Charlie Pickering unbändig lachend, das graue Haar zerzauster denn je, aus seinem Fenster heraus. Der Kugelhagel, der ihn begrüßte, war gewaltig, er überschüttete ihn mit Splittern der Fensterrahmen und riß sogar die rostige Dachrinne über seinem Kopf herunter - sie landete mit einem hohlen Bong auf der Veranda -, aber keine einzige Kugel traf ihn.

Wie können sie ihn verfehlen? dachte Ralph, während er und Lois auf die Veranda stiegen und den limonenf arbenen Flammen entgegentraten, die zur offenen Eingangstür herausloderten. Herrgott, sie sind fast vor seiner Nase, wie können sie ihn verfehlen?

Aber er wußte wie... und warum. Klotho hatte ihnen erzählt, daß Atropos und Ed Deepneau von Kräften umgeben seien, die zwar böse seien, aber auch einen gewissen Schutz bedeuteten. War es nicht wahrscheinlich, daß diese Kräfte nun Charlie Pickering beschützten, so wie Ralph selbst John Leydecker abgeschirmt hatte, als der die Deckung des Polizeiautos verließ, um seinen Kollegen aus dem Schußfeld zu ziehen?

Pickering eröffnete das Feuer auf die heranstürmenden Polizeibeamten. Er zielte tief, womit die kugelsicheren Westen so gut wie wertlos waren, und schlug die Beine unter ihnen weg. Einer stürzte und blieb reglos liegen; der andere kroch zurück, woher er gekommen war, und schrie dabei, er sei getroffen, er sei getroffen, Scheiße, er sei schwer getroffen.

»Barbecue!« schrie Pickering mit seiner kreischenden, lachenden Stimme zum Fenster hinaus. »Barbecue! Barbecue! Heiliges Grillfest! Verbrennt die Weiber! Gottes Feuer! Gottes heiliges Feuer!«

Jetzt ertönten noch mehr Schreie, scheinbar direkt unter Ralphs Füßen, und als er nach unten sah, stellte er etwas Schreckliches fest: ein Potpourri von Auren quoll zwischen den Dielen der Veranda herauf wie Dampf, aber die Vielfalt der Farben wurde durch das scharlachrote Blutleuchten gedämpft, das mit ihnen emporstieg... und sie umgab. Dieser blutrote Umriß glich nicht hundertprozentig der Gewitterwolke, die sich beim Kampf zwischen dem grünen Jungen und dem orangefarbenen Jungen vor dem Red Apple gebildet hatte, aber Ralph fand, daß sie eng mit ihr verwandt sein mußte; der einzige Unterschied bestand darin, daß diese hier aus Angst entstanden war, nicht aus Wut oder Aggression.

»Barbecue!« schrie Charlie Pickering, und dann so etwas wie, daß er die Teufelsfotzen umbringen würde. Plötzlich haßte Ralph ihn mehr, als er je in seinem Leben jemanden gehaßt hatte.

[»Komm, Lois - schnappen wir uns das Arschloch!«] Er nahm sie an der Hand und zog sie in das brennende Haus.

Kapitel 22

Die Verandatür führte zu einem zentralen Flur, der von der Vorder- bis zur Rückseite des Hauses verlief und inzwischen auf voller Länge in Flammen stand. Für Ralph waren sie hellgrün, und wenn Lois und er hindurchschritten, waren sie kühl - als würde man durch mentholgetränkte Gazemembranen gehen. Das Prasseln des brennenden Hauses wurde gedämpft; das Gewehrfeuer war so leise und unwichtig geworden wie Donnergrollen für jemanden unter Wasser... und genauso kam ihm das alles hier vor, mehr als alles andere, überlegte Ralph -als wären sie unter Wasser. Er und Lois waren unsichtbare Wesen und schwammen durch einen Fluß aus Feuer.

Er deutete auf eine Tür rechts und sah Lois fragend an. Sie nickte. Er griff nach dem Knauf und verzog ärgerlich das Gesicht, als seine Finger einfach hindurchgingen. Und das war selbstverständlich ganz gut so; hätte er das verdammte Ding tatsächlich festhalten können, wären die beiden obersten Hautschichten seiner Finger als verkohlte Streifen daran hängengeblieben.

[»Wir müssen durch, Ralph!«]

Er sah sie abschätzend an, erblickte eine Menge Angst und Sorge in ihrem Blick, aber keine Panik, und nickte. Sie gingen gemeinsam durch die Tür, als der Leuchter in der Mitte des Flurs mit einem unmelodischen Scheppern von Kristallglas und Eisenketten zu Boden fiel.

Ein Salon lag auf der anderen Seite, und was sie dort erwartete, versetzte Ralph einen Tief schlag. Zwei Frauen waren an die Wand gelehnt worden, direkt unter einem großen Plakat von Susan Day in Jeans und einem Cowboyhemd (LASS DICH NICHT BABY VON IHM NENNEN, WENN DU NICHT WIE EINS BEHANDELT WERDEN WILLST, riet das Plakat). Beiden war aus nächster Nähe in den Kopf geschossen worden; Gehirnmasse, Fetzen der Kopfhaut und Knochensplitter waren auf die Blumentapete und Susan Days schicke Cowboystiefel gespritzt. Eine der Frauen war schwanger gewesen. Die andere war Gretchen Tillbury.

Ralph mußte an den Tag denken, als sie mit Helen zu ihm nach Hause gekommen war, um ihn zu warnen und ihm eine Spraydose namens Bodyguard zu geben; an dem Tag fand er, daß sie wunderschön war, aber an dem Tag war ihr fein geformter Kopf selbstverständlich auch noch unversehrt, und das bildhübsche Gesicht nicht halb durch einen Schrotschuß aus nächster Nähe weggerissen gewesen. Fünfzehn Jahre nachdem sie knapp dem Tod aus der Hand ihres gewalttätigen Mannes entkommen war, hatte ein anderer Mann Gretchen Tillbury eine Waffe an den Kopf gehalten und sie einfach aus dieser Welt gepustet. Sie würde nie mehr einer anderen Frau erzählen können, wie sie zu der Narbe am linken Oberschenkel gekommen war.

Einen schrecklichen Augenblick glaubte Ralph, er würde ohnmächtig werden. Er konzentrierte sich, riß sich aber zusammen, indem er an Lois dachte. Ihre Aura hatte ein dunkles, schockiertes Rot angenommen. Gezackte schwarze Linien Schossen darüber hinweg und durch sie hindurch. Sie sahen wie die EKG-Kurve einer Frau aus, die einen tödlichen Herzanfall erleidet.

[»O Ralph! O Ralph, großer Gott!«]

Etwas explodierte am südlichen Ende des Hauses mit solcher Wucht, daß die Tür, durch die sie gerade gekommen waren, aus den Angeln gerissen wurde. Ralph vermutete, es könnten eine oder mehrere Propangasflaschen gewesen sein... nicht, daß es in dieser Lage eine nennenswerte Rolle gespielt hätte. Brennende Fetzen der Tapete wurden vom Flur hereingewirbelt, und er sah, wie die Vorhänge im Zimmer und die restlichen Haare auf Gretchen Tillburys Kopf zur Tür geweht wurden, als das Feuer die Luft aus dem Zimmer sog, um sich Nahrung zu verschaffen. Wie lange würde es dauern, bis das Feuer die Frauen und Rinder im Keller in verkohltes Fleisch verwandelte? Ralph wußte es nicht und schätzte, daß es auch nicht darauf ankam; die meisten Menschen, die da unten eingeschlossen waren, würden ersticken oder an Rauchvergiftung sterben, bevor sie verbrannten.

Lois starrte die toten Frauen voller Entsetzen an. Tränen liefen ihr die Wangen hinab. Das geisterhafte graue Licht, das von den Spuren aufstieg, die sie hinterließen, sah wie Dampf von Trockeneis aus. Ralph führte sie durch den Salon zur geschlossenen Doppeltür auf der anderen Seite, verweilte gerade lange genug davor, daß er einmal tief Luft holen konnte, legte Lois einen Arm um die Taille und trat in das Holz.

Es folgte ein Augenblick der Dunkelheit, als nicht nur seine Nase, sondern sein ganzer Körper vom süßlichen Duft von Sägespänen eingehüllt zu sein schien, und dann befanden sie sich im Zimmer dahinter, dem nördlichsten Zimmer des Hauses.

Das war möglicherweise einmal ein Arbeitszimmer gewesen, inzwischen aber zu einem Raum für Gruppentherapiesitzungen umgebaut worden. In der Mitte standen ein rundes Dutzend Klappstühle im Kreis. An den Wänden hingen Tafeln mit Aufschriften wie ICH KANN VON NIEMANDEM RESPEKT ERWARTEN, WENN ICH MICH NICHT SELBST RESPEKTIERE. Auf eine Tafel an einem Ende des Zimmers hatte jemand mit großen Druckbuchstaben geschrieben: WE ARE FAMILY, I'VE GOT ALL MY SISTERS WITH ME. Daneben, an einem der Fenster nach Osten über der Veranda, kauerte Charlie Pickering, der eine kugelsichere Weste über dem Snoopy T-Shirt trug, das Ralph überall wiedererkannt hätte.