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Ralph dachte darüber nach, dann nickte er. Er machte die Tür auf und schwang einen Fuß heraus. »Das ist ein gutes Argument. Außerdem wird Helen da sein. Möglicherweise bringt sie sogar Nat mit. Vielleicht ist das für unbedeutende kurzfristige Fürze wie uns schon genug.«

Und vielleicht, dachte er, möchte ich eine Revanche mit Doc Nr. 3.

O Ralph, stöhnte Carolyn. Clint Eastwood? Schon wieder?

Nein, nicht Clint Eastwood. Und auch nicht Sylvester Stallone oder Arnold Schwarzenegger. Nicht einmal John Wayne. Er war kein großer Action-Held oder Filmstar; er war nur der gute alte Ralph Roberts aus der Harris Avenue. Aber deshalb war der Groll, den er gegen den Doc mit dem rostigen Skalpell hegte, nicht weniger real. Und bei diesem Groll ging es um wesentlich mehr als einen streunenden Hund und einen alten Geschichtslehrer, der die letzten zehn Jahre oder so ein Stockwerk unter ihm gewohnt hatte. Ralph mußte immerzu an den Salon in High Ridge denken, und an die Frauen, die unter dem Plakat von Susan Day an die Wand gelehnt worden waren. Aber vor seinem geistigen Auge tauchte nicht der Bauch der schwangeren Merrilee auf, sondern Gretchen Tillburys Haar -ihr wunderschönes blondes Haar, das durch den Schuß aus nächster Nähe, der sie das Leben gekostet hatte, größtenteils verbrannt war. Charlie Pickering hatte abgedrückt, und Ed Deepneau hatte ihm möglicherweise die Waffe in die Hand gegeben, aber Ralph gab Atropos die alleinige Schuld, Atropos dem Springseilräuber, Atropos dem Huträuber, Atropos dem Kammräuber.

Atropos dem Ohrringräuber.

»Komm, Lois«, sagte er. »Gehen -«

Aber sie legte ihm eine Hand auf den Arm und schüttelte den Kopf. »Noch nicht - komm wieder rein und mach die Tür zu.«

Er sah sie eindringlich an, dann tat er, was sie gesagt hatte. Sie machte eine Pause, sammelte ihre Gedanken, und als sie weitersprach, sah sie den alten Dor direkt an.

»Ich verstehe immer noch nicht, warum wir nach High Ridge geschickt worden sind«, sagte sie. »Und das will ich verstehen. Wenn wir hier sein sollten, warum mußten wir dann dorthin. Ich meine, wir konnten einige Menschenleben retten, und darüber bin ich froh, aber ich glaube, Ralph hat recht ein paar Menschenleben sind bedeutungslos für die Leute, die hier das Sagen haben.«

Einen Augenblick herrschte Stille, dann sagte Dorrance: »Sind dir Klotho und Lachesis wirklich weise und allwissend vorgekommen, Lois?«

»Nun... sie waren klug, aber ich glaube, Genies waren sie nicht gerade«, sagte sie nach einem Augenblick des Nachdenkens. »Einmal haben sie sich Arbeiter genannt, die ganz weit unten auf der Leiter stehen, viel weiter unten als die leitenden Angestellten, die die Entscheidungen treffen.«

Der alte Dor nickte und lächelte. »Klotho und Lachesis sind selbst fast Kurzfristige im großen Weltenplan. Sie haben ihre eigenen Ängste und geistigen toten Winkel. Außerdem können sie falsche Entscheidungen treffen... was letztlich aber keine Rolle spielt, weil sie auch dem Plan dienen. Und dem Ka-tet.«

»Sie haben gedacht, wir würden verlieren, wenn wir Atropos direkt gegenübertreten, richtig?« fragte Ralph. »Darum haben sie sich selbst eingeredet, wir könnten tun, was erforderlich ist, indem wir nach High Ridge gingen, statt hierher zu kommen.«

»Ja«, sagte Dor. »So ist es.«

»Prima«, sagte Ralph. »Ich mag ein offenes Wort. Besonders, wenn es -«

»Nein«, sagte Dor. »Das ist es nicht.«

Ralph und Lois wechselten einen bestürzten Blick.

»Wovon redest du?«

»Es ist beides zugleich. Das ist häufig der Fall mit Sachen innerhalb des Plans. Seht ihr... nun...« Er seufzte. »Ich hasse diese Fragen. Ich beantworte so gut wie niemals Fragen, hab ich das nicht schon gesagt?«

»Ja«, sagte Lois. »Das hast du.«

»Ja. Und jetzt, bingo! So viele Fragen. Schlimm! Und sinnlos!«

Ralph sah Lois an, und sie erwiderte den Blick. Keiner machte Anstalten, aus dem Auto auszusteigen.

Dor stieß einen Seufzer aus. »Nun gut... aber es ist die letzte Auskunft, die ich geben werde, also hört gut zu. Klotho und Lachesis haben euch vielleicht aus den falschen Gründen nach High Ridge geschickt, aber der Plan hat euch aus den richtigen Gründen dorthin geschickt. Ihr habt eure Aufgabe dort erfüllt.«

»Indem wir die Frauen gerettet haben«, sagte Lois.

Aber Dorrance schüttelte den Kopf.

»Was haben wir dann getan?« schrie sie fast. »Was? Haben wir kein Recht zu erfahren, welchen Teil des gottverdammten Plans wir erfüllt haben?« »Nein«, sagte Dorrance. »Jedenfalls jetzt noch nicht. Weil ihr es noch einmal tun müßt.«

»Das ist verrückt«, sagte Ralph.

»Keineswegs«, antwortete Dorrance. Er drückte For Love jetzt fest an die Brust, knickte es hin und her und sah Ralph ernst an. »Der Zufall ist verrückt. Der Plan ist normal.«

Na gut, dachte Ralph, was haben wir in High Ridge getan, außer die Leute im Keller zu retten? Und natürlich John Leydecker - ich glaube, Pickering hätte ihn genau wie Chris Nell getötet, wenn ich nicht eingegriffen hätte. Könnte es etwas mit Leydecker zu tun haben?

Möglicherweise schon, aber das schien nicht der Punkt zu sein.

»Dorrance«, sagte er »könntest du uns nicht bitte noch ein paar Informationen geben? Ich meine -«

»Nein«, sagte der alte Dor nicht unfreundlich. »Keine Fragen mehr, keine Zeit. Wenn dies alles vorbei ist, gehen wir zusammen einmal gut essen... das heißt, wenn es uns dann noch gibt.«

»Du weißt echt, wie man jemanden aufmuntert, Dor.« Ralph machte die Tür auf. Lois ebenfalls, und sie stiegen beide aus und standen auf dem Parkplatz. Ralph bückte sich und sah Joe Wyzer an. »Gibt es sonst noch etwas? Etwas, das Ihnen einfällt?«

»Nein, ich glaube nicht -«

Dor beugte sich wieder nach vorne und flüsterte ihm etwas ins Ohr. Joe hörte stirnrunzelnd zu.

»Nun?« fragte Ralph, als sich Dorrance zurücklehnte. »Was hat er gesagt?«

»Er hat gesagt, ihr sollt meinen Kamm nicht vergessen«, sagte Joe. »Ich habe keine Ahnung, wovon er spricht, aber das ist ja nichts Neues.«

»Schon gut«, sagte Ralph und lächelte verhalten. »Das ist eines der wenigen Dinge, die ich verstehe. Komm mit, Lois sehen wir uns um. Mischen wir uns ein wenig unter das Volk.«

Auf halbem Weg über den Parkplatz stieß sie ihm mit dem Ellbogen so fest in die Rippen, daß Ralph stolperte. »Sieh doch!« flüsterte sie. »Gleich da drüben! Ist das nicht Connie Chung?«

Ralph sah hin. Ja; die Frau im beigen Mantel, die zwischen zwei Technikern mit dem Emblem von CBS an den Jacketts stand, war mit ziemlicher Sicherheit Connie Chung. Er hatte ihr hübsches, intelligentes Gesicht und freundliches Lächeln bei so vielen Tassen Kaffee bewundert, daß kaum ein Zweifel bestehen konnte.

»Entweder sie oder ihre Zwillingsschwester«, sagte er.

Lois schien alles über den alten Dor und High Ridge und die kahlköpfigen Docs vergessen zu haben; in diesem Moment war sie wieder die Frau, die Bill McGovern immer »unsere Lois« genannt hatte... stets mit der sarkastisch hochgezogenen Augenbraue. »Hol's der Teufel! Was macht sie denn hier?«

»Nun«, begann Ralph, und dann hielt er sich die Hand vor den Mund, um ein gewaltiges Gähnen zu verbergen, »ich schätze, was in Derry los ist, sorgt inzwischen landesweit für Schlagzeilen. Sie muß hier sein, um einen Livebericht vor dem Bürgerzentrum für die Abendnachrichten zu machen. In jedem Fall -«

Plötzlich und ohne Vorwarnung kamen die Auren zurück. Ralph stöhnte.

»Großer Gott! Lois, siehst du das?«

Aber er glaubte es nicht. Wenn sie es gesehen hätte, dann hätte Connie Chung wahrscheinlich nicht einmal ehrenhalber Erwähnung in Lois' Aufmerksamkeit gefunden. Dies war unsagbar schrecklich, und Ralph wurde zum erstenmal voll und ganz bewußt, daß selbst die helle Welt der Auren ihre Schattenseite hatte, bei der ein normaler Mensch auf die Knie gesunken wäre und Gott für seine eingeschränkte Wahrnehmung gedankt hätte.