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»Okay, aber vergiß nicht, mit den Frauen zu reden, die hier in der Gegend das Sagen haben«, sagte die Produzentin. »Nachdem diese Tillbury tot ist, sind das Maggie Petrowsky, Barbara Richards und Sallyann Rimbar. Rimbar wird heute abend den großen Kahuna ansagen, glaube ich... in diesem Fall wohl besser die große Kahunette.« Die Frau ging einen Schritt vom Bürgersteig herunter und zertrat einen der Käfer mit ihrem hohen Absatz. Ein Regenbogen von Eingeweiden wurde herausgequetscht, zusammen mit einer wachsähnlichen weißen Substanz, die wie verdorbenes Kartoffelpüree aussah. Ralph nahm an, daß es sich bei der weißen Substanz um Eier handelte.

Lois drückte das Gesicht gegen seinen Arm.

»Und halten Sie Ausschau nach einer Frau namens Helen Deepneau«, sagte die Produzentin und machte einen Schritt auf das Gebäude zu. Der Käfer blieb an ihrem Absatz kleben und wand sich und zuckte, während sie ging.

»Deepneau«, sagte Kirkland. Er klopfte sich mit den Knöcheln an die Stirn. »Irgendwo tief da drinnen klingelt es.«

»Nee, das ist nur deine letzte aktive Gehirnzelle, die herumkullert«, sagte die Produzentin. »Ed Deepneaus Frau. Sie leben getrennt. Wenn du Tränen willst, ist sie der sicherste Tip. Sie und Tillbury waren gute Freundinnen. Möglicherweise besonders gute Freundinnen, wenn du verstehst, was ich meine.«

Kirkland grinste lüstern - ein Ausdruck, der in so krassem Gegensatz zu seiner Bildschirmpersönlichkeit stand, daß Ralph sich leicht desorientiert fühlte. Derweil hatte einer der Farbkäfer den Weg auf den Schuh der Frau gefunden und krabbelte an ihrem Bein hinauf. Ralph beobachtete mit hilfloser Faszination, wie er unter dem Rocksaum verschwand. Er sah, wie die Wölbung unter dem Stoff sich weiterbewegte, und es war, als würde man einem Kätzchen zusehen, das unter ein Badetuch gekrochen ist. Und wieder hatte man den Eindruck, als würde Kirklands Kollegin etwas spüren; sie griff, als sie sich mit ihm über mögliche Interviews während Susan Days Rede unterhielt, nach unten und kratzte geistesabwesend an der Wölbung, die inzwischen fast ihre rechte Hüfte erreicht hatte. Ralph konnte das glibberige Plopp! nicht hören, welches das weiche, empfindliche Geschöpf beim Zerplatzen von sich gab, aber er konnte es sich vorstellen. Schien nicht anders zu können, als es sich vorzustellen. Und er konnte sich vorstellen, wie die Gedärme wie Eiter auf den Nylonstrümpfen am Bein der Frau hinunterliefen. Dort würden sie mindestens bis zur abendlichen Dusche bleiben, unsichtbar, unbemerkt, unbeachtet.

Nun unterhielten die beiden sich darüber, wie sie über die für heute nachmittag angesetzte Demonstration der Abtreibungsgegner berichten sollten... das heißt, sollte sie tatsächlich stattfinden. Die Frau war der Ansicht, nicht einmal die Friends of Life wären dumm genug, nach den Vorfällen in High Ridge vor dem Bürgerzentrum aufzumarschieren. Kirkland sagte ihr, daß man die Dummheit von Fanatikern unmöglich unterschätzen könnte; Leute, die in der Öffentlichkeit soviel Polyester tragen konnten, seien eindeutig eine Kraft, mit der man rechnen müsse. Und die ganze Zeit, während sie sich unterhielten, Tips und Einfälle und Klatsch austauschten, schwärmten weitere bunte, aufgedunsene Läuse an ihren Beinen und Oberkörpern hinauf. Ein Pionier schaffte es bis zu Kirklands roter Krawatte und hatte es offensichtlich auf sein Gesicht abgesehen.

Eine Bewegung rechts von ihm zog Ralphs Aufmerksamkeit auf sich. Er drehte sich zu den Türen um und sah gerade noch, wie einer der Techniker einen Kollegen mit dem Ellbogen anstieß und auf ihn und Lois zeigte. Ralph konnte sich plötzlich nur allzugut vorstellen, was sie sahen: zwei Leute, die keinen ersichtlichen Grund hatten, hier zu sein (sie trugen keinen schwarzen Trauerflor und hatten eindeutig nicht mit den Medien zu tun), die einfach am Rand des Parkplatzes herumhingen. Die Lady, die schon einmal geschrien hatte, hatte das Gesicht am Arm des Herrn vergraben... und der fragliche Herr gaffte wie ein Irrer, obwohl es nichts zu sehen gab.

Ralph sprach leise aus dem Mundwinkel wie ein Sträfling, der sich in einem alten Gefängnisstreifen von Warner Brothers über einen Ausbruch unterhält. »Nimm den Kopf hoch. Wir ziehen mehr Aufmerksamkeit auf uns, als wir uns leisten können.«

Einen Augenblick glaubte er nicht, daß sie dazu imstande sein würde... aber dann kam sie zu sich und hob den Kopf. Sie warf den Büschen, die an der Wand wuchsen, einen letzten Blick zu

- einen unwillkürlichen, entsetzten kurzen Blick -, dann sah sie entschlossen wieder Ralph an, und nur Ralph. »Siehst du eine Spur von Atropos, Ralph? Darum sind wir doch hier, oder nicht... um seine Spur aufzunehmen?«

»Vielleicht. Kann sein. Um ehrlich zu sein, ich habe noch gar nicht danach gesucht - hier läuft zuviel anderes ab. Ich glaube, wir sollten ein wenig näher an das Gebäude heran.«

Er war nicht gerade heiß darauf, aber es schien sehr wichtig zu sein, irgend etwas zu unternehmen. Er konnte das Leichentuch um sie herum spüren, eine düstere, erstickende Präsenz, die sich passiv jeder Art von Vorwärtsbewegung widersetzte. Dagegen mußten sie ankämpfen.

»Na gut«, sagte sie. »Ich werde Connie Chung um ein Autogramm bitten, und dabei werde ich ununterbrochen albern kichern. Kannst du das ertragen?«

»Ja.«

»Gut. Denn das bedeutet, wenn sie überhaupt auf uns achten, werden sie alle mich ansehen.«

»Klingt nicht schlecht.«

Er riskierte einen letzten Blick auf Kirkland und die Produzentin. Sie unterhielten sich gerade darüber, welche Ereignisse sie zum Anlaß nehmen könnten, das Abendprogramm des Senders für eine Liveübertragung zu unterbrechen, ohne die trägen Trilobiten zu bemerken, die auf ihren Gesichtern hin und her krochen. Einer krabbelte gerade langsam in John Kirklands Mund.

Ralph wandte sich hastig ab und ließ sich von Lois zu Ms. Chung und dem bärtigen Kameramann ziehen. Er sah, wie die beiden zuerst Lois und dann einander ansahen. Der Blick drückte ein Viertel Erheiterung und drei Viertel Resignation aus

- da kommt eine von denen -, und dann drückte Lois seine Hand kurz und fest, was heißen sollte: Kümmere dich nicht um mich, Ralph, kümmere du dich um deine Angelegenheiten, und ich kümmere mich um meine.

»Pardon, aber sind Sie nicht Connie Chung?« fragte Lois mit ihrer überraschtesten Ja-ist-es-denn-die-Möglichkeit-Stimme. »Ich habe Sie hier gesehen und gleich zu Norton gesagt: >Ist das die Dame, die mit Dan Rather im Fernsehen ist, oder spinn ich?< Und dann -«

»Ich bin Connie Chung, und es ist sehr schön, Sie kennenzulernen, aber ich bereite mich gerade auf die Sendung heute abend vor, wenn Sie mich also bitte entschuldigen würden -«

»Oh, selbstverständlich, mir würde nicht im Traum einfallen, Sie zu behelligen, ich möchte nur gerne ein Autogramm - nur eine kurze Unterschrift würde genügen - weil ich Ihr Fan Nummer eins bin, zumindest in Maine.«

Ms. Chung warf einen Blick auf Rosenberg. Der hielt bereits einen Kugelschreiber in der Hand, so wie eine gute OP-Schwester das Instrument in der Hand hält, das der Arzt als nächstes haben will, noch ehe er danach verlangt hat. Ralph richtete seine Aufmerksamkeit auf den Bereich vor dem Bürgerzentrum und steigerte seine Wahrnehmung noch um eine Winzigkeit.

Vor den Türen sah er eine halbdurchsichtige, schwärzliche Substanz, die ihm anfangs Rätsel aufgab. Sie war etwa fünf Zentimeter tief und sah fast wie eine geologische Formation aus. Aber das konnte nicht sein... oder? Wenn das, was er da sah, real gewesen wäre (zumindest in der Form, wie Gegenstände auf der Ebene der Kurzfristigen real waren), dann hätte die Substanz die Türen versperrt, aber das tat sie nicht. Vor Ralphs Augen wateten zwei Fernsehtechniker bis zu den Knöcheln durch die Substanz, als wäre sie nicht greifbarer als Bodennebel.

Ralph erinnerte sich an die geisterhaften Fußspuren, welche die Leute hinterließen - die fast wie Tanzschrittdiagramme von Arthur Murray aussahen -, und plötzlich glaubte er zu verstehen. Die Spuren verschwanden wie Zigarettenrauch... Aber Zigarettenrauch verschwand nicht wirklich, sondern hinterließ einen Rückstand auf Wänden, Fenstern und in der Lunge. Offenbar hinterließen menschliche Auren ebenfalls ihre Rückstände. Wenn es sich nur um eine Person handelte, konnte man wahrscheinlich nichts mehr sehen, sobald die Farben verschwanden, aber dies war der größte öffentliche Versammlungsplatz in der viertgrößten Stadt von Maine. Ralph dachte an alle Leute, die durch diese Türen gegangen sein mußten - alle Bankette, Versammlungen, Münzbörsen, Konzerte, Basketballturniere - und wußte, worum es sich bei dem halbdurchsichtigen Schlamm handelte. Er war das Äquivalent der leichten Vertiefung, die man manchmal in der Mitte vielbegangener Treppenstufen sah.