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Er überließ ihr Nat wieder, dann griff er nach oben und tastete die Kellerluke ab. Sie war wirklich schwer, aber Ralphs Körper war adrenalingesättigt, und als er mit der Schulter dagegen drückte, flog sie auf. Licht und frische Luft drangen in den Keller herunter. In einem von Ralphs heißgeliebten Filmen wäre so ein Augenblick mit Schreien des Triumphs und der Erleichterung begrüßt worden, aber zuerst gab keine der Frauen, die hier unten eingesperrt gewesen waren, auch nur einen Laut von sich. Sie standen nur schweigend da und betrachteten mit stummen, fassungslosen Gesichtern das Rechteck blauen Himmels, welches Ralph wie durch Zauberhand in dem Raum geschaffen hatte, den die meisten schon als ihr Grab betrachtet hatten.

Was werden sie später sagen? fragte er sich. Wenn sie dies wirklich überleben, was werden sie später sagen? Daß ein magerer Mann mit buschigen Augenbrauen und eine eher untersetzte Dame (aber mit wunderschönen spanischen Augen) plötzlich im Keller aufgetaucht wären, das Schloß aufgebrochen und sie in die Freiheit geführt hätten?

Er sah nach unten und erblickte den seltsam vertrauten kleinen Jungen, der mit großen, ernsten Augen zu ihm aufschaute. Der Junge hatte eine hakenförmige Narbe auf dem Nasenrücken. Ralph hatte eine Ahnung, als wäre dieser Junge der einzige, der sie wirklich gesehen hatte, als sie auf die Ebene der Kurzfristigen zurückgekehrt waren, und Ralph wußte genau, was er sagen würde: daß Engel gekommen wären, ein EngelMann und eine Engel-Lady, und die hätten sie gerettet. Dürfte heute abend in den Nachrichten eine interessante Fußnote abgeben, dachte Ralph. Ja, wahrhaftig. Lisette Benson und John Kirkland würden ausflippen.

Lois klatschte einmal kurz in die Hände wie eine Schulhofaufsicht, die die Kinder informiert, daß die Pause zu Ende ist. »Los doch, Leute! Beeilt euch, bevor das Feuer die Öltanks der Heizung erreicht!«

Die Frau mit dem kleinen Mädchen setzte sich als erste in Bewegung. Sie hob das weinende Kind auf die Arme und stolperte hustend und weinend die Treppe hinauf. Die anderen folgten ihr langsam. Der kleine Junge sah bewundernd zu Ralph auf, als seine Mutter ihn hinausführte. »Cool, Mann«, sagte er.

Ralph grinste ihn an - er konnte nicht anders -, dann drehte er sich zu Lois um und deutete die Treppe hinauf. »Wenn ich mich nicht völlig irre, müßte dieser Aufgang hinter dem Haus herauskommen. Laß sie noch nicht nach vorne gehen. Die Cops würden wahrscheinlich die Hälfte von ihnen umlegen, bevor ihnen klar wird, daß sie die Leute erschießen, die sie retten wollten.«

»Gut«, sagte sie - keine einzige Frage, kein weiteres Wort, und dafür hätte Ralph sie küssen können. Sie ging sofort die Treppe hinauf und blieb nur einmal stehen, um eine Frau, die stolperte, am Ellbogen zu fassen.

Nun blieben nur noch Ralph und Helen Deepneau übrig. »War das Lois?« fragte sie ihn.

»Ja.«

»Sie hat Natalie?« »Ja.« Ein weiteres großes Stück der Kellerdecke stürzte ein, Funken stoben in die Höhe, und Flammenzungen leckten gierig an den Deckenbalken entlang in Richtung des Heizofens.

»Bist du sicher?« Sie klammerte sich an seinem Hemd fest und sah ihn mit panischen, verquollenen Augen an. »Bist du sicher, daß sie Nat bei sich hatte?«

»Ganz sicher. Komm jetzt.«

Helen sah sich um und schien im Geiste zu zählen. Sie sah erschrocken auf. »Gretchen!« rief sie. »Und Merrilee! Wir müssen Merrilee holen, Ralph, sie ist im siebten Monat schwanger!«

»Sie ist oben«, sagte Ralph und packte Helen am Handgelenk, als sie die Treppe hinunter und in den brennenden Keller zurückgehen wollte. »Sie und Gretchen. Sind das dann alle?«

»Ja, ich glaube schon.«

»Gut. Komm mit. Wir müssen hier raus.«

Ralph und Helen kamen in einer Wolke dunkelgrauen Rauchs aus dem Kelleraufgang heraus und sahen ein wenig wie der Höhepunkt im Programm eines Weltklasseillusionisten aus. Sie befanden sich tatsächlich auf der Rückseite des Hauses, bei den Wäscheleinen. Kleider, Hosen, Unterwäsche und Betttücher flatterten in der frischen Brise. Vor Ralphs Augen landete ein brennender Balken auf einem der Bettlaken und ließ es in Flammen aufgehen. Auch aus den Küchenfenstern schlugen die Flammen. Die Hitze war unvorstellbar.

Helen sackte gegen ihn, nicht bewußtlos, aber vorübergehend völlig erschöpft. Ralph mußte sie an der Taille halten, damit sie nicht zu Boden fiel. Sie kratzte ihn kraftlos im Nacken und versuchte, etwas über Natalie zu sagen. Dann sah sie sie in Lois' Armen und entspannte sich etwas. Ralph umklammerte sie fester und trug sie halb und zog sie halb von der Kelleröfmung weg. Dabei sah er die Überreste eines anscheinend nagelneuen Vorhängeschlosses neben der offenen Luke auf dem Boden liegen. Es war in zwei Teile zerbrochen und seltsam verdreht, als hätten kräftige Hände es auseinandergerissen.

Die Frauen standen etwa zehn Meter entfernt zusammengedrängt an der Ecke des Hauses. Lois stand vor ihnen, redete mit ihnen und hinderte sie daran weiterzugehen. Ralph glaubte, mit etwas Vorbereitung und Glück würde ihnen nichts mehr geschehen, wenn sie doch weitergingen das Feuer aus dem Belagerungsring der Polizei hatte nicht aufgehört, aber deutlich nachgelassen.

»PICKERING!« Das hörte sich nach Leydecker an, aber durch den Verstärker des Megaphons konnte man es unmöglich genau sagen. »WARUM SIND SIE NICHT EINMAL IN IHREM LEBEN SCHLAU UND KOMMEN RAUS, SOLANGE SIE NOCH KÖNNEN?«

Weitere Sirenen kamen näher, darunter das deutliche, oszillierende Heulen eines Krankenwagens. Ralph führte Helen zu den anderen Frauen. Lois gab ihr Natalie zurück, dann drehte sie sich in die Richtung um, aus der die Megaphonstimme gekommen war, und hielt die hohlen Hände an den Mund. »Hallo!« rief sie. »Hallo, da vorne, können Sie uns -« Sie verstummte und hustete so sehr, daß sie beinahe würgte, krümmte sich und stützte die Hände auf die Knie, während ihr Tränen aus den vom Rauch gereizten Augen drangen.

»Lois, alles in Ordnung?« fragte Ralph. Aus den Augenwinkeln sah er, wie Helen das Gesicht des Verherrlichten und Angebeteten Babys mit Küssen bedeckte.

»Bestens«, sagte sie und wischte sich mit den Fingern die Wangen ab. »Der verdammte Rauch, mehr nicht.« Sie hielt wieder die Hände an den Mund. »Können Sie mich hören?«

Die Schüsse ließen noch mehr nach, aber vereinzelte Pistolenschüsse waren noch zu hören. Das gefiel Ralph ganz und gar nicht. Einer dieser vereinzelten Schüsse am falschen Platz konnte eine dieser unschuldigen Frauen das Leben kosten.

»Leydecker!« rief er und legte selbst die hohlen Hände um den Mund. »John Leydecker!«

Nach einer Pause gab die Megaphonstimme den Befehl, den Ralph herbeigesehnt hatte. »FEUER EINSTELLEN!«

Noch ein Knall, dann herrschte Stille, abgesehen vom Prasseln des brennenden Hauses.

»WER SPRICHT DA? IDENTIFIZIEREN SIE SICH!«

Aber Ralph glaubte, daß er auch so schon genug Probleme am Hals hatte.

»Die Frauen sind hier hinten!« rief er und mußte nun selbst gegen Hustenreiz kämpfen. »Ich schicke sie nach vorne!«

»NEIN, NICHT!« rief Leydecker zurück. »IM LETZTEN ZIMMER IM ERDGESCHOSS LAUERT EIN BEWAFFNETER MANN! ER HAT BEREITS MEHRERE MENSCHEN ERSCHOSSEN!«

Daraufhin stöhnte eine der Frauen und schlug die Hände vors Gesicht.

Ralph räusperte sich so gut er es mit seinem brennenden Hals vermochte - im Augenblick hätte er wahrscheinlich seine gesamte Rente für eine eiskalte Flasche Coca-Cola hergegeben - und schrie zurück: »Machen Sie sich keine Sorgen wegen Pickering! Pickering ist -«

Aber was genau war Pickering? Das war eine verdammt gute Frage, oder nicht?

»Mr. Pickering ist bewußtlos! Darum hat er aufgehört zu schießen!« schrie Lois neben ihm. Ralph glaubte nicht, daß »bewußtlos« das richtige Wort war, aber es würde genügen. »Die Frauen kommen mit erhobenen Händen um das Haus herum! Nicht schießen! Versprechen Sie uns, daß Sie nicht schießen werden!«