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Ed grinste. Er verdrehte die Augen.

»Die meisten Embryos verbrennen sie drüben in Newport. Auf dem Schild steht Mülldeponie, aber in Wirklichkeit ist es ein Krematorium. Aber manche transportieren sie auch über die Staatsgrenze. Mit Lastwagen und kleinen Flugzeugen. Weil das Gewebe von Embryos überaus wertvoll ist. Das sage ich dir nicht nur als besorgter Bürger, Ralph, sondern als Angestellter der Hawking Labors. Embryogewebe ist... wertvoller... als Gold.«

Plötzlich drehte er sich um und sah Bill McGovern an, der wieder etwas nähergekommen war, damit er alles mitbekam, was Ed sagte.

»JA, WERTVOLLER ALS GOLD UND KOSTBARER ALS RUBINE!« kreischte er, worauf McGovern zurücksprang und vor Angst und Unbehagen die Augen aufriß. »WEISST DU DAS, DU ALTE SCHWUCHTEL?«

»Ja«, sagte McGovern. »Ich... ich denke schon.« Er warf hastig einen Blick die Straße hinunter, wo eines der Polizeiautos gerade rückwärts aus dem Parkplatz des Red Apple stieß und in ihre Richtung gefahren kam. »Ich glaube, ich habe darüber gelesen. Möglicherweise in Scientific American.«

»Scientific American!« Ed lachte verächtlich und verdrehte die Augen vor Ralph, als wollte er sagen: Da siehst du, womit ich es zu tun habe. Dann wurde sein Gesicht wieder nüchtern. »Mord en gros«, sagte er, »genau wie zu Zeiten Christi. Nur ist es jetzt Mord an den Ungeborenen. Nicht nur hier, sondern überall auf der Welt. Sie schlachten sie zu Tausenden ab, Ralph, zu Millionen, und weißt du warum? Weißt du, weshalb wir in diesem neuen dunklen Zeitalter wieder am Hof des Scharlachroten Königs sind?«

Ralph wußte es. Es war nicht schwer, eins und eins zusammenzuzählen, wenn man genügend Puzzleteile hatte, mit denen man arbeiten konnte. Wenn man Ed gesehen hatte, wie er mit den Armen in einem Faß Dünger nach den toten Babys suchte, die er zu finden erwartet hatte.

»König Herodes ist diesmal etwas früher gewarnt worden«, sagte Ralph. »Willst du das damit sagen? Die alte MessiasGeschichte, richtig?«

Er richtete sich auf und rechnete halb damit, daß Ed ihn wieder zurückstoßen würde, hoffte fast darauf. Seine Wut stellte sich wieder ein. Es war sicher falsch, die unsinnigen Hirngespinste eines Wahnsinnigen zu kritisieren wie ein Schauspiel oder einen Film - vielleicht sogar blasphemisch -, aber Ralph versetzte der Gedanke, daß Helen wegen dieser ungereimten alten Scheiße verprügelt war, in Raserei.

Ed rührte ihn nicht an, er stand lediglich auf und wischte sich geschäftsmäßig die Hände ab. Er schien sich wieder abzuregen. Der Polizeifunk knisterte lauter, als der Streifenwagen, der vom Red Apple hergekommen war, an den Bordstein fuhr. Ed sah zu dem Streifenwagen, dann zu Ralph, der ebenfalls aufstand.

»Du kannst dich darüber lustig machen, aber es ist wahr«, sagte er leise. »Aber es ist nicht König Herodes - es ist der Scharlachrote König. Herodes war lediglich eine seiner Inkarnationen. Der Scharlachrote König springt von einem Körper zum nächsten, von einer Generation zur nächsten, wie ein Kind, das von Stein zu Stein über eine Brücke hüpft, Ralph, ständig auf der Suche nach dem Messias. Er hat ihn immer verpaßt, aber diesmal könnte es anders sein. Weil Derry anders ist. Alle Kraftlinien laufen hier zusammen. Ich weiß, das ist schwer zu glauben, aber es stimmt.«

Der Scharlachrote König, dachte Ralph. O Helen, es tut mir so leid. Wie traurig das alles ist.

Zwei Männer - einer in Uniform, einer in Zivil, wahrscheinlich beides Polizisten - stiegen aus dem Streifenwagen aus und näherten sich McGovern. Hinter ihnen konnte Ralph zwei weitere Männer in weißen Hosen und kurzärmligen weißen Hemden sehen, die aus dem Red Apple kamen. Einer hatte den Arm um Helen gelegt, die mit den zaghaften Schritten einer gerade Operierten ging. Der andere trug Natalie.

Diese beiden Männer - Ralph vermutete, daß es sich um Arzthelfer handelte - halfen Helen, in den Krankenwagen einzusteigen. Der mit dem Baby stieg hinter ihr ein, während der andere zum Fahrersitz ging. Ralph spürte aus ihren Bewegungen mehr Kompetenz als Panik und dachte, daß das gut für Helen sein mußte. Vielleicht hatte Ed sie nicht allzu schlimm verletzt... jedenfalls nicht diesmal.

Der Polizist in Zivil - untersetzt, mit breiten Schultern und einem blonden Schnurrbart und Koteletten, deren Stil Ralph als »Frühe Amerikanische Single-Bar« bezeichnete - hatte sich McGovern genähert, den er zu kennen schien. Der Zivilbeamte stellte ein breites Grinsen zur Schau.

Ed legte Ralph einen Arm um die Schultern und zog ihn ein paar Schritte von den Männern auf dem Bürgersteig fort. Außerdem senkt er seine Stimme zu einem leisen Murmeln. »Will nicht, daß sie uns hören«, sagte er.

»Das kann ich mir denken.«

»Diese Kreaturen... Zenturions... Diener des Scharlachroten Königs... werden vor nichts zurückschrecken. Sie sind unerbittlich.«

»Jede Wette.« Ralph sah über die Schulter und bekam gerade noch mit, wie McGovern auf Ed deutete. Der untersetzte Mann nickte ruhig. Er hatte die Hände in die Hosentaschen gesteckt und immer noch ein dünnes, mildes Lächeln auf den Lippen.

»Du solltest aber nicht den Eindruck gewinnen, daß es nur um Abtreibung geht! Nicht mehr. Sie nehmen die Ungeborenen von allen Müttern, nicht nur von den Junkies und Huren - acht Tage, acht Wochen, acht Monate, für die Zenturions ist das alles eins. Die Ernte geht Tag und Nacht weiter. Das Gemetzel. Ich habe die Leichen von Kindern auf Dächern gesehen, Ralph... unter Hecken... sie sind in den Abwasserkanälen... sie schweben in der Kanalisation und im Kenduskeag unten in den Barrens...«

Seine Augen, groß und grün und funkelnd wie kitschige Smaragde, starrten in die Ferne.

»Ralph«, flüsterte er, »manchmal ist die Welt voller Farben. Ich habe sie gesehen, seit er hier war und es mir gesagt hat. Aber jetzt werden alle Farben schwarz.«

»Seit wer gekommen ist und es dir gesagt hat, Ed?«

»Wir reden später darüber«, antwortete Ed aus dem Mundwinkel wie ein Ganove in einem Gangsterfilm. Unter anderen Umständen wäre es komisch gewesen.

Ein breites Quizmastergrinsen breitete sich über sein Gesicht aus und vertrieb den Wahnsinn so sicher wie der Sonnenaufgang die Nacht. Die Veränderung war in ihrer Plötzlichkeit beinahe tropisch und verdammt unheimlich, aber für Ralph hatte sie dennoch etwas Tröstliches. Vielleicht mußten sie - er, McGovern, Lois, alle anderen, die in diesem kurzen Abschnitt der Harris Avenue wohnten- sich doch nicht so sehr die Schuld daran geben, daß sie Eds Wahnsinn nicht schon früher gesehen hatten. Denn Ed war gut; Ed hatte seine Rolle wirklich einstudiert. Das Grinsen wäre einen Oscar wert gewesen. Selbst in einer bizarren Situation wie dieser verlangte es förmlich, daß man darauf reagierte.

»He, hallo!« sagte er zu den beiden Polizisten. Der untersetzte hatte sein Gespräch mit McGovern beendet, beide kamen über den Rasen auf sie zu. »Zieht euch einen Stuhl her, Jungs!« Ed ging mit ausgestreckter Hand um Ralph herum.

Der untersetzte Zivilbeamte schüttelte sie und lächelte weiter sein angedeutetes mildes Lächeln. »Edward Deepneau?« fragte er.

»Ganz recht.« Ed schüttelte dem uniformierten Polizisten, der ein wenig amüsiert wirkte, die Hand, dann wandte er seine Aufmerksamkeit wieder dem Untersetzten zu.

»Ich bin Detective Sergeant John Leydecker«, sagte der untersetzte Mann. »Das ist Officer Chris Nell. Soweit wir wissen, gab es hier ein bißchen Ärger, Sir.«

»Nun, ja. So könnte man wohl sagen. Ein bißchen Ärger. Oder, wenn Sie die Dinge beim Namen nennen wollen, ich habe mich aufgeführt wie ein Arsch.« Eds kurzes, verlegenes Kichern klang besorgniserregend normal. Ralph mußte an alle charmanten Psychopathen denken, die er im Kino gesehen hatte - George Sanders war immer besonders gut in dieser Rolle gewesen -, und fragte sich, ob es möglich sein konnte, daß ein kluger Chemiker einen gerissenen Kleinstadtpolizisten aufs Kreuz legen konnte, der aussah, als hätte er seine Saturday Night Feuer-Phase nie richtig überwunden. Ralph hatte schreckliche Angst, daß es ihm gelingen könnte.