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Klotho sagte etwas, aber Lois verstand nur den zusammenhanglosen Ausdruck:

[Handel könnte möglich sein.]

Lachesis schüttelte heftig den Kopf. Ralph antwortete, und Lachesis antwortete mit einer grimmigen knappen Schneidegeste mit den Fingern.

Überraschenderweise reagierte Ralph darauf mit einem Lachen und einem Nicken.

Klotho legte seinem Kollegen eine Hand auf den Arm und unterhielt sich ernst mit ihm, bevor er sich wieder an Ralph wandte.

Lois verschränkte die Hände im Schoß und wünschte sich, sie würden zu einer Art Einigung gelangen. Irgendeiner Einigung, die Ed Deepneau daran hindern würde, die vielen Menschen zu töten, während sie hier nur herumstanden und redeten.

Plötzlich wurde der Hügel von gleißendem weißen Licht erhellt. Zuerst glaubte Lois, es käme vom Himmel herab, aber das lag nur daran, daß Mythos und Religion ihr beigebracht hatten zu glauben, daß der Himmel Ursprung aller übernatürlichen Erscheinungen war. In Wirklichkeit schien es von überall zu kommen - den Bäumen, dem Himmel, dem Boden, sogar aus ihr selbst, es strömte wie ein helles Nebelband aus ihrer Aura.

Dann ertönte eine Stimme... oder besser gesagt, eine STIMME. Sie sprach nur drei Worte, aber die hallten in Lois' Kopf wie eherne Glocken.

[SO SEI ES.]

Sie sah Klotho, dessen kleines Gesicht eine Maske des Grauens und der Ehrfurcht war, in die Tasche greifen und die Schere herausholen. Er zitterte und ließ sie fast fallen, ein Zeichen von Nervosität, bei dem sich Lois richtig mit ihm verbunden fühlte. Dann hielt er sie aufgeklappt hoch, in jeder Hand einen Griff.

Die drei Worte ertönten wieder:

[SO SEI ES.]

Diesmal folgte aber ein so grelles Leuchten, daß Lois einen Moment glaubte, sie wäre blind geworden. Sie schlug die Hände vor die Augen, sah aber - im letzten Augenblick, als sie noch etwas sehen konnte -, daß sich das Licht in der Schere sammelte, die Klotho wie einen zweizackigen Blitzableiter hochhielt.

Es gab kein Entrinnen vor diesem Licht; es verwandelte ihre Lider und ihre erhobenen, die Augen abschirmenden Hände in Glas. Das Leuchten zeichnete die Knochen ihrer Finger wie bei einer Röntgenaufnahme ab, als es durch ihre Hand strömte. Weit entfernt hörte sie eine Frau, die sich verdächtig nach Lois Chasse anhörte, innerlich mit lauter Stimme sprechen:

[»Abschalten! Mein Gott, bitte schaltet es ab, bevor es mich umbringt!«]

Und als sie glaubte, sie könne es nicht mehr länger aushalten, begann das Licht endlich zu verblassen. Als es erloschen war -abgesehen von einem leuchtenden blauen Phantombild, das in der Dunkelheit schwebte wie eine Geisterschere -, schlug sie langsam die Augen auf. Einen Augenblick sah sie nichts als das gleißende blaue Kreuz und dachte, sie wäre wirklich erblindet. Dann kehrte die Welt zurück, zuerst vage wie bei einer Fotografie, die gerade entwickelt wird. Sie sah Ralph, Klotho und Lachesis, die ebenfalls die Hände sinken ließen und sich mit der blinden Bestürzung von Maulwürfen umsahen, deren Bau von einer Pflugschar freigelegt worden ist.

Lachesis betrachtete die Schere in der Hand seines Kollegen, als hätte er sie noch nie zuvor gesehen, und Lois wäre jede Wette eingegangen, daß er sie noch nie wie jetzt gesehen hatte. Die Scherenblätter leuchteten immer noch und verströmten geisterhaften Feenschimmer von Licht wie Nebeltröpfchen.

Lachesis: [Ralph! Das war...]

Den Rest bekam sie nicht mit, aber er sprach im Tonfall eines gewöhnlichen Bauern, der zur Tür geht, weil es geklopft hat, und feststellt, daß der Papst auf ein Gebet und eine kleine Beichte vorbeigekommen ist.

Klotho starrte immer noch die Blätter seiner Schere an. Ralph ebenfalls, aber sein Blick wanderte zu den kleinen Ärzten.

Ralph: [»... die Schmerzen?«]

Lachesis, wie ein Mann, der aus einem tiefen Traum erwacht: [Ja... wird nicht lange dauern, aber... Schmerzen werden gewaltig sein... Meinung geändert, Ralph?]

Plötzlich hatte Lois Angst vor dieser leuchtenden Schere. Sie wollte Ralph zurufen, er solle sein Leben vergessen und den beiden einfach ihres geben, den kleinen Jungen, den sie unbedingt haben wollten. Sie wollte ihm sagen, daß er alles tun sollte, was sie wollten, damit sie die Schere wieder wegsteckten.

Aber weder aus ihrem Mund noch aus ihrem Geist kamen Worte.

Ralph: [»... im geringsten... wollte nur wissen, was ich zu erwarten habe.«]

Klotho: [... fertig?... muß sein...]

Sag nein, Ralph, dachte sie. Sag NEIN!

Ralph: [»... bereit.«]

Lachesis: [Verstehen... seine Bedingungen... und den Preis?] Ralph, jetzt sichtlich ungeduldig: [»Ja, ja. Können wir jetzt bitte«]

Klotho, mit großem Ernst: [Nun gut, Ralph. So sei es.]

Lachesis legte einen Arm um Ralphs Schultern; er und Klotho führten ihn ein Stück weiter bergab zu der Stelle, wo die jüngeren Kinder im Winter ihre Schlittenfahrten begannen. Dort befand sich eine flache, kreisrunde Stelle, etwa so groß wie die Bühne eines Nachtclubs. Als sie dort angekommen waren, hielt Lachesis Ralph auf, dann drehte er ihn herum, so daß er und Klotho einander gegenüberstanden.

Plötzlich wollte Lois die Augen schließen, stellte aber fest, daß sie es nicht konnte. Sie konnte nur zusehen und beten, daß Ralph wußte, was er tat.

Klotho unterhielt sich murmelnd mit ihm. Ralph nickte und zog den Pullover aus. Er faltete ihn zusammen und legte ihn ordentlich auf das laubbedeckte Gras. Als er sich wieder aufrichtete, ergriff Klotho seinen rechten Arm am Handgelenk und hielt ihn starr ausgestreckt. Dann nickte er Lachesis zu, der Ralphs Manschettenknopf öffnete und mit drei raschen Bewegungen den Ärmel bis zum Ellbogen hochkrempelte. Als das geschehen war, drehte Klotho Ralphs Arm so, daß das Handgelenk nach oben zeigte. Die feinen blauen Adern dicht unter der Haut des Unterarms waren deutlich zu sehen und von feinen Schnörkeln der Aura betont. Das alles kam Lois schrecklich vertraut vor: als würde sie sehen, wie ein Patient in einer Krankenhausfernsehserie für die Operation vorbereitet wurde.

Aber dies war nicht das Fernsehen.

Lachesis beugte sich nach vorne und sagte wieder etwas. Sie konnte die Worte immer noch nicht hören, aber Lois wußte, er sagte Ralph, daß dies seine letzte Chance war.

Ralph nickte, und obwohl seine Aura Lois verriet, daß er große Angst vor dem hatte, was ihm bevorstand, brachte er sogar ein Lächeln zustande. Als er sich zu Klotho umdrehte und auf ihn einsprach, schien er keine Beruhigung zu suchen, sondern tatsächlich ein Wort des Trostes zu sprechen. Klotho versuchte, Ralphs Lächeln zu erwidern, aber ohne Erfolg.

Lachesis legte eine Hand um Ralphs Handgelenk, allerdings (so kam es Lois jedenfalls vor) mehr um den Arm zu stützen, als um ihn tatsächlich reglos zu halten. Er erinnerte sie an eine Schwester, die einem Patienten beisteht, der eine schmerzhafte Injektion bekommt. Dann sah er seinen Partner mit ängstlichen Augen an und nickte. Klotho nickte ebenfalls, holte tief Luft und beugte sich dann über Ralphs Unterarm mit dem geisterhaften Baum blauer Venen, die unter der Haut zu sehen waren. Er hielt einen Moment inne, dann klappte er langsam die Schere auf, mit der er und sein alter Freund das Leben gegen den Tod eintauschten.

Lois kam schwankend auf die Füße und stand unsicher auf Beinen, die sich wie toter Ballast anfühlten. Sie wollte die Lähmung überwinden, die sie in diesem schrecklichen Schweigen gefangenhielt, wollte Ralph zurufen, daß er aufhören sollte - ihm sagen, daß er nicht wußte, was sie mit ihm vorhatten.

Aber er wußte es. Sie sah es an seinem blassen Gesicht, den halb geschlossenen Augen, den schmerzlich zusammengepreßten Lippen. Am deutlichsten aber sah sie es an den schwarzen und roten Flecken, die durch seine Aura rasten wie Meteore, und an der Aura selbst, die sich zu einer harten, blauen Hülle zusammengezogen hatte.

Ralph nickte Klotho zu, der die Schere senkte, bis sie Ralphs Unterarm dicht unter dem Knick des Ellbogens berührte. Einen Augenblick wurde die Haut nur eingedrückt, dann bildete sich eine glatte, dunkle Blutblase, wo die Falte gewesen war. Die Schneide glitt in diese Blase. Als Klotho die Finger spannte und die Scherenblätter zusammendrückte, schnellte die Haut auf beiden Seiten des Längsschnitts zurück wie Jalousien. Das Unterhautfettgewebe glänzte wie schmelzendes Eis im grellen blauen Leuchten von Ralphs Aura. Lachesis hielt Ralphs Handgelenk fester, aber soweit Lois sehen konnte, unternahm Ralph nicht einmal ansatzweise den Versuch, sie zurückzuziehen, er senkte nur den Kopf und ballte die linke Hand zur Faust wie ein Mann, der den Black-Power-Gruß ausführt. Sie konnte die Sehnen an seinem Hals wie Kabel hervortreten sehen. Aber kein Laut kam über seine Lippen.