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[Was denkst du dir eigentlich? Geh weg von mir! Willst du den Rest deines Lebens im Rollstuhl verbringen?]

[»Ich kann mir Schlimmeres vorstellen, Kumpel - die Zeit, als ich am ersten Schlagmal gespielt habe, sind definitiv vorbei.«]

Die Stimme schwoll an und wurde zur Stimme seiner Mutter, wenn sie wütend war.

[Hör mir zu, Junge! Hör mir zu und paß auf l]

Einen Augenblick zögerte er angesichts der alten Kommandos, die mit einer Stimme ausgesprochen wurden, welche so unheimliche Ähnlichkeit mit der seiner Mutter hatte. Dann ging er wieder einen Schritt weiter. Der Queenfish drückte sich in den Schaukelstuhl und schlug unter dem Saum des alten Hauskleids mit der Schwanzflosse.

[WAS DENKST DU DIR EIGENTLICH DABEI?]

[»Ich weiß nicht; vielleicht will ich dich nur an den Barthaaren ziehen. Mal sehen, ob sie echt sind.«]

Dann bot er alle Willenskraft auf, damit er nicht aufschrie und floh, und streckte die rechte Hand aus. Lois' Ohrring fühlte sich wie ein kleiner, warmer Kieselstein in seiner Faust an. Lois selbst schien sehr nahe zu sein, und Ralph fand das nicht überraschend, wenn man bedachte, wieviel von ihrer Aura er in sich aufgenommen hatte. Möglicherweise war sie jetzt sogar ein Teil von ihm. Das Gefühl ihrer Präsenz war ein großer Trost für ihn.

[Nein, das wagst du nicht! Du wirst gelähmt sein!]

[»Katzenwelse sind nicht giftig - das war das Ammenmärchen eines zehnjährigen Jungen, der noch mehr Angst hatte als ich.«]

Ralph griff mit der Hand, in der er den Metalldorn verborgen hielt, nach dem Schnurrbart, und der schuppige Kopf zuckte zurück, wie es ein Teil von Ralph gewußt hatte. Er waberte und veränderte sich, und die furchteinflößende rote Aura drang durch. Wenn Krankheit und Schmerz eine Farbe hätten, dachte Ralph, das wäre sie. Und bevor die Veränderung noch weitergehen konnte, bevor der Mann, den er jetzt sehen konnte - groß, auf kalte Weise hübsch mit seinem blonden Haar und den stechenden roten Augen - durch den Schimmer der Illusion treten konnte, die er abgestreift hatte, stieß Ralph die Spitze des Ohrrings in ein schwarzes, gewölbtes Fischauge.

Das Wesen stieß einen schrecklichen summenden Laut aus wie eine Zikade, fand Ralph - und versuchte, sich zurückzuziehen. Der heftig schlagende Schwanz erzeugte ein Geräusch wie ein Ventilator, zwischen dessen Rotoren sich ein Blatt Papier verfangen hat. Er rutschte in dem Schaukelstuhl hinab, der sich langsam in einen aus orangefarbenem Stein gemeißelten Thron verwandelte. Und dann war die Schwanzflosse verschwunden, der Queenfish war verschwunden, und der Scharlachrote König, dessen hübsches Gesicht zu einer Fratze von Schmerz und Fassungslosigkeit verzerrt war, saß vor ihm. Eines seiner Augen funkelte so rot wie das eines Luchses im Feuerschein; das andere war vom grellen, gebrochenen Funkeln von Diamantsplittern erfüllt.

Ralph griff mit der linken Hand in die Decke der Eier hinein, sah aber nichts als Schwärze auf der anderen Seite der Öffnung. Die andere Seite des Leichentuchs. Der Weg hinaus.

[Du bist gewarnt worden, du kurzfristiger Hurensohn! Du glaubst, du kannst mich an den Barthaaren ziehen, ja? Nun, mal sehen, ja? Mal sehen!] Der Scharlachrote König beugte sich auf seinem Thron nach vorne, sein Maul klaffte, das verbliebene Auge erstrahlte in rotem Licht. Ralph kämpfte gegen den Wunsch, seine jetzt leere rechte Hand wegzuziehen. Statt dessen rammte er sie vorwärts ins Maul des Scharlachroten Königs, das weit auseinanderklaffte, um sie zu verschlingen, wie vor langer Zeit der Katzenwels in den Barrens.

Etwas, das nicht aus Fleisch bestand, wand sich um seine Hand und stach dann zu wie Pferdebremsen. Gleichzeitig spürte Ralph echte Zähne - Fangzähne -, die sich in seinen Arm bohrten. Noch einen Augenblick, höchstens zwei, und der Scharlachrote König würde ihm das Handgelenk durchbeißen und seine Hand in einem Stück verschlingen.

Ralph machte die Augen zu und fand augenblicklich das Muster von Gedanken und Konzentration, das Bewegung zwischen den Ebenen möglich machte - seine Schmerzen und seine Angst waren dabei kein Hindernis. Nur war sein Ziel diesmal nicht Bewegung, sondern Auslösung. Klotho und Lachesis hatten ihm eine Falle in den Arm eingepflanzt, und es wurde Zeit, sie auszulösen.

Ralph verspürte dieses Gefühl des Blinzelns in seinem Kopf. Die Narbe an seinem Arm wurde sofort weißglühend und ging in einen kritischen Zustand über. Die Hitze verbrannte Ralph nicht, sondern strömte als expandierende Energiewoge aus ihm heraus. Er bemerkte einen titanischen grünen Lichtblitz, so grell, daß es einen Augenblick schien, als wäre die Smaragdstadt von Oz rings um ihn herum explodiert. Etwas oder jemand schrie. Das hohe, schrille Geräusch hätte ihn wahnsinnig gemacht, hätte es lange gedauert, aber es war nur kurz. Ihm folgte ein lauter, hohler Knall, bei dem Ralph daran denken mußte, wie er einmal einen M-80 Kracher angezündet und in ein Stahlrohr geworfen hatte.

Eine plötzliche Woge der Energie wehte als Wind und verblassendes grünes Licht an ihm vorbei. Er konnte einen seltsam verzerrten Blick auf den Scharlachroten König werfen, der nicht mehr jung und nicht mehr hübsch war, sondern uralt und krumm und weniger menschlich als die seltsamste Kreatur, die je durch die Existenzebene der Kurzfristigen geflattert oder gehüpft war. Dann tat sich etwas über ihnen auf und offenbarte eine Dunkelheit, in der widerstreitende Schnörkel und farbige Lichtstrahlen umherschossen. Der Wind schien den Scharlachroten König darauf zuzuwehen wie die Aufwinde eines Schornsteins ein welkes Blatt. Die Farben wurden heller, und Ralph wandte das Gesicht ab und schützte mit einer Hand die Augen. Er begriff, daß eine Verbindung zwischen der Ebene, wo er sich befand, und den unvorstellbaren Ebenen darüber geöffnet worden war; er begriff auch, wenn er lange in dieses grelle Leuchten sehen würde, in diese (Totenlichter) wirbelnden Farben, dann wäre der Tod bei weitem nicht das Schlimmste, das ihm zustoßen konnte, sondern das Beste. Er schloß nicht nur die Augen; er schloß sein Denken.

Einen Augenblick später war alles verschwunden - die Kreatur, die sich Ed gegenüber als der Scharlachrote König zu erkennen gegeben hatte, die Küche des alten Hauses in der Kansas Street, der Schaukelstuhl seiner Mutter. Ralph kniete etwa zwei Meter rechts von der Schnauze der Cherokee in der Luft und hatte die Hände erhoben wie ein Kind, das häufig Prügel bezog, vor einem grausamen Erwachsenen, und als er zwischen seinen Knien hinunterschaute, sah er das Bürgerzentrum und den angrenzenden Parkplatz direkt unter sich. Zuerst glaubte er, seine Augen wären einer optischen Täuschung aufgesessen, weil die Lampen auf dem Parkplatz auseinanderzustreben schienen. Sie sahen fast wie eine Menge sehr großer, sehr schlanker Menschen aus, die sich auflöste, weil das wie auch immer geartete aufregende Ereignis vorbei ist. Und der Parkplatz selbst schien... nun... größer zu werden.

Er wird nicht größer, sondern kommt näher, dachte Ralph kalt. Ed geht runter. Er hat mit seinem Kamikazeanflug begonnen.

Einen Augenblick war Ralph starr und von der simplen Unmöglichkeit seiner Position in den Bann geschlagen. Er war zu einem mythischen Zwischenwesen geworden, eindeutig kein Gott (kein Gott konnte so müde und ängstlich sein wie er im Augenblick), aber eindeutig auch kein erdgebundenes Geschöpf wie ein Mensch. So war das Fliegen wirklich, wenn man die Erde ohne Hindernis sah. Dies -

[»RALPH«]

Ihr Schrei war wie der Knall einer Schrotflinte neben seinem Ohr. Ralph zuckte davor zurück, und in dem Moment, als er den Blick vom hypnotisierenden Anblick des Bodens abwenden konnte, der ihm entgegenraste, konnte er sich auch wieder bewegen. Er stand auf und ging zum Flugzeug zurück. Das tat er so beiläufig und mühelos wie ein Mann, der in seinem Haus den Flur entlanggeht. Kein Wind blies ihm ins Gesicht oder wehte ihm das Haar aus der Stirn, und als seine linke Schulter durch den Propeller der Cherokee hindurchging, konnte ihm der kreisende Rotor ebensowenig etwas anhaben wie Rauch.