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Es folgte ein Augenblick Stille. Dann: »WIR WERDEN NICHT SCHIESSEN, ABER ICH HOFFE, SIE WISSEN, WOVON SIE SPRECHEN, LADY.«

Ralph nickte der Mutter des kleinen Jungen zu. »Gehen Sie jetzt. Sie beide können die Karawane anführen.«

»Sind Sie sicher, daß sie uns nicht wehtun werden?« Die verblassenden Blutergüsse im Gesicht der jungen Frau (ein Gesicht, das Ralph ebenfalls vage bekannt vorkam) legten beredtes Zeugnis davon ab, was für einen bedeutenden Teil ihres Lebens die Frage bildete, wer ihr und ihrem Sohn wehtun würde und wer nicht. »Sind Sie sicher?«

»Ja«, sagte Lois, immer noch hustend und mit tränenden Augen. »Nehmen Sie einfach nur die Hände hoch. Das kannst du doch, großer Junge, oder nicht?«

Der Junge hielt die Hände mit der Begeisterung eines passionierten Räuber-und-Gendarm-Spielers hoch, aber er wandte den Blick seiner glänzenden Augen nicht von Ralphs Gesicht ab.

Rosa Rosen, dachte Ralph. Wenn ich seine Aura sehen könnte, hätte sie diese Farbe. Er war nicht sicher, ob das Intuition oder eine Erinnerung war, wußte aber, daß es stimmte.

»Was ist mit den Leuten im Inneren?« fragte eine andere Frau. »Wenn die nun schießen? Sie waren bewaffnet - wenn die nun schießen?«

»Da drinnen wird niemand mehr schießen«, sagte Ralph. »Gehen Sie jetzt.«

Die Mutter des kleinen Jungen warf Ralph noch einen zweifelnden Blick zu, dann sah sie ihren Sohn an. »Fertig, Pat?«

»Ja!« sagte Pat und grinste.

Seine Mutter nickte und hob eine Hand. Die andere legte sie ihm um die Schultern - eine zaghafte, beschützende Geste, die Ralphs Herz rührte. So gingen sie um die Hausecke herum. »Tun Sie uns nicht weh!« rief sie. »Wir haben die Hände erhoben und mein kleiner Junge ist bei mir, also tun Sie uns nicht weh!«

Die anderen warteten einen Moment, dann ging die Frau, die die Hände vor das Gesicht geschlagen hatte. Die mit dem kleinen Mädchen gesellte sich zu ihr (das Mädchen lag jetzt in ihren Armen, hob aber trotzdem folgsam die Hände in die Luft). Die anderen folgten, die meisten hustend, alle mit leeren, erhobenen Händen. Als Helen sich am Ende der Parade einreihte, berührte Ralph sie an der Schulter. Sie sah zu ihm auf, und ihre roten Augen blickten gelassen und verwundert zugleich.

»Jetzt warst du zum zweitenmal da, als Nat und ich dich brauchten«, sagte sie. »Bist du unser Schutzengel, Ralph?«

»Vielleicht«, sagte er. »Vielleicht bin ich das. Hör zu, Helen wir haben nicht viel Zeit. Gretchen ist tot.«

Sie nickte und fing an zu weinen. »Ich wußte es. Ich wollte es nicht wahrhaben, aber irgendwie habe ich es doch gewußt.«

»Es tut mir sehr leid.« »Wir waren so fröhlich, als sie gekommen sind - ich meine, wir waren nervös, aber wir haben viel gelacht und viel geplaudert. Wir wollten den Rest des Tages damit verbringen, uns auf die Rede vorzubereiten. Die Veranstaltung und Susan Days Rede.«

»Wegen heute abend muß ich mit dir reden«, sagte Ralph so behutsam er konnte. »Glaubst du, sie werden trotzdem -«

»Wir haben Frühstück gemacht, als sie gekommen sind.« Sie sprach weiter, als hätte sie ihn gar nicht gehört; Ralph vermutete, daß sie ihn tatsächlich nicht gehört hatte. Nat sah über Helens Schulter, und obwohl sie noch hustete, hatte sie aufgehört zu weinen. In den schützenden Armen ihrer Mutter sah sie voll lebhafter Neugier von Ralph zu Lois und wieder zu Ralph.

»Helen -«, begann Lois.

»Guckt mal! Seht ihr das?« Helen deutete auf einen alten braunen Cadillac neben dem baufälligen Schuppen, der damals, als Ralph und Carolyn gelegentlich hierher gekommen waren, noch die Apfelpresse gewesen war; wahrscheinlich hatte er High Ridge als Garage gedient. Der Caddy war in einem schlechten Zustand - gesprungene Windschutzscheibe, verbeulte Kotflügel, ein Scheinwerfer mit Paketband geklebt. Die Stoßstange war mit Anti-Abtreibungs-Aufklebern übersät.

»Mit dem Auto sind sie gekommen. Sie fuhren hinter das Haus, als wollten sie es in unserer Garage abstellen. Ich glaube, dadurch konnten sie uns zum Narren halten. Sie fuhren einfach nach hinten, als gehörten sie hierher.« Sie betrachtete das Auto einen Moment, dann schaute sie wieder mit vom Rauch geröteten, unglücklichen Augen zu Ralph und Lois auf. »Jemand hätte auf die Aufkleber an der verdammten Karre achten sollen.«

Plötzlich mußte Ralph an Barbara Richards bei Woman-Care denken, Barbie Richards, die sich entspannt hatte, als Lois auf sie zugekommen war. Es hatte sie nicht weiter gekümmert, daß Lois etwas aus ihrer Handtasche holte; Lois war eine Frau, nur das zählte. Eine Schwester. Sandra McKay hatte den Cadillac gefahren; Ralph mußte Helen nicht fragen, um das zu wissen. Sie hatten die Frau gesehen und die Aufkleber nicht mehr beachtet. We are Family, I've got all my sisters with me.

»Als Deanie sagte, daß die Leute, die aus dem Auto ausstiegen, Armeekleidung trugen und bewaffnet wären, hielten wir es für einen Witz. Das heißt, alle außer Gretchen. Sie sagte uns, wir sollten, so schnell wir könnten, nach unten. Dann ging sie in den Salon. Um die Polizei anzurufen, vermute ich. Ich hätte bei ihr bleiben sollen.«

»Nein«, sagte Lois und ließ eine Locke von Natalies feinem Haar durch die Finger gleiten. »Sie mußten auf die Kleine hier aufpassen. Das müssen Sie noch.«

»Wahrscheinlich«, sagte Helen düster. »Wahrscheinlich. Aber sie war meine Freundin, Mrs. Chasse. Meine Freundin.«

»Das weiß ich, Liebste.«

Helen verzog das Gesicht und fing an zu weinen. Natalie sah ihre Mutter einen Moment mit einem Ausdruck komischen Erstaunens an, dann fing sie ebenfalls an zu weinen.

»Helen«, sagte Ralph. »Helen, hör mir zu. Ich muß dich etwas fragen. Es ist sehr, sehr wichtig. Hörst du mir zu?«

Helen nickte, hörte aber nicht auf zu weinen. Ralph hatte keine Ahnung, ob sie ihn wirklich hörte oder nicht. Er sah zur Hausecke und fragte sich, wieviel Zeit ihnen noch bleiben würde, bis die Polizisten angestürmt kamen, dann holte er tief Luft. »Glaubst du, es besteht die Möglichkeit, daß die Veranstaltung heute abend trotzdem stattfinden wird? Die geringste Möglichkeit? Du hast Gretchen nähergestanden als jede andere. Sag mir, was du meinst.«

Helen hörte auf zu weinen und sah ihn mit ruhigen, großen Augen an, als könnte sie nicht glauben, was sie gerade gehört hatte. Dann füllten sich diese Augen allmählich mit einem erschreckend heftigen Zorn.

»Wie kannst du das fragen? Wie kannst du das auch nur fragen?«

»Nun... weil...« Er verstummte, da er nicht weitersprechen konnte. Mit Wut hätte er zu allerletzt gerechnet.

»Wenn sie uns jetzt aufhalten, haben sie gewonnen«, sagte Helen. »Begreifst du das nicht? Gretchen ist tot, Merrilee ist tot, High Ridge ist mit allem, was die meisten Frauen besaßen, bis auf die Grundmauern niedergebrannt, und wenn sie uns jetzt aufhalten, dann haben sie gewonnen.«

Nun stellte ein Teil von Ralphs Verstand - ein tief verborgener Teil - einen schrecklichen Vergleich an. Ein anderer Teil, der Helen liebte, wollte ihn unterdrücken, aber es war zu spät. Ihre Augen sahen wie die von Charlie Pickering aus, als Pickering neben ihm in der Bibliothek gesessen hatte, und mit einem Kopf, der so einen Blick zustande brachte, konnte man nicht vernünftig reden.

»Wenn sie uns jetzt aufhalten, haben sie gewonnen!« schrie sie. Natalie fing in ihren Armen lauter an zu weinen. »Kapierst du das nicht? Verdammt noch mal, kapierst du das nicht? Wir werden es niemals zulassen! "Niemals! Niemals! Niemals!«

Sie hob unvermittelt die freie Hand in die Höhe und ging um das Gebäude herum. Ralph streckte die Hand nach ihr aus, berührte aber nur ihre Bluse mit den Fingerspitzen. Das war alles.

»Erschießt mich nicht!« rief Helen den Polizisten auf der anderen Seite des Hauses zu. »Erschießt mich nicht, ich bin eine der Frauen! Ich bin eine der Frauen! Ich bin eine der Frauen!«